PERSONALquarterly 1/2017 - page 18

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PERSONALquarterly 01/17
SCHWERPUNKT
_FÜHRUNG
kräfte im Durchschnitt einschätzen. Die Rauten geben die
durchschnittliche Selbsteinschätzung der Führungskräfte
wieder. Die Fehlerbalken um die einzelnen Punkte und Rauten
geben das 95%-Konfidenzintervall wieder.
Es zeigt sich, dass das Führungsverhalten aus Sicht der Ge-
führten eher mittelmäßig ausgeprägt ist und noch ein gewisses
Verbesserungspotenzial bietet. Die Werte liegen im Mittel zwi-
schen 3,0 und 3,5. Die geringste Ausprägung beobachten die
Geführten bei der Veränderungsorientierung. Dies spiegelt re-
lativ deutlich eine grundlegende Kritik am öffentlichen Sektor
wider, der zu wenig Wert auf Veränderungen lege. Die übrigen
Dimensionen von Führung liegen aus Sicht der Geführten mit
3,3 bis 3,5 etwa gleich auf. Ein deutlich anderes Bild ergibt die
Selbsteinschätzung der Führungskräfte. Hier liegen die Mittel-
werte mit 3,8 bis 4,5 deutlich höher. Zudem schätzen die Füh-
rungskräfte ihre Beziehungsorientierung deutlich intensiver
ein als die anderen Dimensionen. Auch die Ethikorientierung
sticht mit einem Mittelwert von 4,2 hervor.
Besonders auffällig sind beim Blick auf Abbildung 3, wie
bereits erwähnt, die Differenzen zwischen der Selbsteinschät-
zung der Führungskräfte und der Einschätzung der Geführten.
Diese betragen zwischen 0,4 und 1,0 Punkten. Auf einer Ska-
la von 1 bis 5 entspricht dies einer Differenz von 10 bis 25
Prozent. Diese deutliche Differenz wurde in anderen Studien
bisher kaum beobachtet. Ein gewisses Maß an Selbstüberschät-
zung scheint zwar überall vorhanden zu sein, aber so groß wie
hier sind sie nur in wenigen Fällen. Interessant ist dabei, dass
die wenigen weiteren Studien, die solche Differenzen zwischen
Selbst- und Fremdwahrnehmung beobachteten, ebenfalls aus
dem öffentlichen Sektor stammen. Die Vermutung liegt daher
nahe, dass dies eine Besonderheit des öffentlichen Sektors ist
und einer eingehenderen Untersuchung bedarf.
Eine Ursache für die großen Differenzen zwischen Selbst-
und Fremdeinschätzung im öffentlichen Sektor könnte sein,
dass Führung insgesamt wenig thematisiert wird und ins-
besondere institutionalisierte Feedbackinstrumente, wie
360-Grad-Feedbacks, kaum Anwendung finden und die Füh-
rungskräfte daher kaum Rückmeldung über ihr eigenes Füh-
rungsverhalten erhalten.
Besondere Aspekte von Führung im öffentlichen Sektor
Die aufgeführten Ergebnisse zeigen bereits zwei Besonder-
heiten von Führung im öffentlichen Sektor. Dies ist zunächst
die Ethikorientierung. Aus Sicht der Geführten zeigen die Füh-
rungskräfte dieses Führungsverhalten in der gleichen Inten-
sität wie Beziehungs- oder Außenorientierung – Kernaspekte
von Führung. Die Führungskräfte sehen sich bei der Ethikori-
entierung selbst besonders aktiv. Auch die Sachbearbeitungs-
orientierung stellt eine Besonderheit des öffentlichen Sektors
dar. Wie die Ethikorientierung nimmt die eigene fachliche Ar-
beit ein ähnliches Ausmaß an wie klassische Führungsaufga-
ben. An dieser Stelle sind sich Geführte und Führungskräfte in
ihrer Einschätzung auch verhältnismäßig einig.
Andere Studien haben der Besonderheit von Führung im
öffentlichen Sektor noch stärkere Aufmerksamkeit gewidmet.
Hierbei sticht vor allem jene von Tummers und Knies (2016)
hervor. Diese entwickelten vier Rollen, die Führungskräfte
im öffentlichen Sektor erfüllen müssen und die diese deut-
lich von Führungskräften der Privatwirtschaft abgrenzen
(vgl. Abb. 4).
Quelle: nach Tummers und Knies 2016, S. 436
Abb. 4:
Rollen von Führungskräften im öffentlichen Sektor
Rolle
Beschreibung
Accountability Leadership
Die Führungskraft ermutigt die Geführten, ihre Arbeit gegenüber Stakeholdern zu
erläutern und zu rechtfertigen.
Rule-Following Leadership
Die Führungskraft ermutigt die Geführten, in Übereinstimmung mit rechtlichen
Vorgaben zu handeln.
Political Loyalty Leadership
Die Führungskraft motiviert die Geführten, ihre Arbeit mit den Interessen poli-
tischer Leitungskräfte in Einklang zu bringen, auch wenn dies für sie zusätzlichen
Aufwand verursacht.
Network Governance Leadership
Die Führungskraft ermutigt die Geführten, relevante Stakeholder aktiv miteinan-
der zu vernetzen.
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