PERSONALquarterly 1/2017 - page 48

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PERSONALquarterly 01/17
NEUE FORSCHUNG
_PERSONALENTWICKLUNG
O
utdooraktivitäten sind im Bereich der Personalent-
wicklung seit einigen Jahrzehnten sehr beliebt (Be-
cker,2009). Die Outdoorlehrsituation soll dabei als
eine Metapher für Lebens- und Arbeitssituationen
dienen. Dennoch wird ihr Effekt häufig angezweifelt, als exo-
tische Abenteuer oder als „Pfadfinderromantik“ eingeordnet
(Regnet 2002).
Als „Outdoortraining“ werden unterschiedliche Aktivitäten
bezeichnet – vom Nachmittagsausflug bis hin zu mehrtägigen
Kursen. Oft enthalten Fortbildungsseminare Outdooraktivi-
täten als Abwechslung zum Indoor-Seminar. Andere Aktivitäten
finden dagegen mehrtägig abseits jeglicher Infrastruktur im
Freien statt; Mischformen sind üblich. Es gibt Trainings beim
Segeln, beim Bergsteigen, in Kletterseilgärten, auf (Langstre-
cken-)Wanderungen und als Survivalkurs. Bislang gibt es jedoch
nur wenige Untersuchungen zu deren Effektivität. Auch gibt es
bisher keinen wissenschaftlichen Konsens hierzu, u.a. wegen
der Unterschiede in Erscheinungsform, Dauer und Zielgruppen
(Burke/Collins 1998). So kommen Kanters et al. (2002) bei einer
Interventionsstudie zu den Effekten von Outdoortrainings zur
Stressbewältigung als Hilfe für Studierende zu positiven Ergeb-
nissen. Die Art des eintägigen Outdoortraining wird jedoch nicht
näher beschrieben. Mazany et al. (1995, S. 50ff) beschreiben die
Effektivität eines Outdoor-Workshops zum Team Building im
Rahmen eines MBA-Programms mit zwei Vergleichsgruppen.
Bei der Outdooraktivität handelt es sich um „survival activities“.
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass der Workshop die
Gruppenbildung und die Führungsqualitäten der Teilnehmer
positiv beeinflusst hat. McEvoy/Buller (1997) beschreiben die
positive Wirkung für die Managemententwicklung anhand ei-
gener Erfahrungen, Gesprächen mit Vorgesetzten, Mitarbeitern,
Kollegen von Teilnehmern sowie relevanter Literatur. Williams
et al. (2003, S. 45ff) schlagen vor, die Effektivität von Outdoor-
programmen mithilfe einer Return-on-Investment-(RoI)-Analyse
anhand eines Vorher-Nachher-Vergleichs zu überprüfen. Zu den
messbaren Ergebnissen rechnen sie u.a. Abwesenheits- und
Fluktuationsrate, Umsatz je Mitarbeiter usw. Diese Messung
benötigt jedoch vergleichbare Umgebungen. Konkrete Ergeb-
nisse werden nicht vorgestellt. Jones/Oswick (2007, S. 327ff)
berichten von einem positiven Feedback eines siebentägigen
Management: Risiken beurteilen lernen
durch Outdoor-Wildwassertraining
Von
Prof. Dr. Gerrit Horstmeier, Tetiana Demchenko, Veronica Lopez Grisales, Markus Kienlechner
und
Lailah Maklouf
(Business School
der Hochschule Furtwangen),
Dr. med. Lotte Habermann-Horstmeier
(Villingen Institute of Public Health der Steinbeis-Hochschule
Berlin)
1
Outdoortrainings für 30- bis 50-jährige männliche Führungs-
kräfte auf Grundlage einer Teilnehmerbefragung. Die genannten
Studien gehen von einem positiven Effekt des Outdoortrainings
aus, allerdings unterscheiden sie sich alle von der hier vorge-
stellten Studie z.B. hinsichtlich ihrer Vorgehensweise, der Ziel-
gruppen etc.
An der Hochschule Furtwangen (HFU) wurde ein Manage-
mentoutdoor-Training in Verbindung mit Kajakwildwasser-
fahren entwickelt, das von Beginn an praktisch erprobt und
wissenschaftlich begleitet wurde. Seit mehreren Semestern
nehmen Studierende der Hochschule an der WWP-Veranstal-
tung („Learning Management with the White Water Princi­
ples“) teil. Es handelt sich um ein 6-tägiges Wahlpflichtfach,
das als Exkursionsveranstaltung in der Regel in einem Camp
in den Schweizer Alpen stattfindet. Die meisten Teilnehmer
studieren Internationale Betriebswirtschaft bzw. International
Business Management. Die Veranstaltung steht aber auch Stu-
dierenden der technischen Studienfächer offen. In der Regel
sind die Teilnehmer Kajak- bzw. Wildwasserneulinge.
Das WWP-Konzept ist eine neue Lehrmethode (Horstmeier,
2013), die einen handlungsorientierten Ansatz des Kajaksports
auf dem Wildwasser
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mit modernem Managementwissen ver-
knüpft. Es führt die Teilnehmer über das Wildwasserfahren
hin zu den Kernaufgaben des Managements. Management-
aufgaben wie Risikobeurteilung und Entscheidungsfindung,
Planen, Organisieren, Führen, Kontrollieren etc. werden dabei
praktisch erlernt und in einer unbekannten Situation geübt.
Die TN sind für sich und ihr Boot, aber auch für die gesamte
Gruppe und die Veranstaltungsorganisation verantwortlich.
3
Theoretisch basiert die Veranstaltung auf den Arbeiten von
Mintzberg et al. (2012) und ihrer kritischen Betrachtung her-
kömmlicher Managementlehre, insbesondere der ihrer Ansicht
nach unzureichend geplanten Strategieprozesse in Unterneh-
men. Das Konzept bezieht sich auch auf die Thesen von Malik
(2014, 2015), die den Umgang mit unvorhergesehenen, kom-
plexen Managementsituationen in einem sich stetig ändernden
Umfeld beschreiben.
1 Die Autoren bedanken sich bei allen Studierenden, die an der Befragung teilgenommen haben.
2 Wildwasser: Fluss mit schnellen Strömungen, starken Gegenströmungen, Wirbeln und Stromschnellen.
3 Vgl. die Kursbeschreibung (Course Description) zum White Water Management unter
hfu-summerschool.com/what-else/downloads/; abgerufen zuletzt am 05.11.2015
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