PERSONALquarterly 3/2019 - page 43

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03/19 PERSONALquarterly
toring, Professional Coaching, Teaching/Training und Facilita-
ting. Mentoring grenzt sich von Professional Coaching insofern
ab, als das Mentoring eher ein Knowledge Sharing umfasst, wo-
hingegen Coaching als professioneller und kreativer Prozess
auf die Befähigung zu persönlichem Wachstum abzielt. Der
agile Coach als Teacher/Trainer soll andere Perspektiven, Fach-
wissen und Fähigkeiten rund um Agilität lehren, wohingegen
der Facilitator eine neutrale Person ist, die Teams bei Interak-
tion und Aufgabenbearbeitung unterstützt. Auf Kompetenz­
ebene zeichnen sich aus der Literatur neben den fachlichen
Kompetenzen, wie etwa Technical oder Business Mastery, und
der agilenMethodenkompetenz deutlich die persönlichen Kom-
petenzen, wie psychosoziale Kompetenzen, ab (Adkins, 2010).
Neben Empathie und unterstützenden Führungsaufgaben
(Servant Leadership) steht die Kommunikationsfähigkeit zur
Vermittlung des agilen Mindsets, zur Konfliktlösung und zur
Steigerung der Kollaboration im Zentrum.
In der Regel findet die Diskussion rund um das agile Coa-
ching maßgeblich über Blog-Artikel oder Konferenzbeiträge
von praktizierenden Coaches, Trainingsinstituten, Beratern
und HR-Praktikern statt. In der Praxis herrschen sehr un-
terschiedliche, teils auch widersprüchliche Verständnisse zu
Rollen, Zielen, Aufgaben und Anforderungen sowie Qualifi-
kationen und Zertifizierungen des agilen Coaches vor. Auch
Ausbildungsinhalte verschiedener Bildungsträger für agile
Coachings differieren stark. Eine einheitliche Sichtweise lässt
sich nicht extrahieren. So wird bspw. das Rollenverständnis
des agilen Coaches sehr unterschiedlich definiert. Es gibt agile
Coaches, die Unternehmen bei einer agilen Transformation
unterstützen, als Organisationsentwickler die Organisation auf
verschiedenen Ebenen coachen und beraten, aber auch Team
Coaches, die ein oder mehrere Teams betreuen und sich dabei
um Teamentwicklung und deren Prozesse kümmern.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie wird die
Rolle des agilen Coaches in deutschen Unternehmen definiert?
Die Unternehmensperspektive wurde in der bisherigen Dis-
kussion um Rollen und Anforderungen des agilen Coaches
unterrepräsentiert. Gerade diese Sichtweise ist jedoch interes-
sant, sind es doch die Unternehmen, die agile Coaches suchen
und einsetzen. Welche konkreten Aufgaben hat demnach der
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Ein einheitlich definiertes Berufsbild des agilen Coaches gibt es nicht.
Es stellt sich die Frage, wie Unternehmen die Rolle, Ziele, Aufgaben und Kompetenzen von
agilen Coaches definieren.
Methodik:
Auswertung von Stellenanzeigen mittels qualitativer Inhaltsanalyse
Praktische Implikationen:
Der agile Coach wird in einem Großteil der untersuchten
Stellenanzeigen aus einer Mikroperspektive mit einem Fokus auf Methodenkompetenz be-
trachtet. Eine systemischere Sichtweise mit einer stärkeren Ausrichtung auf psychosoziale
Kompetenzen wird empfohlen.
agile Coach dort und welches Kompetenzprofil sollte er aus
Sicht der Unternehmen mitbringen?
Studiendesign
Mögliche Antworten kann die Auswertung von Stellenanzeigen
zum agilen Coach geben. Sie bieten im Gegensatz zu qualita-
tiven Interviews mit HR-Verantwortlichen einen universaleren
und neutraleren Nährboden für die Analyse. In die Stellenan-
zeige fließen in komprimierter Form das Rollenverständnis
und die Anforderungen der Führungskräfte in Unternehmen
an einen agilen Coach in Abstimmung mit HR ein. Für die
Studie wurden 134 Stellenanzeigen im Erhebungszeitraum
(16.04.-15.05.2018) auf den besonders reichweitenstarken
Portalen xing.com, stepstone.de, indeed.com und monster.de
untersucht. Doppelt auftretende Anzeigen wurden herausge-
filtert, ebenso die Suche nach freiberuflichen Mitarbeitern.
Freiberufler werden in der Regel nur für einen kurzen Zeit-
raum mit einem klar definierten Beratungsmandat insbeson-
dere zur Transformationsberatung eingesetzt. Die vorliegende
Studie betrachtet den agilen Coach als Teil der Organisation
selbst und nicht in ausschließlich externer Beratungsfunkti-
on. Es wurden nur Positionen in Deutschland berücksichtigt,
die einem Arbeitgeber klar zugeordnet werden konnten und
hinreichend Aussagekraft hatten, das heißt, Aufgabenbereich,
Rolle und Ziel des Profils mussten klar zu erkennen sein. Stel-
lenanzeigen, die bspw. nur aus drei Sätzen bestanden, wurden
nicht berücksichtigt. Gleiches galt für Anzeigen, bei denen der
Arbeitgeber nicht klar erkennbar war.
Für die Auswertung ist ein Grundverständnis der Thematik
notwendig. So ergeben sich z. B. die Anforderungen an den
Facilitator aus Formulierungen wie: „Sie betreuen die Scrum-
Artefakte und moderieren die Dailys und Retrospektiven.“ Ein
fachfremder Analyst kann diese Zuordnung nicht treffen.
Die Konstellation innerhalb des Autorenteams (agiler Coach
und Wissenschaftlerin) wird als sinnvolle Besetzung zur Ana-
lyse derart spezieller und praxisnaher Themen gesehen. Die
Auswertung der Stellenanzeigen mit einer qualitativen Inhalts-
analyse fand nach folgenden Kriterien/Kategorien statt, die
nach der Auswertung der Literatur als Hauptmerkmale des
agilen Coachings identifiziert wurden (vgl. Abb. 1). Zum einen
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