PERSONALquarterly 1/2017 - page 38

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PERSONALquarterly 01/17
NEUE FORSCHUNG
_ARBEITSFÄHIGKEIT
Als ausgeprägt wahrgenommen wird ein respektvoller Umgang
von Vorgesetzten bzw. Disponenten mit Berufskraftfahrern.
Maßnahmen zur Motivierung und Qualifizierung hingegen sind
mit Ausnahme der Unterstützung bei der Erlangung von Zusatz-
qualifikationen und der Übernahme von Strafgeldern, die nicht
im Verschulden des Fahrers liegen, selten. Auch bezüglich der
Anreizgestaltung durch Prämien und nicht monetäre Incentives
zeigen die Unternehmen geringe Aktivität. Desgleichen sind of-
fenbar Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit, insbesondere
Maßnahmen gegen Bewegungsmangel, kaum umgesetzt.
Bezüglich des Zusammenhangs von realisierten und als situa-
tionsverbessernd eingeschätzten Maßnahmen ist wenig erstaun-
lich, dass die derzeit vom Arbeitgeber realisierten Maßnahmen
auf einem niedrigeren Niveau wahrgenommen werden als die
– unabhängig von ihrer Umsetzung beim eigenen Arbeitgeber –
als förderlich eingeschätzten Maßnahmen. Dies ist auch deshalb
nicht erstaunlich, weil das Fragebogendesign keine gegenseitigen
Abwägungen der Bewertungen vorgab. Der Unterschied zwischen
den derzeitigen Maßnahmen (M = 2,60) und den als förderlich
eingeschätzten (M = 3,69, p = .000) ist signifikant und seine prak-
tische Bedeutsamkeit groß (Cohens d = 1.09). Ansatzpunkte für
Verbesserungen sollten für jene Maßnahmen besonders interes-
sant sein, bei denen der derzeitige Realisierungsgrad über alle
Befragten am stärksten vom als förderlich eingeschätzten Niveau
abweicht. T-Tests für jede der 25 Maßnahmen ergeben, dass sich
nur bei den beiden Maßnahmen „Arbeitseinsatz möglichst im sel-
ben Fahrzeug“ und „Umgehende Instandhaltung von Fahrzeugen“
das derzeitige Niveau nicht signifikant von dem als förderlich be-
werteten unterscheidet. Das sind gleichzeitig die beiden Maßnah-
men, denen die Befragten den stärksten Beitrag zur Verbesserung
ihrer Arbeitssituation zuschreiben. Bei den anderen 23 Maßnah-
men liegt der derzeitige Umfang an Maßnahmen signifikant unter-
halb des als förderlich betrachteten Niveaus (vgl. Abb. 3).
Das Delta zwischen umgesetzten und förderlichenMaßnahmen
bietet Arbeitgebern einen Ansatzpunkt für die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen ihrer Kraftfahrer. Um Handlungsbedarf für
die Themenfelder mit Abweichungen zu spezifizieren, kann das
Ausmaß der förderlichen Maßnahmen dem Niveau der derzeit
realisierten Maßnahmen gegenübergestellt werden (vgl. Abb. 4).
Es wird deutlich, dass es aus Sicht der Befragten keine sog.
Fehlinvestitionen gibt. Ebenso ist die berechtigterweise nicht
verfolgteMaßnahme wenig bedeutsam. Der Quadrant rechts oben
weist die Maßnahmen aus, die als förderlich wahrgenommen und
auch derzeit realisiert werden. Die Mehrzahl von ihnen ist dem
Themenbereich der Arbeitsbedingungen zuzurechnen. Am in-
teressantesten ist das rechte untere Feld (Handlungsbedarf). Es
ist ersichtlich, dass der Handlungsbedarf bzgl. der Arbeitsbedin-
gungen und der Arbeitsorganisation am geringsten ist. Hingegen
sollten Arbeitgeber ihr Engagement in den Bereichen Gesund-
heit, Motivierung und Qualifizierung sowie Führung verstärken.
ist mit r = -.33 signifikant (p = .001). Das gilt auch, wenn die Dau-
er der Berufsausübung kontrolliert wird (r = -.20, p = .039). Auch
die Korrelation zwischen Dauer der Berufsausübung und körper-
licher Arbeitsfähigkeit ist bedeutsam (r = -.30, p = .001). Aller-
dings verschwindet der Effekt, wenn das Alter kontrolliert wird.
