PERSONALquarterly 3/2019 - page 50

PERSONALquarterly 03/19
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STATE OF THE ART
_PERSONALAUSWAHL
Für Arbeitsleistung fanden die Autoren 36 Effekte mit einem
durchschnittlichen korrigierten Korrelationskoeffizienten von
r = 0,15. Etwas stärker ist der Effekt mit r = -0,24 für Unter-
nehmenswechsel; hat ein Individuum einen hohen Wert beim
P-O-Fit, ist die Wahrscheinlichkeit also etwas geringer, dass die
Person das Unternehmen verlässt. Beide Effekte gehen somit in
die von Organisationen intendierte Richtung, sind aber nicht
besonders stark. Dies ist wichtig zu betonen, da es bereits viel
Forschung zu verschiedenen Instrumenten bei der Personal-
auswahl gibt und im direkten Vergleich die prädiktive Validität
von P-O-Fit eher schlecht abschneidet. Bspw. ergibt sich in der
sehr umfassenden Zusammenstellung der prädiktiven Validi-
tät verschiedener Personalauswahlinstrumente von Schmidt
und Hunter (1998), dass strukturierte Interviews (r = 0,51),
Intelligenztests (r = 0,51), Assessment Center (0,37) oder auch
Tests zur Persönlichkeit (Integritätstest: r = 0,41; Gewissen-
haftigkeitstest: r = 0,31) allesamt besser zur Vorhersage von
Arbeitsleistung geeignet sind.
Wir hatten oben über den vermutlich indirekten Effekt von
P-O-Fit auf die Arbeitsleistung berichtet, dass nämlich eine gute
Passung positivere Arbeitseinstellungen beim Individuum ent-
stehen lässt, die dann auf die Leistung wirken können. In einer
weiteren Meta-Analyse (Verquer/Beehr/Wagner, 2003) wur-
den diese Zusammenhänge genauer untersucht. Die Effekte
auf die Arbeitseinstellungen sind tendenziell etwas stärker und
scheinen die vermuteten Wirkzusammenhänge zu bestätigen.
Der stärkste Zusammenhang besteht zwischen P-O-Fit und
organisationalem Commitment, gefolgt von Arbeitszufrieden-
heit. Arthur und Kollegen (2006) greifen diese Argumentation
auf und berechnen die Effekte von P-O-Fit, die über diese Ar-
beitseinstellungen verlaufen. Sie zeigen, dass der Großteil der
(kleinen) prädiktiven Validität von P-O-Fit für Arbeitsleistung
über Arbeitseinstellungen erklärt werden kann, da in einem
Pfadmodell vom Gesamteffekt für Arbeitsleistung (r = 0,15)
nur noch ein Effekt von r = 0,06 übrig bleibt, wenn man die
Wirkung über Arbeitseinstellungen herausrechnet. Für Un-
ternehmenswechsel bleibt vom Gesamteffekt (r = 0,24) nur
noch der halbe Effekt übrig (r = 0,12), wenn für Arbeitseinstel-
lungen kontrolliert wird. Diese Ergebnisse bestärken also die
Vermutung, dass P-O-Fit eher indirekt auf Arbeitsleistung und
Unternehmenswechsel wirkt.
Welcher Fit ist am wichtigsten?
Der oben durchgeführte Vergleich mit traditionellen Personal-
auswahlinstrumenten gibt einen ersten Eindruck über die eher
schwache Effektstärke des P-O-Fits. Allerdings liefert dieser
Vergleich nur eine Indikation, da Instrumente mit dem Kon-
strukt P-O-Fit verglichen werden. Beides ist nicht deckungs-
gleich. Im Interview kann bspw. auch kulturelle Passung
ermittelt werden und Persönlichkeitsdimensionen sind Teil
der Wertebasis. Einen weiteren Eindruck über die Bedeutung
von P-O-Fit erhält man durch den Vergleich mit den eingangs
angefügten weiteren Formen der Passung. Amy Kristof-Brown
und Kollegen (2005) vergleichen in einer Meta-Analyse den
Einfluss von P-O-Fit, Person-Job-, Person-Group- und Person-
Supervisor-Fit. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2 dargestellt.
Interessant ist insbesondere der Vergleich zwischen Person-
Organisation- und Person-Job-Fit, wobei Person-Job-Fit bezüg-
lich aller Ergebnisgrößen die stärkeren Effekte aufweist. „Hire
for attitudes“ sollte somit als Ergänzung und nicht als Ersatz
zu etablierten Verfahren, die die Eignung für eine bestimmte
Tätigkeit messen, verwendet werden.
Wir hatten eingangs über die hohe wahrgenommene Bedeu-
tung von P-O-Fit für Kandidaten berichtet. Die Messung von
P-O-Fit könnte also einen wichtigen Beitrag für eine positive
Candidate Experience im Bewerbungsprozess liefern. Auch
wenn kein starker Zusammenhang mit späterer Arbeitsleis­
tung bestehen mag, könnte das Instrument helfen, ein posi-
tives Bild des Unternehmens beim Bewerber zu zeichnen. Die
Studienlage für diese Frage ist zu dünn, um hier ein zuverläs-
siges Bild zu zeichnen. Die Darstellung der Organisationskul-
tur erscheint aber in jedem Fall hilfreich, den Bewerbern ein
vollständigeres Bild der Organisation zu liefern, auch wenn die
wahrgenommene Passung unternehmensseitig nur bedingt in
Auswahlentscheidungen eingehen sollte.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
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Die kulturelle Passung von Person und Organisation (P-O-Fit)
hängt eher schwach mit Arbeitsleistung und Unternehmens-
wechseln zusammen, sollte also höchstens ergänzend bei
Personalauswahlentscheidungen einbezogen werden.
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Der Effekt von P-O-Fit auf Arbeitsleistung verläuft über Ar-
beitseinstellungen wie z. B. Arbeitszufriedenheit. Diese eher
indirekte Wirkung könnte wichtiger Grund für die insgesamt
kleinen Effekte sein.
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Im Bewerbungsprozess erscheint es trotzdem sinnvoll, ein
umfassendes Bild der Organisationskultur zu vermitteln,
weil sie für Bewerber ein wichtiges Kriterium für die Wahl
ihres Wunscharbeitgebers ist.
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