PERSONALquarterly 3/2019 - page 42

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PERSONALquarterly 03/19
NEUE FORSCHUNG
_AGILITÄT
Z
u den Auswirkungen der digitalen Transformation
zählen das Management von Komplexität und damit
einhergehend der Wandel von klassischen hin zu agi-
len Organisationen. Im agilen Manifest von 2001, das
seinen Ursprung in der Softwareentwicklung hat, findet man
den Ursprungsgedanken von Agilität und eine erste Definition
agiler Arbeitsweisen und -prinzipien. Besonders herauszu-
stellen sind die Kollaboration, insbesondere mit Kunden, eine
schnellere Reaktion auf Veränderungen anstelle des starren
Befolgens von Plänen sowie die Idee, dass Individuen und In-
teraktionen, nicht Prozesse im Fokus stehen (Beck et al., 2001).
Für ein Unternehmen bedeutet Agilität, die Fähigkeit zu
entwickeln, in einer immer dynamischeren Wettbewerbsum-
gebung mit sich immer schneller wandelnden und kaum pro-
gnostizierbaren Kundenwünschen erfolgreich auf dem Markt
bestehen zu können. Daher setzen sich viele Unternehmen
damit auseinander, wie sie Kreativität, Geschwindigkeit, ins-
besondere in den Reaktionen auf Kundenbedürfnisse und Ver-
änderungen, sowie dezentrale Entscheidungsfindungen, also
Denk- und Arbeitsweisen von Start-ups, in ihren Organisati-
onen etablieren können. Stellt man traditionelle Ansätze agilen
Herangehensweisen gegenüber, kristallisiert sich ein starker
Handlungsbedarf für Transformationsprozesse heraus.
Unternehmen, die Agilität einführen, verstehen darunter
den Abbau von Bürokratie, die Verschlankung von Prozessen
sowie die Einführung und Anwendung eines agilen Metho-
denbaukastens wie etwa Scrum (Framework für agiles Pro-
jektmanagement) oder in großen Organisationen mit vielen
Teams die skalierten Frameworks wie Scaled Agile Framework
(SAFe) oder Large-Scale Scrum (LeSS). Auch Kanban (agile
Entwicklung), Lean (Lean Start-up Principles), DevOps (Pro-
zessverbesserungsansatz), Design Thinking (Ansatz zur Ent-
wicklung neuer Ideen zur Problemlösung) oder XP eXtreme
Programming (Vorgehensweise der agilen Software-Entwick-
lung) zählen zu den agilen Methoden, die in Unternehmen ver-
stärkt Anwendung finden sollen. Die Etablierung eines agilen
Wertesystems, also ein Kulturwandel, wird als Grundvoraus-
setzung für einen erfolgreichen Umbau der Unternehmen in
Richtung agile Organisation gesehen (Scheller, 2017).
Die Einführung von agilen Arbeitsweisen hat starke Auswir-
Der agile Coach: Rolle und Anforderungen
aus der Unternehmensperspektive
Von
Prof. Dr. Karin Marchand
(FOM Hochschule für Oekonomie und Management) und
Sebastian Lindken
kungen auf die Organisation und die einzelnen Mitarbeiter.
Der agile Ansatz ist aus Mitarbeiterperspektive durch etwas
unscharf abgegrenzte Rollenkonstrukte geprägt, die von den
Mitarbeitern fordern, Unklarheit und Unsicherheit auszuhal-
ten. Dies ruft vermehrt Konflikte hervor, nicht zuletzt aufgrund
der sich möglicherweise überschneidenden Verantwortungs-
bereiche der Rollen. Es verhindert allerdings auch eine „Not my
job“-Haltung, da nicht klar ist, wo der eigene Verantwortungs-
bereich aufhört. Dies muss, wenn das große Ganze erreicht
werden soll, unter den Beteiligten verhandelt werden. Die Lö-
sung lautet also Kooperation. In vielen Unternehmen und auch
bei einer großen Zahl der Mitarbeiter überwiegt jedoch nach
wie vor der Wunsch nach einer klaren Zuweisung der Verant-
wortlichkeiten. Für die geforderte Flexibilität der Unterneh-
men ist dies aber eher hinderlich, da jede Anpassung an neue
Gegebenheiten und Veränderungen in den Rollenzuschnitten
eine Anpassung der Verantwortungsbereiche bedeuten würde.
Kooperative Arbeitsweisen stellen eine moderne Antwort auf
das Spannungsfeld Flexibilität in der Organisation und das
Bedürfnis nach Stabilität der Mitarbeiter dar: Sie dienen dazu,
situative Anpassungen zu ermöglichen und gemeinsam Ver-
antwortung zu übernehmen (Roock, 2018).
In diesem Zusammenhang soll der agile Coach in den Un-
ternehmen unterstützen, wobei es kein einheitlich definiertes
Anforderungsprofil oder Berufsbild gibt. Wer nach Literatur
zum Thema sucht, findet aktuell bemerkenswert wenig wis-
senschaftlich Fundiertes. Das ist insofern erstaunlich, als das
Thema Agilität und damit auch das agile Coaching eine hohe
Relevanz in der Praxis hat, die sich auch auf den wissenschaft-
lichen Diskurs auswirken sollte.
Ein Ansatz zur Definition der Ziele agilen Coachings lässt
sich aus der Fachdiskussion extrahieren. So gehören Themen
wie die Adaptionsfähigkeit innerhalb einer Organisation zu
steigern („inspect and adapt“), ein agiles Mindset zu entwickeln
(Denkweise), die Kooperation der Organisationsmitglieder zu
stärken (Kollaboration) und Hindernisse (Impediments) zu be-
seitigen, Probleme zu erkennen und zu lösen, zu den zentralen
Zielen von agilen Coachingprozessen (Rigby/Sutherland/Ta-
keuchi, 2016). In der Literatur werden folgende Tätigkeiten und
Anforderungen genannt, die agile Coaches übernehmen: Men-
1...,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41 43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,...60
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