PERSONALquarterly 4/2018 - page 32

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PERSONALquarterly 04/18
NEUE FORSCHUNG
_KUNDENBINDUNG
I
n Deutschland leben derzeit knapp drei Millionen Men-
schen türkischer Herkunft (Statistisches Bundesamt,
2013). Damit stellen sie mit 18,3% die größte Personen-
gruppe mit Migrationshintergrund dar und bilden rund
3,7% der Gesamtbevölkerung (Statistisches Bundesamt, 2013).
Um diese Personengruppe besser zu erreichen und eine stär-
kere Markenbindung zu erzeugen, betreiben immer mehr
Unternehmen Ethno-Marketing (Förster/Kreuz, 2003). Unter
Ethno-Marketing werden Maßnahmen wie z. B. persönlicher
Verkauf oder Werbung verstanden, die sich an ethnische Min-
derheiten in einem Land unter Beachtung von nationalen, re-
ligiösen oder kulturellen Aspekten richten (Kraus-Weysser/
U
˘
gurdemir-Brincks, 2002). Eine Branche, die sich aufgrund ih-
rer beratungsintensiven Produkte gerne des Ethno-Marketings
bedient, ist die Automobilbranche. So werden als eine häufige
Ethno-Marketingmaßnahme, die gleichzeitig Bedeutung für die
Personalarbeit hat, z. B. gezielt türkischstämmige Verkaufsbe-
rater in Autohäusern eingesetzt.
Trotz des Einsatzes von Ethno-Marketing in Branchen wie der
Automobilindustrie gibt es im Gegensatz zu Ländern wie den
USA, wo zahlreiche Studien zu den dort lebenden ethnischen
Minderheiten wie den Hispanics oder den Afroamerikanern
existieren, bislang erst wenige empirische Forschungsar-
beiten, die sich in Bezug auf das Personal mit Ethno-Marketing
für die türkischstämmige Minderheit in Deutschland befas-
sen. So ist den Verfasserinnen weder eine Studie bekannt, die
allgemein untersucht, ob der Einsatz von türkischstämmigen
im Vergleich zu nicht-türkischstämmigen Verkaufsberatern
bei türkischstämmigen Kunden positive Auswirkungen für
das Unternehmen hat, noch eine solche, die sich speziell mit
der Wirkung von Ethno-Marketing in der Automobilbranche
beschäftigt. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht
darin aufzuzeigen, welche Auswirkungen türkischstämmige
Automobilverkaufsberater auf die Kundenbindung türkisch-
stämmiger Kunden in Deutschland an den Automobilherstel-
ler haben. Es soll Automobilherstellern, die Ethno-Marketing
betreiben oder dies planen, eine Entscheidungshilfe für die
Fragestellung geliefert werden, ob sie in Bezug auf das Perso-
nal in Autohäusern Ethno-Marketing für die türkischstämmige
Minderheit in Deutschland einführen bzw. dieses weiter betrei-
Gleich und Gleich gesellt sich gern?
Kundenbindung durch Mitarbeiter
Von
Dr. Gesa Bethge
und
Prof. Dr. Simone Kauffeld
(Technische Universität Braunschweig)
ben sollten, ohne dass sie hierfür auf amerikanische Studien
zu den dortigen Minderheitengruppen zurückgreifen müssen.
Theoretische Überlegungen: Die Akkommodation
Anders als in Deutschland werden ethnische Minderheiten in
den USA bereits seit den 1930er-Jahren wissenschaftlich unter-
sucht (Cui, 2001). Eine Theorie, die zur Erklärung der Auswir-
kungen von Ethno-Marketing auf die dort lebenden ethnischen
Minderheiten angewandt wird, ist die Akkommodationstheorie
(siehe z. B. Karande, 2005; Koslow/Shamdasani/Touchstone,
1994). Unter dem Begriff Akkommodation werden die Bemü-
hungen eines Kommunikators verstanden, sich der Zielperson
einer Nachricht anzupassen, mit dem Ziel, die Kommunikation
zwischen ihnen zu verbessern (Holland/Gentry, 1999). Dabei
kann es sich bei dem Kommunikator nicht nur um eine Person,
sondern auch um ein Unternehmen handeln (Holland/Ball,
1995). Nach der Akkommodationstheorie akkommodieren In-
dividuen umso stärker, je mehr sie z. B. eine enge Beziehung
zu ihrem Gegenüber aufbauen oder seine Anerkennung, sei-
ne Zustimmung oder sein Vertrauen erhalten möchten (Giles/
Willemyns/Gallois/Anderson, 2007). Weiterhin geht die Ak-
kommodationstheorie davon aus, dass wenn der Rezipient
die Akkommodation auf einen positiven Grund zurückführt,
dies u. a. Partnerschaften fördert, zu einer positiveren Wahr-
nehmung der Gruppe des Sprechers führt, der Rezipient dem
Sprecher positive Eigenschaften (z. B. Kompetenz oder Vertrau-
enswürdigkeit) zuschreibt und die Zufriedenheit des Rezipi-
enten steigt (Giles/Willemyns/Gallois/Anderson, 2007). Solch
ein positiver Grund kann z. B. wahrgenommene Wertschät-
zung sein. Koslow/Shamdasani/Touchstone (1994) erkannten,
dass die Akkommodationstheorie wertvolle Hinweise darüber
liefern kann, wie Mitglieder ethnischer Minderheiten Ethno-
Marketing betreibende Unternehmen wahrnehmen und auf
diese reagieren. Nach Koslow/Shamdasani/Touchstone (1994),
die anhand der Akkommodationstheorie die Reaktionen
von Hispanics auf spanischsprachige Werbeanzeigen unter-
suchten, sollten Hispanics gemäß der Akkommodationstheorie
die Verwendung der spanischen Sprache auf die Sensitivität
und den Respekt des Unternehmens gegenüber der Kultur der
Hispanics attribuieren, welches bei ihnen wiederum positive
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