PERSONALquarterly 3/2019 - page 35

35
03/19 PERSONALquarterly
B
ei der Wahl des ersten Arbeitgebers stehen Hochschul-
absolventen in einem Spannungsfeld zwischen den
vielfältigen Optionen und eigenen Präferenzen und
dem intensivenWettbewerbmit anderen Studierenden.
Zudem sind sie mit Unsicherheiten und Informationsdefiziten
konfrontiert. Am Ende eines Entscheidungsprozesses, bei dem
eine Vielzahl möglicher Alternativen miteinander verglichen
werden, wählen Hochschulabsolventen einen bestimmten Ar-
beitgeber. Bislang fehlen Studien, die die Konkurrenzbezie-
hungen zwischen potenziellen Arbeitgebern betrachten und
auch regionale Aspekte der Arbeitgeberwahl berücksichtigen.
Die vorliegende Untersuchung begegnet den Grenzen beste-
hender Studien durch die Anwendung einer Netzwerkanalyse.
Durch die Identifikation von Arbeitgeberalternativen aus Sicht
relevanter Absolventen ergibt sich die Ableitung zielgerichte-
ter Implikationen für das Personalmanagement.
Theoretische Grundlagen
Ein sowohl in der Wissenschaft als auch der Praxis diskutier-
tes Konzept bei der Arbeitgeberwahl ist das der Präferenz. Es
beinhaltet den Vergleich der Attraktivität eines Arbeitgebers
mit den Konkurrenten im Arbeitsmarkt und postuliert, dass
nicht die absoluten Eigenschaften eines Arbeitgebers entschei-
dend sind. Vielmehr bilden sich Präferenzen in dynamischen,
mehrstufigen Vergleichsprozessen aufgrund der relativen und
subjektiv wahrgenommenen Vorteile eines Unternehmens
(Petkovic, 2008). Präferenzen sind somit Indikatoren für das
zukünftige Verhalten und die Wahlentscheidungen bei der Ar-
beitgeberwahl (Süß, 1996).
Die Arbeitgeberwahl ist eine langfristige und weitreichende
Entscheidung, die durch Unsicherheit, Informationsmangel
und reduzierte Entscheidungsgeschwindigkeit gekennzeichnet
ist (Süß, 1996). Es wird angenommen, dass Arbeitssuchende
aufgrund der Wichtigkeit der Entscheidung und des damit ver-
bundenen hohen Levels an Involvement dazu bereit sind, sich
umfassend über Beschäftigungsalternativen zu informieren
und ihre Entscheidung genau abzuwägen. Involvement führt
zu einem Zustand innerer Aktivierung, die kontextspezifisch
ist und mit dem Herannahen der finalen Entscheidung zu-
nimmt (Baum & Kabst, 2013).
Netzwerkanalyse von Arbeitgeberpräferenzen
Von
Theresa Bernhard
und
Prof. Dr. Dirk Holtbrügge
(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
Für die Analyse von Arbeitgeberpräferenzen bietet sich das
aus der Konsumforschung bekannte Relevant-Set-Konzept an
(Süß, 1996; Petkovic, 2008). Ausgangspunkt des Vergleichspro-
zesses ist die Gesamtheit aller möglichen Arbeitgeber, die als
Total Set bezeichnet wird. Arbeitssuchenden ist jedoch nur eine
beschränkte Zahl an Unternehmen tatsächlich auch bekannt,
während Kenntnisse über den größten Teil des potenziellen
Arbeitsmarkts fehlen. Arbeitgeber, die Arbeitssuchende nach
intensiver Informationsbeschaffung und -verarbeitung tatsäch-
lich für Bewerbungen berücksichtigen, liegen im Relevant Set.
Als Folge der Vergleichsprozesse werden positive Präferenzen
für Unternehmen gebildet, die bestimmte vom Individuum
als wichtig erachtete Kriterien erfüllen und sich in Bezug auf
ebenjene Eigenschaften ähneln. Dabei spielen insbesondere
Arbeitgebereigenschaften eine wichtige Rolle, weil die Charak-
teristika spezifischer Arbeitsplätze zu diesem Zeitpunkt weder
erfahr- noch bewertbar sind (Abramovskij, 2013).
Aus organisationaler Sicht ist es für die Deckung des eige-
nen Personalbedarfs erfolgsentscheidend, Teil des Relevant Set
einer Zielgruppe potenzieller Bewerber zu sein. Arbeitgeber
müssen dazu zunächst ihre Position aus Sicht der Zielgrup-
pe auch relativ zu den spezifischen Konkurrenten auf dem
Arbeitsmarkt kennen. Erst dann können zielgruppenspezi-
fische Maßnahmen (wie Employer Branding) zur Positionie-
rung als attraktiver Arbeitgeber eingesetzt werden (Gurtner
& Kels, 2016). Zu berücksichtigen ist, dass die maßgeblichen
Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt nicht zwangsläufig die
Konkurrenten des Absatzmarkts sind. Dort konkurriert ein Un-
ternehmen mit all denen, die durch ihre Produkte und Dienst-
leistungen dieselben Bedürfnisse befriedigen können. Auf dem
Arbeitsmarkt steht dasselbe Unternehmen jedoch gegebenen-
falls mit anderen Unternehmen im Wettbewerb. Eine zentrale
Herausforderung besteht deshalb darin, die Konkurrenten zu
kennen und diese Konkurrenzbeziehungen zu verstehen.
Bestehende Studien zu Arbeitgeberpräferenzen sowie
deren Grenzen
Bestehende Studien zu Arbeitgeberpräferenzen lassen sich
zwei Kategorien zuteilen. Einige Untersuchungen nähern
sich dem Konzept der Arbeitgeberpräferenzen unter dem Ge-
1...,25,26,27,28,29,30,31,32,33,34 36,37,38,39,40,41,42,43,44,45,...60
Powered by FlippingBook