Weitere Zusammenhänge sind nicht erkennbar. Folglich ist der
Effekt einer abnehmenden Arbeitsfähigkeit mit zunehmendem
Alter nur für die körperliche Arbeitsfähigkeit festzustellen.
Die Arbeitssituation von Berufskraftfahrern ist unterschied-
lich je nach den Merkmalen ihrer Tätigkeit (Wochenarbeitszeit,
Einsatz im Nah- versus Fernverkehr, Ausmaß an Planungstätig-
keiten für die Touren und Umfang des Einsatzes beim Be- bzw.
Entladen), die im Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit ste-
hen könnten. Für die Merkmale der Wochenarbeitszeit, dem
Einsatz im Nah- versus Fernverkehr wie auch dem Ausmaß an
Planungstätigkeiten für die Touren sind keine Unterschiede
in der Arbeitsfähigkeit erkennbar. Bei der Belastung durch
Be- bzw. Entladetätigkeiten zeigt sich hingegen eine geringere
körperliche Arbeitsfähigkeit bei denjenigen, die oft oder immer
be- und entladen (M = 3,32) im Vergleich zu jenen, die das nie
oder selten tun (M = 3,82, p = .072). Der Effekt ist allerdings sehr
klein (Cohens d = .01
1
). In der psychischen und der Gesamtar-
beitsfähigkeit sind keine Unterschiede festzustellen. Dies gibt
folglich einen Hinweis darauf, dass die körperliche Leistungs-
fähigkeit geringer ist, wenn die Fahrer häufig oder immer die
Be- und Entladung ihrer Fahrzeuge übernehmen müssen.
Umsetzungsstand und Potenzial von Maßnahmen
zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit
Die Bewertung der Realisierung von Maßnahmen ihres Arbeitge-
bers durch die befragten Berufskraftfahrer („Derzeitige Maßnah-
men“, vgl. Abb. 2) ermöglicht eine Einschätzung des aktuellen
Stands von Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit im
Güterverkehr. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Gestaltung der
Arbeitsumgebung zeigte sich deskriptiv die höchste Aktivität
der Arbeitgeber. Heraus ragt, dass Unternehmen auf eine um-
gehende Instanthaltung der Lkws achten und dass Fahrer mög-
lichst im selben Fahrzeug eingesetzt werden. Maßnahmen zur
komfortablen Gestaltung des Fahrerhauses und zur Nutzung
technischer Unterstützung sind ebenfalls stark ausgeprägt. Auch
Maßnahmen der Arbeitsorganisation wird ein relativ hoher Um-
setzungsgrad attestiert. Das gilt besonders für die korrekte Er-
fassung der Arbeitszeit sowie Maßnahmen zur Vereinbarkeit
von Privatleben und Beruf. Bei Maßnahmen aus dem Bereich
der Führung zeigen Arbeitgeber offenbar generell weniger Ak-
tivität. Am wenigsten werden regelmäßige Rückmeldungen zur
Arbeitsleistung durch Vorgesetzte sowie eine organisierte Infor-
mationsvermittlung über zukünftige Entwicklungen umgesetzt.
1 Cohens d ist ein Effektstärkemaß, das angibt, ob ein statistisch ermittelter Wert auch praktisch
bedeutsam ist. Als Daumenregel gilt, dass Effekte von d = .2 klein sind, d = .5 als mittel und ab d = .8
als groß angesehen werden.
1...,28,29,30,31,32,33,34,35,36,37 39,40,41,42,43,44,45,46,47,48,...68
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