PERSONALquarterly 3/2019 - page 52

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 03/19
B
ewerberInnen geraten schnell in Versuchung, ihren
Lebenslauf aufzupolieren. So werden z. B. Sprach- oder
Softwarekenntnisse überschätzt. Besonders kritisch
wird es, wenn Abschlüsse oder frühere Tätigkeiten
nicht wahrheitsgemäß angegeben werden. Untersuchungen aus
den USA deuten darauf hin, dass circa die Hälfte aller Bewer-
berInnen fehlerhafte Lebensläufe einreicht. Dies hat für Or-
ganisationen weitreichende Folgen. Eine bewusste Täuschung
im Bewerbungsprozess ist nicht nur unfair gegenüber anderen
BewerberInnen, sondern kann hohe Kosten durch Fehl- bzw.
Nachbesetzungen oder rechtliche Auseinandersetzungen ver-
ursachen. Letztendlich kann das Organisationsklima unter Per-
sonen, die unethisches Verhalten befördern, leiden.
Die U.S.-amerikanischen ForscherInnen Henle, Dineen und
Duffy sind in vier aufeinander aufbauenden Studien der Fra-
ge nachgegangen, wie sich eine bewusste Täuschung erfassen
lässt und welche Ursachen und Konsequenzen sie haben. Sie be-
fragten über 400 arbeitssuchende Studierende und konnten drei
Subfacetten identifizieren: (1) Fälschung, z. B. Auflisten von nie
erworbenen Hochschulabschlüssen, (2) „Verschönerung“/ Über-
treibung, z. B. übermäßige Beteiligung an wichtigen Projekten
und (3) Auslassung von Informationen, z. B. Verschweigen von
Beschäftigungsverhältnissen. Personen, die berichten, dass sie
keine wahrheitsgemäßen Angaben in ihrem Lebenslauf machen,
neigten zu geringerer sozialer Erwünschtheit und erhöhtem
Machiavellismus (d. h. die generelle Tendenz, Macht auszu-
nutzen). Ein hoher moralischer Kompass, Gewissenhaftigkeit,
Verträglichkeit und emotionale Stabilität wirkten dem uner-
wünschten Verhalten hingegen entgegen. Es zeigten sich keine
klaren Geschlechtereffekte und auch kein Zusammenhang zum
Notendurchschnitt der TeilnehmerInnen. Eine abschließende
Befragung unter 300 Erwerbstätigen zeigte, dass sich Täuschen
im Lebenslauf negativ auf die selbstberichtete Arbeitsleistung
auswirkt und mit Devianz am Arbeitsplatz (z. B. Stehlen) einher-
geht. Zusammenfassend deuten die Ergebnisse auf die Tragweite
des Problems hin und unterstreichen, dass Lebensläufe nur ein
Baustein im Personalauswahlprozess sein sollten.
Besprochen von
Dr. Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-
und Organisationspsychologie, Universität Hamburg
M
oderne Organisationen etablieren häufig
Teamstrukturen, um flexibel auf Anforderungen
reagieren zu können und komplexe Probleme zu
lösen. Dies führt dazu, dass MitarbeiterInnen
zunehmend mehreren Teams gleichzeitig angehören (engl.
multiple team memberships), z. B. wenn sie parallel in meh-
rere Projekte eingebunden sind. Obwohl die Zugehörigkeit zu
verschiedenen Teams mehr und mehr zum Arbeitsalltag zählt,
ist die Forschungslage zu diesem Thema vergleichsweise dünn.
Ein Grund dafür liegt in eher traditionellen Vorstellungen
und Definitionen davon, was ein Team überhaupt auszeich-
net (z. B. überdauernde Zugehörigkeit). Darüber hinaus ist die
praktische Umsetzung entsprechender Forschungsvorhaben
kompliziert. Untersuchungen zeigen, dass es MitarbeiterInnen
immer schwerer fällt zu sagen, wie vielen Teams sie eigent-
lich angehören (engl. team membership model divergence).
Aufbauend auf der Theorie der sozialen Identität entwickelten
die Autoren Rapp und Mathieu ein mehrstufiges Modell, das
sowohl Merkmale von Einzelpersonen als auch von Teams be-
rücksichtigt, um Rückschlusse auf Leistung und Zufriedenheit
zu gewinnen. Sie befragten 96 MitarbeiterInnen einer IT-Fir-
ma, die im Durchschnitt 3,33 Teams angehörten. Die Erhebung
erstreckte sich über mehrere Monate und beinhaltete insg. fünf
Messzeitpunkte. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass
MitarbeiterInnen, die mehreren Teams gleichzeitig angehören,
jeweils eine separate Identifikation mit jedem Team aufbau-
en. Tendenziell zeigt sich, dass eine höhere Identifikation mit
dem jeweiligen Team höhere Leistung und Zufriedenheit zur
Folge hat. Mit Hinblick auf praktische Implikationen empfeh-
len die Autoren, dass besonders prestigeträchtige Projekte die
Identifikation mit dem Team stärken. Zusätzlich sollte bei der
Teamzusammenstellung berücksichtigt werden, ob die Team-
mitglieder in früheren Projekten bereits gute (oder schlechte)
Erfahrungen miteinander gesammelt haben. Ebenso gilt es zu
vermeiden, dass die MitarbeiterInnen in jedem Team unter-
schiedliche Rollen ausfüllen, da dies zu einem inneren Rollen-
konflikt und Überforderung führen kann.
Besprochen von
Dr. Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-
und Organisationspsychologie, Universität Hamburg
Vorsätzliche „Aufpolierung“
des Lebenslaufs
C. A. Henle
(Colorado State),
B. R. Dineen
(Purdue University)
&
M. K. Duffy
(University of Minnesota): Assessing intentional
resume deception: Development and nomological network of a
resume fraud measure. Journal of Business and Psychology, 2019,
Vol. 34, pp. 87-106.
Multiple Teamzugehörig-
keiten
T. L. Rapp
(Ohio University) &
J. E. Mathieu
(University of
Connecticut): Team and individual influences in members’
identification and performance per membership in multiple team
membership arrangements. Journal of Applied Psychology, 2019,
Vol. 104, pp. 303-320.
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60
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