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          PERSONALquarterly  03/19
        
        
          
            NEUE FORSCHUNG
          
        
        
          _AGILITÄT
        
        
          Z
        
        
          u den Auswirkungen der digitalen Transformation
        
        
          zählen das Management von Komplexität und damit
        
        
          einhergehend der Wandel von klassischen hin zu agi-
        
        
          len Organisationen. Im agilen Manifest von 2001, das
        
        
          seinen Ursprung in der Softwareentwicklung hat, findet man
        
        
          den Ursprungsgedanken von Agilität und eine erste Definition
        
        
          agiler Arbeitsweisen und -prinzipien. Besonders herauszu-
        
        
          stellen sind die Kollaboration, insbesondere mit Kunden, eine
        
        
          schnellere Reaktion auf Veränderungen anstelle des starren
        
        
          Befolgens von Plänen sowie die Idee, dass Individuen und In-
        
        
          teraktionen, nicht Prozesse im Fokus stehen (Beck et al., 2001).
        
        
          Für ein Unternehmen bedeutet Agilität, die Fähigkeit zu
        
        
          entwickeln, in einer immer dynamischeren Wettbewerbsum-
        
        
          gebung mit sich immer schneller wandelnden und kaum pro-
        
        
          gnostizierbaren Kundenwünschen erfolgreich auf dem Markt
        
        
          bestehen zu können. Daher setzen sich viele Unternehmen
        
        
          damit auseinander, wie sie Kreativität, Geschwindigkeit, ins-
        
        
          besondere in den Reaktionen auf Kundenbedürfnisse und Ver-
        
        
          änderungen, sowie dezentrale Entscheidungsfindungen, also
        
        
          Denk- und Arbeitsweisen von Start-ups, in ihren Organisati-
        
        
          onen etablieren können. Stellt man traditionelle Ansätze agilen
        
        
          Herangehensweisen gegenüber, kristallisiert sich ein starker
        
        
          Handlungsbedarf für Transformationsprozesse heraus.
        
        
          Unternehmen, die Agilität einführen, verstehen darunter
        
        
          den Abbau von Bürokratie, die Verschlankung von Prozessen
        
        
          sowie die Einführung und Anwendung eines agilen Metho-
        
        
          denbaukastens wie etwa Scrum (Framework für agiles Pro-
        
        
          jektmanagement) oder in großen Organisationen mit vielen
        
        
          Teams die skalierten Frameworks wie Scaled Agile Framework
        
        
          (SAFe) oder Large-Scale Scrum (LeSS). Auch Kanban (agile
        
        
          Entwicklung), Lean (Lean Start-up Principles), DevOps (Pro-
        
        
          zessverbesserungsansatz), Design Thinking (Ansatz zur Ent-
        
        
          wicklung neuer Ideen zur Problemlösung) oder XP eXtreme
        
        
          Programming (Vorgehensweise der agilen Software-Entwick-
        
        
          lung) zählen zu den agilen Methoden, die in Unternehmen ver-
        
        
          stärkt Anwendung finden sollen. Die Etablierung eines agilen
        
        
          Wertesystems, also ein Kulturwandel, wird als Grundvoraus-
        
        
          setzung für einen erfolgreichen Umbau der Unternehmen in
        
        
          Richtung agile Organisation gesehen (Scheller, 2017).
        
        
          Die Einführung von agilen Arbeitsweisen hat starke Auswir-
        
        
          Der agile Coach: Rolle und Anforderungen
        
        
          aus der Unternehmensperspektive
        
        
          Von
        
        
          
            Prof. Dr. Karin Marchand
          
        
        
          (FOM Hochschule für Oekonomie und Management) und
        
        
          
            Sebastian Lindken
          
        
        
          kungen auf die Organisation und die einzelnen Mitarbeiter.
        
        
          Der agile Ansatz ist aus Mitarbeiterperspektive durch etwas
        
        
          unscharf abgegrenzte Rollenkonstrukte geprägt, die von den
        
        
          Mitarbeitern fordern, Unklarheit und Unsicherheit auszuhal-
        
        
          ten. Dies ruft vermehrt Konflikte hervor, nicht zuletzt aufgrund
        
        
          der sich möglicherweise überschneidenden Verantwortungs-
        
        
          bereiche der Rollen. Es verhindert allerdings auch eine „Not my
        
        
          job“-Haltung, da nicht klar ist, wo der eigene Verantwortungs-
        
        
          bereich aufhört. Dies muss, wenn das große Ganze erreicht
        
        
          werden soll, unter den Beteiligten verhandelt werden. Die Lö-
        
        
          sung lautet also Kooperation. In vielen Unternehmen und auch
        
        
          bei einer großen Zahl der Mitarbeiter überwiegt jedoch nach
        
        
          wie vor der Wunsch nach einer klaren Zuweisung der Verant-
        
        
          wortlichkeiten. Für die geforderte Flexibilität der Unterneh-
        
        
          men ist dies aber eher hinderlich, da jede Anpassung an neue
        
        
          Gegebenheiten und Veränderungen in den Rollenzuschnitten
        
        
          eine Anpassung der Verantwortungsbereiche bedeuten würde.
        
        
          Kooperative Arbeitsweisen stellen eine moderne Antwort auf
        
        
          das Spannungsfeld Flexibilität in der Organisation und das
        
        
          Bedürfnis nach Stabilität der Mitarbeiter dar: Sie dienen dazu,
        
        
          situative Anpassungen zu ermöglichen und gemeinsam Ver-
        
        
          antwortung zu übernehmen (Roock, 2018).
        
        
          In diesem Zusammenhang soll der agile Coach in den Un-
        
        
          ternehmen unterstützen, wobei es kein einheitlich definiertes
        
        
          Anforderungsprofil oder Berufsbild gibt. Wer nach Literatur
        
        
          zum Thema sucht, findet aktuell bemerkenswert wenig wis-
        
        
          senschaftlich Fundiertes. Das ist insofern erstaunlich, als das
        
        
          Thema Agilität und damit auch das agile Coaching eine hohe
        
        
          Relevanz in der Praxis hat, die sich auch auf den wissenschaft-
        
        
          lichen Diskurs auswirken sollte.
        
        
          Ein Ansatz zur Definition der Ziele agilen Coachings lässt
        
        
          sich aus der Fachdiskussion extrahieren. So gehören Themen
        
        
          wie die Adaptionsfähigkeit innerhalb einer Organisation zu
        
        
          steigern („inspect and adapt“), ein agiles Mindset zu entwickeln
        
        
          (Denkweise), die Kooperation der Organisationsmitglieder zu
        
        
          stärken (Kollaboration) und Hindernisse (Impediments) zu be-
        
        
          seitigen, Probleme zu erkennen und zu lösen, zu den zentralen
        
        
          Zielen von agilen Coachingprozessen (Rigby/Sutherland/Ta-
        
        
          keuchi, 2016). In der Literatur werden folgende Tätigkeiten und
        
        
          Anforderungen genannt, die agile Coaches übernehmen: Men-