PERSONALquarterly 1/2017 - page 44

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PERSONALquarterly 01/17
NEUE FORSCHUNG
_KOMPETENZEN
für Entscheidungen und Organisationen resultieren, etwa dass
Personen für sich Wissen und Kompetenzen annehmen, ob­
wohl diese objektiv nicht bestehen. Auf diesem vermeintlichen
Wissen aufbauende Entscheidungen basieren somit faktisch
auf Nichtwissen, dadurch entscheidet quasi der Zufall, ob die
Entscheidungen „richtig“ sind und im Sinne der intendierten
Überlegungen ihren Zweck erfüllen. Diese Risiken können in
ihren Auswirkungen mit einem gezielten Einsatz von Personal
im Hinblick auf ihre Nichtwissensbewältigungskompetenzen
bearbeitet werden. So sollte verstärkt Personal eingesetzt wer­
den, das unsichere Situationen und Nichtwissen aushalten und
kompensieren kann. Um diese Kompetenzen zu ermitteln, kön­
nen Tests durchgeführt werden, die eruieren können, welche
Beschäftigten mit welchen soziostrukturellen Merkmalen wel­
che Möglichkeiten im Umgang mit Informationen und Wissen,
also auch Nichtwissen bzw. der Ignoranz von Nichtwissen,
haben (z.B. Alter, Berufserfahrung, Abschluss, Position im Un­
ternehmen, psychologische Persönlichkeitsmerkmale).
Die Ergebnisse zeigen, dass Überschätzungen des eigenen
Wissens mit steigender Berufserfahrung sinken und dass ge­
rade Personen mit einer geringen Tätigkeitsspanne ihr Wis­
sen stärker überschätzen. Anders gesagt: Bei Personen mit
ansteigender Berufserfahrung steigt die Wahrscheinlichkeit
für realistische Einschätzungen.
Hingegen steigt die Selbstüberschätzung mit der Höhe der
Position, die eine Person im Unternehmen bekleidet, und mit
dem formalen Bildungsgrad. Zudem wurde eine Abhängigkeit
der Einschätzung von persönlichen Merkmalen, wie dem Al­
ter und dem Familienstand, nachgewiesen. Mit der Lebenser­
fahrung verringert sich die Überschätzung von Wissen. Der
Zusammenhang beim Familienstand stellt sich so dar, dass
Verheiratete ihr Wissen gut einschätzen, Singles ihr Wissen
überschätzen, während geschiedene und getrennt lebende Be­
rater ihr Wissen stärker überschätzen.
Aufgrund der Ergebnisse kann vermutet werden, dass die
Überschätzungen von Wissen und die Unterschätzungen von
Nichtwissen auch eine Kompetenz sein können, mit demNicht­
wissen umzugehen und als Entscheider gerade trotz Nicht­
wissen handlungsfähig zu bleiben. Dies wäre also quasi eine
Nichtwissensbewältigungskompetenz, eine Basiskompetenz
für Entscheider, die unter Bedingungen von Nichtwissen ope­
rieren müssen und die durch ein kognitives Aushalten von
Nichtwissen, Ungewissheiten und Unsicherheiten im Entschei­
dungsprozess ihre Entscheidungsfähigkeit erhalten müssen.
Diese Kompetenz kann ein Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche
Karriere sein. So kann eine Selbstüberschätzung von Indivi­
duen im sozialen Kontext die Funktion eines Impression Ma­
nagements, der Ausstrahlung von Kompetenz, erfüllen.
Konsequenzen für Berufseinsteiger
Um keine negativen Überraschungen zu erleben, sollte je­
der Berufseinsteiger mit dem Berufswunsch Berater vor dem
Einstieg in den Beruf des Beraters prüfen, ob er oder sie eine
„Berufung“, also die Eignung für diesen Beruf mit sich bringt.
Sie sollten sich fragen, ob das persönliche Profil mit den skiz­
zierten Anforderungen, die ein Berateralltag mit sich bringt,
kompatibel ist: Ob benötigte Persönlichkeitsmerkmale wie die
Bereitschaft und Fähigkeiten zur ständigen Einarbeitung in
neue und unbekannte Wissensbereiche, Selbstvertrauen, das
Aushalten von Nichtwissen, Unsicherheiten, Überraschungen
und Rückschlägen und Unsicherheitsbewältigungsstrategien
ausreichend vorhanden sind.
Einsteiger sollten sich nicht durch Nichtwissen in eine Lage
versetzen lassen, in der sie nicht mehr rational über ihre Kom­
petenzen entscheiden können. Im Gegenteil ist es vorteilhaft, in
der Lage zu sein, wenn es aufgrund überbordender Komplexi­
tät, Unbeholfenheit, Inkompetenz etc. funktionaler ist, bewusst
mit Nichtwissen umzugehen, dieses auszublenden.
Andererseits, und hier kann in die eben vorgestoßene Richtung
interveniert werden, ist gerade in Bezug auf das strukturelle, al­
so das nicht ausräumbare Nichtwissen, mit einer permanenten
Unsicherheit zu rechnen. Besonders in wissensintensiven
Bereichen, in denen unentwegt ein Umgang mit Nichtwissen
stattfindet, sich häufig wesentliche Parameter ändern und die
Konsequenzen von Entscheidungen und Handlungen nicht vor­
30,0
20,0
10,0
0 -10,00
-5,00
0,00
5,00
10,00
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 1:
Einschätzung der Differenz von Wissen und
Nichtwissen
Einschätzung von Wissen und Nichtwissen
Häufigkeit
Mittelwert = ,9669
Std.-Abw. = 2,32785
N = 151
1...,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43 45,46,47,48,49,50,51,52,53,54,...68
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