PERSONALquarterly 3/2019 - page 46

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PERSONALquarterly 03/19
NEUE FORSCHUNG
_AGILITÄT
Scrum
Kanban
XP
Lean
Allgemein/Andere
wird zwar in den allermeisten Fällen ein Teamunterstützer
(90,3 %) gesucht, die anderen Kategorien (Organisationsbera-
tung, Einzelpersonenberatung) werden jedoch auch deutlich
angefordert. Es stellt sich die Frage, warum gerade im Kontext
von Herausforderungen in der Transformation zu Agilität dem
agilen Coach keine größere Rolle in der Organisationsbera-
tung zugeschrieben wird, kann doch eine Unterstützung von
Teams und Einzelpersonen hin zu agilen Arbeitsweisen nur
im Rahmen eines organisationsweiten massiven kulturellen
Wandels stattfinden. In diesem Zusammenhang scheint in den
Unternehmen die Mikroperspektive die Makroperspektive zu
dominieren. Dieser Argumentation folgt auch die geringe Be-
tonung der Etablierung eines agilen Mindsets bzw. die Ver-
mittlung von agilen Werten und Prinzipien mit 14,18 % und
20,9 % als Ziele des agilen Coachings. Hier scheint bei den
Stellenausschreibungen ebenfalls die Mikroperspektive zu do-
minieren: Es wird ein Bild des agilen Coaches eher im Sinne
eines Facilitators, der Teams unterstützen soll (Aufgaben agiler
Coach), transportiert. Eine Hypothese der Gründe für diese Be-
obachtung wäre: Der Einsatz eines Team-/Prozess-Facilitators
ist schneller und einfacher zu organisieren als eine organisa-
tionale Transformation. Unternehmen setzen möglicherweise
erst einmal auf dieser Ebene an, bevor sie programmatisch das
große Ganze, den Wandel hin zum agilen Unternehmen, anpa-
cken. Außerdem könnte diese Aufgabe vielleicht durch andere
Funktionsbereiche imUnternehmen abgedeckt werden, wie et-
wa durch internes Consulting oder Organisationsentwicklung.
Die sehr schwach ausgeprägte Forderung nach einer Fo-
kussierung auf den Mehrwert der Kunden (2,99 %) stellt eine
markante Abweichung zum Ursprungsgedanken von Agilität
dar. Im agilen Manifest wurde die Notwendigkeit der Fokussie-
rung auf den Mehrwert der Kunden als eines der agilen Kern-
prinzipien dargestellt: Diese bilde das Fundament für agiles
Vorgehen, agile Methoden und Prinzipien und könne als Orien-
tierungsrahmen für ein agiles Mindset gesehen werden (Beck
et al., 2001). Der Kunde steht im agilen Manifest im Fokus. Dies
impliziert seine Bedürfniserfüllung durch Lösungen mit einem
hohen Grad an Innovation und Qualität. Das erfordert ebenso
einen Kulturwandel in den Unternehmen.
Der schwach ausgeprägte Aspekt der Kundenorientierung
als eines der Basisprinzipien von Agilität und agilem Mindset
könnte die These der Autoren, dass Unternehmen den agilen
Coach bislang zu stark aus der Mikroperspektive betrachten,
bestätigen. Ein anderer Erklärungsansatz könnte sein, dass
das Wissen über Agilität in weiten Teilen noch nicht gesichert
ist. Zu diesem Erklärungsansatz passt auch, dass man bei der
Analyse der Stellenanzeigen auf einen sehr unterschiedlichen
Wissensstand stößt. Es wird z. B. „Name-Dropping“ betrieben,
neue Wörter kreiert und Methoden erfunden. So wird die Ein-
führung eines Frameworks namens Spotify gewünscht, das
jedoch auch beim Unternehmen Spotify selbst unbekannt ist
bzw. noch nicht so weit ausgereift, dass man es als feststehen-
des Framework bezeichnen könnte (Gielen, 2018).
Betrachtet man Kompetenzen und Qualifikationen, geht es
den Unternehmen in erster Linie um Methodenkompetenz. In
einer Mehrzahl der Stellenanzeigen wird Scrum, Kanban u. a.
gefordert. Neben der stark nachgefragten Kommunikationsfä-
higkeit sicherlich wichtig für die Methodenvermittlung spie-
len auch andere psychosoziale Kompetenzen eine große Rolle.
Die Auffassung eines agilen Coaches im Sinne von „Servant“
(dienend) und die Betonung von Empathie findet sich in den
Stellenanzeigen kaum. Unternehmen sollten in diesem Zusam-
menhang Anforderungsprofile überdenken und ggf. ergänzen.
Analysiert man die in den Stellenanzeigen geforderten Qua-
lifikationsprofile, findet man eine Nachfrage nach bestimmten
Fachkompetenzen. Die Hälfte der Unternehmen wünscht sich
ein technisches Studium – Informatik, Ingenieursstudiengän-
ge – als Hintergrund, rund ein Drittel (36,57 %) wünscht sich
aber keine speziellen Qualifikationen. Sogar rund zwei Drittel
Selbstreflexion
Empathie
Kommunikationsfähigkeit
agiles/Growth Mindset
agile Werte/Prinzipien
Servant Leader
Abb. 4:
Psychosoziale Kompetenzen
Quelle: Eigene Darstellung
20,15
58,21
14,18
17,91
2,99
6,72
Abb. 5:
Methodenkompetenz
Quelle: Eigene Darstellung
68,66
38,06
9,70
20,90
41,79
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Angaben in Prozent
Angaben in Prozent
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,...60
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