PERSONALquarterly 3/2019 - page 47

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(63,43 %) wollen keine speziellen Zertifikate zum agilen Coa-
ching. Welchen Mehrwert sich Unternehmen davon verspre-
chen, ein bestimmtes Studium nachzufragen, erschließt sich
nicht, sind doch alle wichtigen Treiber von Agilität weniger
auf Fachkompetenz zurückzuführen, sondern stehen im Zu-
sammenhang mit den Menschen, deren Denkweise, der per-
sönlichen und organisationalen Reife, der Kultur sowie der
Selbstorganisation. Ob hierfür ein Informatikstudium notwen-
dig ist, bleibt zu hinterfragen.
Warum bauen die Unternehmen aus der Stichprobe im Zu-
sammenhang mit der Kandidatensuche vornehmlich auf die
methodische Seite unter Vernachlässigung der Makroperspek-
tive und einer ganzheitlichen Sichtweise im Sinne des organi-
sationalenWandels? Mutmaßen lässt sich nur, dass der Einsatz
von agilen Methoden auf der Mikroebene transparenter ist und
es einfacher ist, die Arbeit eines agilen Coaches sichtbar zu
machen und seinen direkten Wert erklären zu können. Es las-
sen sich in diesem Zusammenhang einfacher Key Performance
Indicators (KPI) für den Wert seiner Arbeit generieren und
messen als etwa bei organisationalen Transformationsprozes-
sen und Aufgaben im Kulturwandel.
Hier könnten Unternehmen wie auch Entscheider und letzt-
endlich auch das Recruiting noch einen stärkeren Blick für
die Notwendigkeiten und Bedürfnisse von agilen Organisati-
onen entwickeln. Der Umstand, dass Agilität nicht durch einen
Masterplan oder eine einfache SMARTE (specific, measurable,
achievable, reasonable, time bound) Zielsetzung erreicht wer-
den kann, und der meistens nicht sofort ablesbare Return on
Investment (ROI) der für Agilität eingesetzten Ressourcen er-
fordern eine gewisse Abkehr von gängigen betriebswirtschaft-
lichen Führungs- und Steuerungsinstrumenten, wie etwa KPIs,
und eine Hinwendung zu vielleicht nicht direkt messbaren
und größeren Aufgaben auf der Makroebene, wie etwa die Eta-
blierung eines agilen Mindsets. Dies erfordert ein Umdenken
innerhalb der Organisationen: Der Weg in die Agilität ist ein
Experiment.
Limitationen der Studie und Ausblick auf weitere Forschung
Die vorliegende Studie generierte indirekt, durch das Instru-
ment der Analyse der Stellenanzeigen, Informationen zum
Berufsbild des agilen Coaches. Eine allgemein gültige Aussa-
gekraft für ein Anforderungsprofil eines agilen Coaches ist je-
doch allein auf dieser Basis kaum ableitbar. Dennoch gewähren
die Stellenanzeigen einen indirekten Einblick in die Bedürf-
nisse von Unternehmen. Hier wäre es sicherlich sinnvoll, in
einem weiteren Schritt mittels Experteninterviews tiefer in die
Thematik einzusteigen. Hier könnte man weiter erschließen,
warum Unternehmen gerade Anforderungen stellen, die zum
Teil dem Grundgedanken von Agilität widersprechen wie etwa
die starke Fokussierung auf Fachkompetenz und die Betonung
der Team- und Individualebene.
PROF. DR. KARIN MARCHAND
Professur für Unternehmensführung und
Personal
FOM Hochschule für Oekonomie &
Management, Hochschulzentrum Hamburg
E-Mail:
SEBASTIAN LINDKEN
Freiberuflicher agiler Team-Coach,
Scrum Master und Product Owner/
Projektmanager
E-Mail:
LITERATURVERZEICHNIS
Adkins, L. (2010): Coaching Agile Teams: A companion for Scrum Masters,
Agile Coaches and Project Managers in Transition (E-Book), 2. Ausgabe,
Boston: Addison-Wessley.
Beck, Kent et al. (2001): Manifest für agile Software-Entwicklung, [online],
2.04.2019].
Gielen, R. (2018): How To Build Your Own Spotify Model, [online],
[02.04.2019].
Rigby, D. K./Sutherland, J./Takeuchi, H. (2016): Embracing Agile: Learn
How Agile Really Works, in: Harvard Business Review, May, S. 40–48.
Roock, S. (2018): Agile Rollen: Von der organisierten Unverantwortlichkeit zur
organisierten Verantwortlichkeit, in: Agile Review, Jg. 8, Nr. 1, S. 6–17.
Scheller, T. (2017): Auf dem Weg zur agilen Organisation, München: Franz
Vahlen.
SUMMARY
Research question:
There is no common occupational profile of
agile coaches. The research question is how companies define the
role, aim, responsibilities and competencies of agile coaches.
Methodology:
qualitative content analysis of job advertisements
Practical implications:
One of the research results is that the
micro-perspective of agile coaches in combination with a strong
demand for methodological competencies is dominating. A more
systemic approach in combination with more focus on psychosocial
competencies is recommended.
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