PERSONALquarterly 1/2017 - page 22

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PERSONALquarterly 01/17
SCHWERPUNKT
_FÜHRUNG
Personen zusammen, einem Mitarbeiter, seinem Vorgesetzten
und einem Personalreferenten. Als Vorgesetzte wurden keine
(Ober-)Bürgermeister befragt, da diese Position als Wahlamt
eine Mischung zwischen Politik und Verwaltung darstellt. Die
dargelegte Dreierkonstellation der Befragten wurde genutzt,
um sowohl die individuelle Perspektive des jeweiligen Akteurs
zu analysieren als auch die Aussagen spiegeln zu können. Ziel
war es, durch die Betrachtung der verschiedenen Ebenen die
Kommune hinsichtlich der Führung von unten detailliert zu
durchdringen. Zentrale Fragen der halbstrukturierten Inter­
views waren dabei:
3
Haben Ihrer Meinung nach Mitarbeiter Einfluss auf Entschei­
dungen der Führungskraft?
3
Gibt es festgelegte Kommunikationswege oder Instrumente,
über die Mitarbeiter eigene Ideen einbringen und Führung
gezielt beeinflussen können?
3
Ist es vorgekommen, dass in der Abteilung bspw. eine Reor­
ganisation oder ein neues PC-Programm eingeführt werden
sollte? Beschreiben Sie die Situation!
Die gewonnenen Daten wurden mittels Inhaltsanalyse nach
Mayring durch die Nutzung von MAXQDA ausgewertet. Bei
der Auswertung der Fälle dienten nicht nur die verschiedenen
Fachbereiche, sondern auch die Einbeziehung von Kommunen
verschiedener Größen dazu, umfassende Einblicke zu bekom­
men und die spezifischen Rahmenbedingungen hinsichtlich
der Führung von unten zu erfassen.
Empirische Ergebnisse: Taktiken der Mitarbeiter zur
Einflussnahme im Führungsprozess
Die Analyse zeigte, dass das Gespräch [mit dem Vorgesetzen]
zu suchen, um einen Sachverhalt anzusprechen oder um die
eigene Einstellung zu zeigen, die mit Abstand am häufigsten
verwendete Taktik ist. Belege finden sich in den Interviews der
Mitarbeiter aller befragten Kommunen.
„Mit meinem Chef darüber reden, weil meine Kolleginnen
[...] sind schon in dem Sachgebiet ja mit, aber die haben nicht
die Einblicke in die Förderprogramme, die ich halt bearbeite.“
(Mitarbeiter_in, Fall B)
Dieses aktive Zugehen auf den Vorgesetzten ist eng ver­
knüpft mit den folgenden beiden Taktiken. Zunächst ist hier
die Taktik der rationalen Überzeugung zu nennen, die sehr
häufig von den Mitarbeitern genutzt wird. Dabei wird versucht,
durch das Vorlegen sachlicher Argumente auf die jeweilige
Führungskraft Einfluss zu nehmen. Diese Taktik wird auch von
Führungskräften positiv wahrgenommen:
„Ja, es geht ja nur auf der Argumentenebene. Emotional
kann man nicht sagen, das gefällt mir nicht. Das muss dann
schon auf der sachlichen Ebene geklärt werden.“ (Führungs­
kraft, Fall D).
Die Vorschläge werden dem Vorgesetzten üblicherweise per­
sönlich oder in der Dienstberatung unterbreitet, wobei das in
allen befragten Kommunen genutzte Prinzip der „offenen Tür“
dies besonders unterstützt (s.u.). Hier werden die Taktiken
Vorschläge einbringen und Konsultation verknüpft. Dabei be­
ziehen Mitarbeiter in vielen Fällen auch Kollegen gezielt in den
Entscheidungsprozess mit ein, um weitere Lösungsvorschläge
zu bekommen, Rückendeckung zu erhalten und somit Unsi­
cherheiten zu reduzieren.
„Na wenn ich einen Vorschlag habe, der noch nicht ausgereift
ist, erst mal unterhalte ich mich mit meiner Kollegin, wie sie das
so sieht. Zwei Meinungen, zwei Ideen und dann trage ich das
eigentlich meiner Führungskraft vor.“ (Mitarbeiter_in, Fall E)
Diese bewusste Einbeziehung anderer Mitarbeiter kann zu­
gleich auch als Taktik der Koalitionsbildung betrachtet werden.
„Na ich bezieh auf jeden Fall meine Kollegen mit ein, frage
die, was sie davon halten. Es kann auch sein, dass ich völlig
falsch liege, aber meistens sind wir in der Kollegschaft uns
ziemlich einig.“ (Mitarbeiter_in, Fall A)
Die aktive Nutzung von Konsultationen mit der Führungs­
kraft soll diese dazu bewegen, eine Entscheidung zu über­
denken oder angebotene Alternativen in die Überlegungen
einzubeziehen.
„Im Endeffekt ist es bei unserer Vorgesetzten so: Man muss
sie ein bisschen mit einbeziehen. Wenn man ein bestimmtes
Ziel vor Augen hat und dann eine Entscheidung getroffen hat die
man gerne umsetzen möchte, ist es gut, wenn man so langsam
anfragt und sie dann dorthin lenkt …“ (Mitarbeiter_in, Fall A)
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Wichtige mikropolitische Taktiken der
Führung von unten in Verwaltungen
Taktik
Absolute Häufigkeit
Gespräch suchen
>30
Rationales Überzeugen
27
Vorschläge machen
26
Konsultation
18
Nachhaken
10
Koalitionen bilden
9
Einschalten höherer Instanzen
7
Eskalieren
7
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...68
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