34
PERSONALquarterly 01/17
NEUE FORSCHUNG
_ARBEITSFÄHIGKEIT
D
er demografische Wandel hat zur Folge, dass die Be-
völkerung altert und schrumpft, was selbst durch Zu-
wanderung kaum ausgeglichen werden kann (Linten/
Prüstel, 2013). Um die knapper werdende Ressource
qualifiziertes Personal für sich zu gewinnen, investieren viele
Unternehmen in Personalmarketing zur Steigerung ihrer Arbeit-
geberattraktivität. Derartige Maßnahmen sind zwar dazu geeig-
net, im Einzelfall die Entscheidung von Bewerbern zugunsten
des eigenen Unternehmens zu beeinflussen, regeln also die Ver-
teilung, tragen aber nicht zur Erhöhung der Menge an Fachkräf-
ten bei. Dem Fachkräftemangel kann zumindest teilweise durch
technologischen Wandel, d.h. Rationalisierung, begegnet wer-
den. Das sollte einerseits zu einer Personaleinsparung führen,
kann aber andererseits auch einen höheren Bedarf für Training
nach sich ziehen, um das benötigte Personal für gestiegene An-
forderungen zu qualifizieren. Ein dritter Ansatz besteht darin,
die älter werdenden Belegschaften entsprechend ihrer Neigung
länger als bisher im Arbeitsleben zu halten (vgl. Statistisches
Bundesamt, 2015; Bundesagentur für Arbeit, 2013), indem bspw.
durch Maßnahmen des Gesundheitsmanagements und durch
die Gestaltung der Arbeitsbedingungen deren Arbeitsfähigkeit
stabilisiert wird. Eine günstige Gestaltung der Arbeitsbedingun-
gen sollte dann auch dazu beitragen, dass die Attraktivität und
Ausführbarkeit der jeweiligen Tätigkeiten zunimmt und gesund-
heitsbedingter Ausstieg aus der Tätigkeit verringert wird. Der
aktuelle Beitrag legt den Fokus auf den letztgenannten Ansatz.
Arbeitsfähigkeit und Gesundheitsmanagement
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) dient dem
Wohlbefinden und der Gesundheit der Beschäftigten und
verfolgt u.a. die Ziele der Verminderung psychosozialer Be-
lastungen und der Verbesserung von Motivation und Arbeits-
zufriedenheit (Ulich/Wülser, 2015). Vor dem Hintergrund des
demografischen Wandels verstärkt sich die Anforderung an
das Personalmanagement, Arbeits- und Organisationsbedin-
gungen zu schaffen, die es den Beschäftigten erlauben, ihre
Arbeitsfähigkeit zu erhalten (Badura, 2002).
Arbeitsfähigkeit umfasst die Gesamtheit der Faktoren, die
eine Person in einer bestimmten Situation in die Lage ver-
setzen, eine gestellte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Sie
Personalmangel begegnen –
Gesundheit, Führung, Anreize
Von
Prof. Dr. Daniela Lohaus
(Hochschule Darmstadt),
Tobias Breitling
und
Prof. Dr. Rudolf Large
(Universität Stuttgart) und
Claudius Tost
(Hochschule Pforzheim)
wird durch eine Balance zwischen Arbeitsanforderungen und
individueller Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bestimmt
(Prümper, 2012). Ist diese Balance gegeben, bedeutet sie für
den Arbeitgeber höhere Arbeitsqualität und Produktivität (Il-
marinen, 2011), wodurch Effekte auf die Wettbewerbsfähigkeit
des Unternehmens und die sozialen Sicherungssysteme der
Gesellschaft begründet sind (Badura, 2002; Prümper, 2012).
Die mittel- und langfristige Stabilisierung dieser Balance ist
auch die Voraussetzung dafür, besser und länger zu arbeiten.
Das sog. Haus der Arbeitsfähigkeit (vgl. Abb. 1) ist ein sozial-
und arbeitswissenschaftlich fundiertes Modell, das die für ein
komplexes arbeitswissenschaftliches Verständnis der Arbeits-
situation im Unternehmen wesentlichen Einflussfaktoren auf
die Arbeitsfähigkeit abbildet (Ilmarinen, 2011).
Die physische und psychische Gesundheit (1. Stockwerk)
werden dabei als fundamental angesehen. Diesbezügliche Ein-
Quelle: Prümper 2012
Abb. 1:
Haus der Arbeitsfähigkeit
Führung
Arbeitsumgebung
Einstellungen
Fähigkeiten
Funktionelle Kapazität
Arbeit
Werte
Kompetenz
Gesundheit
Arbeitsinhalte
Arbeitsorganisation
Motivation
Fertigkeiten
Arbeitsfähigkeit
Gesellschaft
Persönliches soziales Umfeld