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01/17 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Auf der Basis von quantitativen Daten wird analysiert, ob Berater eine
realistische Einschätzung ihres Wissens und Nichtwissens haben und damit die Grenzen
ihres Wissens kennen.
Methodik:
Die Ergebnisse einer Onlinebefragung wurden mittels eines universellen Struk-
turgleichungsmodells analysiert.
Praktische Implikationen:
Es wird herausgearbeitet, dass sich ein Großteil der Bera-
ter stark in Bezug auf ihre Wissensressourcen überschätzt und dass dies von bestimmten
soziostrukturellen Faktoren abhängt. Auf der Grundlage der dargestellten Methodik kann
passendes Personal rekrutiert bzw. eingesetzt werden.
Antwortmöglichkeiten wählen konnten und im Anschluss an
gaben, wie viele der gestellten Fragen sie richtig beantwortet
haben. Das Maß für die Einschätzung wurde anschließend aus
der Differenz zwischen der Anzahl richtig beantworteter Fragen
und dem Anteil der tatsächlich korrekten Antworten gebildet.
Für die zugrunde liegende Studie wurden 10 Fragen gestellt.
Verwendet wurden gemischte Almanachfragen wie z.B.: Welche
Stadt hat den verkehrsreichsten Flughafen der Welt? A: New
York B: Atlanta. In einer neu gebildeten Variablen wurde die
Differenz zwischen der angegebenen Anzahl richtig beantwor
teter Fragen und dem Anteil der tatsächlich korrekten Ant
worten eines jeden Beraters berechnet. Positive Werte weisen
auf eine Überschätzung hin, während negative Werte auf eine
Unterschätzung hindeuten. Werte von Null zeigen eine realis
tische Einschätzung des eigenen Wissens und Nichtwissens.
Eine Person im Bereich von Null hat z.B. keine oder 2, 10 etc.
der Fragen richtig beantwortet und auch angegeben, dass sie
diese Anzahl von Fragen richtig beantwortet hat usw.
Zur weiterenAnalyse (Einschätzungmit persönlichen Faktoren
wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Anzahl Kinder, berufsbezo
genen Merkmalen wie Anzahl an Berufsjahren, Fachrichtung,
Abschluss, Anzahl von Projekten, Position im Unternehmen, un
ternehmensspezifischen Faktoren, etwa der Größe der Beratung,
Größe der betreuten Klienten, Art der Beratung) wurden Struk
turgleichungsmodelle eingesetzt, die auch die Modellierung
nichtlinearer Prozesse (wenn Zusammenhänge also nicht linear
in einer Geraden verlaufen, sondern z.B. s-förmig, also zunächst
bspw. ein positiver Zusammenhang mit zunehmendemAlter und
dann mit weiter zunehmendem Alter ein negativer Zusammen
hang) ermöglichen. Strukturgleichungsmodelle sind struktur
prüfende multivariate Analyseverfahren. Sie ermöglichen die
Darstellung von Beziehungen zwischen mehreren latenten und
manifesten Variablen (also z.B. der Einschätzung von eigenem
Wissen und bestimmten soziostrukturellen Merkmalen, wie Al
ter, Geschlecht, Einkommen etc.). Von den insgesamt 165 Fällen
mussten 14 Fälle aufgrund fehlender Werte von der Auswertung
ausgeschlossen werden. Von den verbliebenen 151 gültigen Fäl
len waren 55 (36,4%) weiblich und 96 (63,6%) männlich. Das
Alter der Befragten liegt zwischen 26 bis 72 Jahren, wobei die
Gruppe der 41- bis 45- und die Gruppe der 46- bis 50-Jährigen am
stärksten ausgeprägt ist. Gemessen an der Länge der Tätigkeit
als Berater und der Anzahl an Projekten scheinen die befragten
Berater sehr erfahren zu sein. So verfügen 50% der Befragten
über mehr als 50 absolvierte Projekte. 27% der Teilnehmer ver
fügen über bis zu 5 Jahre Beratungserfahrung, 28,7% über bis zu
10 Jahre, 18,3% über bis zu 15 Jahre, 12,2% bis zu 20 Jahre, 2,6%
bis zu 25 Jahre und 7,8% sogar bis zu 30 Jahre Berufserfahrung.
Am Beispiel von Beratern wurden so diverse Faktoren und
ihre Bedeutung in Bezug auf die Überschätzung von Wissen
und die Unterschätzung von Nichtwissen identifiziert und
spezifiziert. Aufgrund der Tatsache, dass das Phänomen der
Überschätzung ein weit verbreitetes ist (nachgewiesen in di
versen Bereichen und Berufsgruppen) und der Allgemeinheit
der untersuchten Faktoren, dass diese also auch für andere
Berufsgruppen Relevanz haben (ausgenommen die beratungs
spezifischen, wie die Art der Beratung und die Größe der
Klienten), kann angenommen werden, dass die generierten
Ergebnisse ebenfalls für andere Berufsgruppen gelten und im
Folgenden so gelesen werden können.
Ignoranz als Kernkompetenz?
Die empirischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ignoranz
eine Kernkompetenz von Beratern sein kann und der Umgang
mit Nichtwissen von persönlichen Merkmalen abhängt. Die
durchgeführte quantitative Studie konnte zeigen, dass auch
wissensintensive Dienstleister sich häufig überschätzen und
ihr Nichtwissen unterschätzen (siehe Abb. 1). Ganze 59,2%
der Unternehmensberater überschätzen ihr Wissen und un
terschätzen damit zugleich ihr Nichtwissen. 17,9% überschät
zen ihr Wissen leicht, sie nahmen an, eine Frage mehr richtig
beantwortet zu haben. 16,6% überschätzen ihr Wissen mit
zwei Antworten stärker und 10,6% überschätzen ihr Wissen
mit drei Antworten stark. 14,1% überschätzen ihr Wissen mit
der Einschätzung, vier oder mehr Antworten mehr richtig zu
haben als es tatsächlich der Fall war, sogar sehr stark.
Diese Verteilung zeigt insgesamt eine Fehleinschätzung vor
handener valider Wissensressourcen und andererseits vorhan
denem Nichtwissen und die Probleme einzelner Akteure, wie
auch wissensintensiver Dienstleister, damit erfolgreich umzu
gehen. Aus diesen Fehleinschätzungen können hohe Risiken