PERSONALquarterly 1/2017 - page 47

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der Zweifel über die Richtigkeit und Vollständigkeit von beste­
hendem Wissen, Voraussetzung dafür, einen Bedarf an neuem
und präziserem Wissen zu erkennen.
Für Beratungsorganisationen und ihre Klienten sind aus ei­
ner strukturellen Überschätzung von Wissen und der damit
einhergehenden Unterschätzung von Nichtwissen Risiken und
Gefahren verbunden. Für die beratene Organisation ist es ab­
solut relevant, dass der Berater weiß, was er weiß, und dass er
weiß, warum er etwas tut. Eine unterschätzende Einstellung
und ein ebensolches Verhalten können übervorsichtige Hand­
lungen und Entscheidungen nach sich ziehen, wodurch Po­
tenziale ungenutzt bleiben, wohingegen ein überschätzendes
Vorgehen einem Raten und damit sehr spekulativen Entschei­
dungen gleichkommt. Bei Handlungen in Organisationen kann
dies zu Fehlentscheidungen bis hin zur Existenzbedrohung der
gesamten Organisation führen. Der Klient ist somit direkt durch
Konsequenzen aus Fehlentscheidungen betroffen. Als Entschei­
dungskriterium für die Auswahl von Beratern könnten die iden­
tifizierten Faktoren (wie Erfahrung und Alter der Berater) von
Klienten herangezogen werden.
Beratungsorganisationen bekommen spätestens langfristig
Probleme (z.B. Imageprobleme etc.), wenn sie zu oft erfolglose
und oder dysfunktionale Beratungsprojekte und Beratungser­
gebnisse generieren. Die Debatte um die Funktionalität von
Beratung kann in Teilen auf die Problematik der Wissens­
überschätzung bezogen und zurückgeführt werden. Die ge­
nerierten Ergebnisse legen eine Diskussion zur Rationalität
beraterischer Analysen nahe und können helfen, entspre­
chende Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen
zu fundieren. Organisationen sollten sich des Phänomens der
Überschätzung bewusst werden und entsprechende Tests für
die Personalauswahl und den Personaleinsatz nutzen.
Aufgrund der Universalität der Problematik können die Ri­
siken, Gefahren und Potenziale für alle Berufsgruppen ange­
führt werden (vgl. Abb. 2). Ein weiterer Schritt wäre es, die
Auswirkungen der einzelnen Faktoren qualitativ näher zu
untersuchen: Wie unterscheiden sich z.B. erfolgreiche Unter­
nehmen von weniger erfolgreichen Unternehmen in Bezug
auf die Einschätzungen des Wissens und Nichtwissens der
Beschäftigten und welchen Einfluss haben dabei die einzel­
nen identifizierten Faktoren? Welche Konsequenzen haben
bspw. starke Über- oder Unterschätzungen auf organisationale
Entscheidungen und letztlich die gesamte Organisation und
ihr Überleben? Und in welchem Maße lassen sich diese Aus­
wirkungen (z.B. Fehlentscheidungen) beeinflussen, wenn die
Faktoren verändert werden und damit eine aktive Anpassung
des organisationalen Umgangs mit Wissen und Nichtwissen
praktiziert wird?
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New York.
SUMMARY
Research Question:
The article analyzes, whether knowledge-
intensive service providers have a realistic assessment of their
knowledge and their ignorance and consequently know the limits
of their knowledge.
Methodology:
The Data were analyzed with structural equation
models.
Practical Implication:
The results indicate that consultants have
not always a realistic assessment of their knowledge and their
ignorance and do not know the limits of their knowledge or their
lack of knowledge.
DR. DANIEL DORNIOK
Department für Wirtschafts- und Rechts­
wissenschaften
E-Mail:
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