PERSONALquarterly 1/2017 - page 35

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01/17 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Wie kann das Personalmanagement die Arbeitsfähigkeit in Berufen mit
Personalmangel, insbesondere bei Berufskraftfahrern, erhalten und fördern?
Methodik:
Web-basierte Befragung.
Praktische Implikationen:
Erhalt und Förderung der Arbeitsfähigkeit von Kraftfahrern
und Mitarbeitern in Berufen mit vergleichbarer Belastung und eine Steigerung der Attrakti-
vität des Berufs können bei vertretbaren Kosten durch Maßnahmen der Qualifizierung und
der Mitarbeiterführung sowie durch Gesundheitsangebote erreicht werden.
der Arbeit. Entsprechend bieten die Gestaltung der Arbeit und
die Förderung der Gesundheit dem Personalmanagement An-
satzpunkte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und
damit zur Balance von Anforderungen und Leistungsfähigkeit.
Diese Ansatzpunkte sollen im Folgenden beispielhaft für eine
Berufsgruppe untersucht werden, in der die Personalersatzpla-
nung aufgrund von geringer Attraktivität der Arbeitsbedingun-
gen sowie hoher Arbeitsbelastung seit Längerem problematisch
ist: für die Gruppe der Berufskraftfahrer (Lohre/Bernecker/
Stock, 2014). Ähnliche die Gesundheit beeinträchtigende Be-
dingungen der Arbeitssituation gelten auch für verschiedene
Handwerks- und Dienstleistungsbereiche. So weist die Arbeit
von Gesundheits-, Krankenpflege- und Altenpflegefachkräften
vergleichbare Bedingungen auf und zumindest teilweise auch
die von Bauarbeitern (insb. Maurer, Beton- und Straßenbauarbei-
ter), Lagerarbeitern, Fließbandarbeitern und Servicepersonal im
Bereich der Gepäckabfertigung an Flughäfen sowie von Call-Cen-
ter-Mitarbeitern (z.B. Bundesagentur für Arbeit, 2013). Neben
physischer und psychischer Beanspruchung spielen teilweise
auch niedrige Entlohnung, Zeitdruck und geringe gesellschaft-
liche Anerkennung eine Rolle, während die Qualifizierungsan-
forderungen in den genannten Tätigkeiten unterschiedlich sind.
Ansatzpunkte am Beispiel Berufskraftfahrer
Der Mangel an Berufskraftfahrern wird seit Jahren als „Wachs-
tumsbremse“ im Transportgeschäft gesehen. Für diesen Man-
gel gibt es neben der strukturell bedingten Knappheit (z. B.
durch Aussetzung der Wehrpflicht und gestiegene Qualifizie-
rungsanforderungen) insbesondere psychologische Gründe, die
durch die Arbeitssituation von Kraftfahrern bedingt sind (Lar-
ge/Breitling/Kramer, 2014). Zu Letzterer gehören häufig lange
Arbeitszeiten, geringe Entlohnung und ein hohes Ausmaß an
körperlicher und psychischer Beanspruchung (Large/Kramer/
Hartmann, 2013; Bruder/Rademacher, 2009), aber auch stän-
diger Zeit- und Termindruck sowie soziale Isolation (Shattell/
Apostolopoulos/Sönmez/Griffin, 2010; Bruder/Rademacher,
2009). Daneben erfahren Kraftfahrer oft nur geringe Anerken-
nung durch das Management und die Gesellschaft (Shattell et
al., 2010). Gesundheitliche Belastungen stellen ein erhebliches
Problem für diese Berufsgruppe dar. Befindlichkeitsstörungen,
schränkungen bedrohen die Arbeitsfähigkeit und umgekehrt
dient Gesundheitsförderung der Förderung der Arbeitsfähigkeit.
Das zweite Stockwerk Kompetenz umfasst Wissen und Können
ebenso wie formale Qualifikationen und Schlüsselkompetenzen.
Mit Werten (3. Stockwerk) sind Einstellungen und Motivationen
gemeint. Die ersten drei Stockwerke sind als sog. interne Res-
sourcen auf der Seite der Arbeitnehmer entscheidend und kön-
nen der individuellen Leistungsfähigkeit zugerechnet werden.
Arbeitgeberseitig ist die Arbeit (4. Stockwerk) als sog. externe
Ressource mit den Aspekten Arbeitsorganisation, Arbeitsumge-
bung, Arbeitsmittel, Tätigkeitsinhalte und Führungsverhalten
bestimmend. Das Stockwerk der Arbeit gilt als das schwers-
te; es hat deutliche Auswirkungen auf die darunter liegenden
Stockwerke. Über die Facetten der Arbeit nimmt der Arbeitge-
ber wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsanforderungen, aber
auch auf die individuelle Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer.
Nach Ilmarinen (2011) ist Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitern mit
Wohlbefinden und Zufriedenheit verbunden ebenso wie mit
wahrgenommener Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist der generelle
Zusammenhang zu beachten, dass die Stabilisierung des Gleich-
gewichts zwischen Anforderungen der Arbeit und Ressourcen
mit zunehmendem Alter schwieriger und schlechter wird.
Das Haus der Arbeitsfähigkeit findet inzwischen vielfach
Anwendung in Organisationen als Basis zur Maßnahmenge-
staltung für ein besseres und längeres Arbeitsleben der Be-
schäftigten. Häufig liegt dabei der Fokus im 4. Stockwerk, d.h.
bei der Verbesserung der Verhältnisse und nicht bei der Ver-
änderung individuellen Verhaltens (Giesert, 2011). In einer
finnischen Studie erwies sich der Faktor Gesundheit als wich-
tigster für die Arbeitsfähigkeit, gefolgt von Aspekten der Arbeit
(Ilmarinen, 2011). Die inzwischen 28-jährige Längsschnitt-
studie ergab, dass die Arbeitsfähigkeit mit dem Alter linear
abzunehmen scheint. Die Arbeitsbedingungen generell und
speziell Mängel in Arbeitsgestaltung und Mitarbeiterführung
bestimmen dabei etwa 60% der Gründe altersbedingter Abnah-
me der Arbeitsfähigkeit. Innerhalb der Arbeitsdimension sind
psychische Belastungen am bedeutsamsten, gefolgt von körper-
lichen Belastungen. Auf die physische und die psychische Be-
lastung ihrer Mitarbeiter haben Arbeitgeber direkten Einfluss,
auf die Gesundheit mindestens indirekten über die Gestaltung
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