PERSONALquarterly 1/2017 - page 42

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PERSONALquarterly 01/17
NEUE FORSCHUNG
_KOMPETENZEN
B
erater erzeugen in der Öffentlichkeit häufig ein Bild
von sich als Experten mit profundem Wissen. So ge­
nerieren sie hohe Honorare. Es wird von ihnen erwar­
tet, dass sie über das benötigte, aber imUnternehmen
fehlende Wissen verfügen und es vorteilhaft für ihre Klienten
einsetzen. Wissen wird für Berater zu einer Grundvorausset­
zung für ihre Tätigkeit; es bildet ihre Kompetenz, ihren spe­
zifischen Produktionsfaktor, ihr Kapital. Berater müssen ihr
Wissen ständig aktualisieren und an die Anforderungen ihrer
Klienten und ihrer Aufträge anpassen.
Allerdings haben Berater natürlicherweise auch immer mit
Nichtwissen zu kämpfen, sie können nicht immer alles wissen,
was sie für die erfolgreiche Erfüllung ihres Auftrags wissen
müssten. Dies hat hauptsächlich drei Gründe: Erstens steigt
das potenzielle Wissen in unserer Wissensgesellschaft sehr
schnell, sodass es selbst in sehr spezialisierten Wissensbe­
reichen äußerst schwierig und arbeitsintensiv ist, auf dem
aktuellen Stand des Wissens zu sein. Zweitens sind die Be­
ratungsaufträge häufig so spezifisch und neu, dass Berater
erst zu Spezialisten für die zu bearbeitenden Probleme werden
müssen. Drittens benötigen Berater zur Erarbeitung von Bera­
tungslösungen unternehmensinternes Wissen, das sie sich erst
im Laufe des Beratungsprozesses von der Klientenorganisation
aneignen. Viertens weiß man gerade in wissensintensiven Be­
rufen, in denen sich wesentliche Parameter ständig ändern und
die Konsequenzen von Entscheidungen und Handlungen nicht
vorhergesehen oder abgeschätzt werden können, oft nicht, wie
es „weitergeht“, wie sich z.B. der Beratungsprozess entwickelt,
welche unvorhergesehenen Probleme auftauchen.
Berater sind somit selbst in hohemMaße mit Nichtwissen kon­
frontiert. Da gerade ihr Wissen eine ihrer Kernkompetenzen ist,
hat das Fehlen dieses Wissens für sie eine enorme Bedeutung,
denn dies kann schnell negative Konsequenzen für sie haben.
Folgerichtig beurteilen Berater Nichtwissen auch vornehmlich
als einen problematischen und defizitären Zustand. Diese Ein­
schätzung lässt sich durchaus empirisch belegen (Dorniok &Mo­
he, 2009). Ein beim Berater diagnostiziertes Nichtwissen kann
z.B. die Kompetenz des Beraters und so sein Expertenwissen in­
frage stellen. Ohne dies droht der Berater jedoch seine Rolle und
damit auch seine „Beratungsberechtigung“ zu verlieren. Es ist
Ignoranz als Kernkompetenz von
Unternehmensberatern?
Von
Dr. Daniel Dorniok
(Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
daher nicht verwunderlich, dass eigenes Nichtwissen von Bera­
tern häufig als eine Quelle für Unsicherheit bewertet wird. Diese
Unsicherheit resultiert aus einer permanenten Ungewissheit in
Beratungssituationen aufgrund von fehlendem (fachlichem und
methodischem) Wissen. Der Berater operiert in ständiger Unsi­
cherheit darüber, ob er genug passendes Wissen in der richtigen
Qualität hat, um den Auftrag erfolgreich erfüllen zu können.
Zudem resultiert Unsicherheit aus der Ungewissheit darüber,
ob die vorgenommenen Interventionen zu den gewünschten
Ergebnissen führen, und auch aus der Befürchtung negativer
Konsequenzen (z.B. Imageverlust) durch Nichtwissen.
Kompetenzen von Beratern
Ein kompetenter Umgang mit Nichtwissen scheint folglich es­
senziell für eine erfolgreiche Beraterkarriere zu sein. Dazu ge­
hört nicht nur die Fähigkeit, sich schnell in neue und komplexe
Themen, Situationen und Kontexte einarbeiten zu können. Da­
rüber hinaus sind weitere Fähigkeiten zentral: Eine bedeutende
Fähigkeit ist es, Nichtwissen und daraus resultierende Unge­
wissheiten und Unsicherheiten „aushalten“ zu können und sich
folglich nicht durch Nichtwissen und Unsicherheiten in Hand­
lungen und Entscheidungen blockieren zu lassen. Hierzu gehört
es bspw., sich durch Nichtwissen nicht so irritieren zu lassen,
dass man orientierungslos und unfähig wird, Entscheidungen
zu treffen. Berater müssen demnach individuelle Unsicherheits­
bewältigungsstrategien besitzen oder entwickeln. Ebenfalls von
Bedeutung ist die Fähigkeit, Nichtwissen aktiv einsetzen zu kön­
nen, um sich selbst vor einer Informations- bzw. Wissensüber­
flutung und vor zu hoher Komplexität zu schützen. Erst dieser
Selbstschutz ermöglicht es, produktiv mit vorhandenem und po­
tenziellem Wissen umzugehen und entscheidungsfähig zu blei­
ben (Dorniok & Mohe, 2010). Genau diese Fähigkeiten wurden in
einer durchgeführten Studie empirisch überprüft.
Studiendesign
Die Studie hatte das Ziel, die Güte der individuellen Einschät­
zung des eigenen Wissens und Nichtwissens am Beispiel von
Unternehmensberatern zu testen. Zur Messung der Einschät­
zung des eigenen Wissens und Nichtwissens wurden spezifi­
sche Wissensfragen eingesetzt, bei denen die Probanden zwei
1...,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41 43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,...68
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