PERSONALquarterly 4/2018 - page 36

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PERSONALquarterly 04/18
NEUE FORSCHUNG
_KUNDENBINDUNG
Rolle der Gesamteindruck der Belegschaft auf die von den
Autokäufern wahrgenommene Wertschätzung durch den Au-
tomobilhersteller spielt. So wurde in der vorliegenden Studie
ausschließlich die ethnische Herkunft des Automobilverkaufs-
beraters betrachtet, der den jeweiligen Autokäufer beraten hat.
Denkbar wäre jedoch, dass sich Autokäufer auch durch andere
in dem Autohaus arbeitende türkischstämmige Verkaufsbera-
ter von dem Automobilhersteller wertgeschätzt fühlen, selbst
wenn sie nicht direkt von diesen beraten wurden. Vor diesem
Hintergrund ist es umso höher einzuordnen, dass sich in der
vorliegenden Untersuchung ein Effekt der ethnischen Her-
kunft des Automobilverkaufsberaters auf die Kundenbindung
an den Automobilhersteller zeigte.
Entscheider aus dem Personalwesen von Unternehmen
können die im Rahmen der vorliegenden Studie gewonnenen
Erkenntnisse für sich nutzen. So können sie durch die Be-
schäftigung türkischstämmiger Verkäufer türkischstämmige
Kunden stärker an das Unternehmen binden und so zu einer
Erhöhung des Unternehmenserfolgs beitragen. Hierbei muss
allerdings beachtet werden, dass keine Benachteiligung ande-
rer Kundengruppen entstehen darf, um diese nicht gleichzeitig
als Kunden zu verlieren. Über die Steigerung der Kundenbin-
dung hinaus könnte die Beschäftigung von Mitarbeitern mit
unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft weitere
potenzielle Vorteile für Unternehmen bieten. So gaben bspw. in
einer Studie zur Cultural Diversity von Köppel, Yan und Lüdi-
cke (2007) 72% bzw. 67% der dort befragten deutschen Unter-
nehmen an, dass Unternehmen durch kulturelle Diversität ihr
Image verbessern bzw. die Kundenzufriedenheit steigern kön-
nen. Für Unternehmen kann es somit lohnenswert sein, sich
näher mit dem Einsatz von Mitarbeitern unterschiedlicher kul-
tureller und ethnischer Herkunft sowie den Auswirkungen für
das eigene Unternehmen zu beschäftigen. Über die kulturelle
Diversität hinaus könnte geprüft werden, ob grundsätzlich
auch andere Gemeinsamkeiten zwischen Kunden und Mitar-
beitern der Steigerung der Kundenbindung dienen. So könnte
z. B. untersucht werden, ob es Erfolg versprechender ist, wenn
ältere Kunden bevorzugt von älteren Verkaufsberatern oder
Kundinnen bevorzugt von Verkaufsberaterinnen betreut wer-
den. Neben diesen salienten Merkmalen könnten auch weniger
saliente Merkmale, wie z.B. Eigenschaften, Werte, Lebensstile
oder Freizeitaktivitäten, bewusst gemacht werden, um die
vom Kunden wahrgenommene Gemeinsamkeit zwischen ihm
und dem Verkaufsberater zu erhöhen. Dies könnte z. B. über
Kurzvorstellungen der Verkaufsberater geschehen. Da der ver-
mittelnde Mechanismus zwischen dem türkischstämmigen
Verkaufspersonal und der Bindung der türkischstämmigen
Kunden über die wahrgenommene Wertschätzung erfolgt,
könnte es zudem lohnenswert sein, weitere Ansatzpunkte zu
ermitteln, wie den Gruppen, denen sich der Kunde zugehörig
fühlt, Wertschätzung zuteil werden kann.
eine positivere Akkommodationsattribution aufweisen als tür-
kischstämmige Autokäufer, die ihr Fahrzeug bei einem nicht-
türkischstämmigen Automobilverkaufsberater gekauft haben,
welches wiederum zu einer höheren Kundenbindung an den
Automobilhersteller führt.
Fazit: Gemeinsamkeiten nutzen
Im Rahmen der vorliegenden Studie konnte am Beispiel der
Automobilbranche gezeigt werden, dass türkischstämmige
Kunden eine stärkere Kundenbindung an das Unternehmen
aufweisen, wenn sie bei ihrem Kauf von einem türkischstäm-
migen Verkaufsberater betreut wurden. Dieser Effekt kann
damit begründet werden, dass die Kunden das Vorhandensein
eines türkischstämmigen Verkaufsberaters zunächst auf eine
Wertschätzung ihrer ethnischen Gruppe durch das Unterneh-
men zurückführen und diese wahrgenommene Wertschätzung
wiederum zu einer höheren Kundenbindung führt. In der vor-
liegenden Studie trat der Effekt unabhängig davon auf, wie
stark sich die Kunden mit ihrer ethnischen Herkunft identi-
fizierten, sodass angenommen werden kann, dass er für eine
breite Anzahl türkischstämmiger Kunden gilt.
Wie jede empirische Studie weist auch die vorliegende Li-
mitationen auf. So handelt es sich bei der Untersuchung um
eine Querschnittsstudie, die keine Aussagen über kausale Zu-
sammenhänge erlaubt. In zukünftigen Studien wäre daher die
Überprüfung der Wirkung von Ethno-Marketingmaßnahmen
anhand experimenteller Untersuchungen wünschenswert.
Trotz dieser Einschränkung stellt die vorliegende Untersu-
chung nach Auffassung der Verfasserinnen einen wichtigen
Beitrag für die Forschung zur Wirkung von Ethno-Marketing-
maßnahmen für die türkischstämmige Minderheit in Deutsch-
land dar, da sie einen ersten Hinweis für die Bestätigung der
positiven Wirkung von Ethno-Marketingmaßnahmen liefert.
Eine zusätzliche Einschränkung dieser Studie besteht darin,
dass die Aufteilung der Untersuchungsteilnehmer auf eine
der beiden Ausprägungen der unabhängigen Variablen (tür-
kischstämmiger Verkaufsberater/nicht-türkischstämmiger
Verkaufsberater) auf den Angaben der Befragten beruht und
somit nicht zufällig oder durch die Verfasserinnen gesteuert
erfolgte. Der Grund hierfür besteht darin, dass es sich bei den
Untersuchungsteilnehmern um echte Autokäufer handelt,
deren Kaufzeitpunkt vor dem Untersuchungsbeginn lag und
sich somit der Kontrolle durch die Verfasserinnen entzog. Aus
diesem Grund kann eine Konfundierung der unabhängigen
Variablen mit Störvariablen nicht vollständig ausgeschlossen
werden. Auch dieser Einschränkung kann in zukünftigen Stu-
dien durch die Wahl eines experimentellen Designs begegnet
werden. Durch den fehlenden Eingriff eines Forschers besitzt
die vorliegende Untersuchung jedoch eine hohe externe Vali-
dität. Zu guter Letzt wäre es wünschenswert, wenn sich zu-
künftige Studien mit der Frage beschäftigen würden, welche
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