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SERVICE
_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 02/19
Mythen mit Fakten widerlegen
Petra Nieken untersucht ihre Forschungshypothesen in randomisiert kontrollierten Labor-
und Feldstudien und bringt ihre Forschungsergebnisse in die Unternehmenspraxis ein.
Ruth Lemmer,
Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg
P
ersonalprofessorin Petra Nieken hat bei all ihren Pro-
jekten aus den Forschungsfeldern Human Resource
Management, NewWork, Anreize und Mitarbeitermo-
tivation, Wettbewerb und ethisches Verhalten am Ar-
beitsplatz einen Grundantrieb: „Ich möchte Mythen mit Fakten
widerlegen.“ Die Hochschullehrerin am KIT, dem Karlsruher
Institut für Technologie, ist überzeugt: „Aus dem Bauch he-
raus werden mehr falsche Entscheidungen getroffen als auf
Faktenbasis.“ Deshalb setzt die Forscherin auf randomisiert
kontrollierte Studien und steht für evidenzbasiertes Personal-
management. Das Karlsruher Decision und Design Lab des KIT
ermöglicht ihr und ihrem Team einen Laborstandard, mit dem
sie einzelne Verhaltensweisen isolieren und so Veränderungen
messen kann. „Das ist in Unternehmen nur in den seltensten
Fällen möglich“, sagt Nieken, die großen Wert darauf legt, aus
den Forschungsergebnissen praktische Handlungsempfeh-
lungen für Unternehmen abzuleiten.
Den Praxisbezug hat die Wissenschaftlerin von Beginn ihres
Berufslebens an gepflegt. Petra Nieken wuchs im niederrhei-
nischen Baal auf. Nach der Schule zog es die Abiturientin in
die Großstadt: zuerst zur Bankausbildung nach Düsseldorf und
dann zum Wirtschaftsstudium nach Köln. An der Universität
zu Köln promovierte die Betriebswirtin 2008 summa cum lau-
de. Ihr Thema: Tournaments, Risk and Careers. Zusammen
mit ihrem Doktorvater Dirk Sliwka untersuchte Petra Nieken
die Auswirkungen von Entlohnungssystemen auf das Risiko-
verhalten der Akteure und startete eigene Projekte im Bereich
Personalökonomik. „Die theoretische Analyse und unsere em-
pirischen Befunde können helfen zu verstehen, weshalb etwa
Fondsmanager mit einer schlechten Performance dazu neigen,
in risikoreiche Anlagen zu investieren“, so Nieken.
Interaktion zwischen monetären Anreizen und Führung
Während ihrer Promotion wurde die junge Wissenschaftlerin
vom DFG-Graduiertenkolleg finanziell unterstützt, arbeitete
aber gleichzeitig als wissenschaftliche Assistentin in der Per-
sonalwirtschaftslehre. Als Postdoc wechselte Nieken an die
Universität Bonn, wo sie am Institut für angewandte Mikro
ökonomik dem Sonderforschungsbereich „Governance und
die Effizienz ökonomischer Systeme“ der Universitäten Bonn,
Berlin, Mannheim und München angehörte. Bevor sie 2014 den
Lehrstuhl Human Resource Management am Karlsruher Insti-
tut für Technologie übernahm, sammelte Petra Nieken noch
Auslandserfahrung: als außerordentliche Professorin an der
Universität im norwegischen Stavanger und als Gastforscherin
an der kalifornischen Universität Berkeley. Es fiel Petra Nieken
leicht, sich im baden-württembergischen Karlsruhe niederzu-
lassen: „Die Stadt hat die Größe von Bonn, alles Lebens- und
Arbeitsnotwendige ist in einem guten Radius zu erreichen.“ So
kann die Professorin Forschung, Lehre, Selbstverwaltung und
die Familie mit dem fast einjährigen Sohn gut koppeln.
Die 40-jährige Wissenschaftlerin kombiniert Ansätze aus
der Betriebswirtschaftslehre mit Methoden aus der ange-
wandten Mikroökonomik. Ihre Hypothesen untersucht sie mit
verschiedenen Datenquellen. Um kausale Zusammenhänge
aufzuzeigen, bieten sich Labor- und Feldexperimente an. Da-
ten aus Umfragepanels sowie eigenen Befragungen ergänzen
das Spektrum. Aktuell arbeitet Nieken in Projekten mit Un-
ternehmen zusammen, um Fragestellungen aus dem Labor in
die Praxis zu tragen und um Langzeiteffekte beobachten zu
können. Eine wesentliche Frage im Bereich Human Resource
Management ist die nach der erfolgreichen Motivation von
Mitarbeitern und nach ihrem Verständnis für die Strategie. In
der Regel nutzen Unternehmen monetäre Anreize und setzen
parallel auf bestimmte Führungskonzepte, um ihre Ziele zu
erreichen. Die Interaktion zwischen beiden Instrumenten zu
erforschen und damit eine Wissenslücke zu schließen, das hat
sich Petra Nieken vorgenommen. Dafür geht sie ins Feld, also
in Unternehmen. Aus den langfristigen Interaktionseffekten
will die praxisorientierte Forscherin ein Handlungskonzept für
den erfolgreichen Einsatz dieser Instrumente ableiten – unter
der Berücksichtigung neuer Formen der Kommunikation und
Arbeitsweisen, die mit den Stichwörtern Digitalisierung und
Industrie 4.0 belegt sind.
Zum Erfolg von Motivationsinstrumenten gehört für die
Wissenschaftlerin auch die Frage nach unerwünschten Neben
effekten wie risikoreichem und unethischem Verhalten. So
konnte Petra Nieken beweisen, dass wettbewerbsgetriebene
Anreizstrukturen risikoreiches Verhalten triggern und zu un-
ethischem Verhalten führen. So gewinnen Männer, anders als