PERSONALquarterly 1/2017 - page 8

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 01/17
zu machen, neue Ideen zu entwickeln und dafür Verantwor-
tung zu übernehmen. Zu diesem Zweck haben wir, gemeinsam
mit einer Hochschule in Berlin, den Digital Readiness Check
entwickelt und damit ein Pilotprojekt zur digitalen Weiterbil-
dung gestartet. Wichtig ist uns dabei eine mehrdimensionale
Betrachtung. Die Digitalisierung als Treiber für Innovationen
ist keine Frage von Technik oder IT-Systemen, sondern vor
allem eine Frage des Mindsets, der Kultur und Zusammenar-
beit. An dieser Stelle ein gemeinsames Verständnis im Top-
Management zu entwickeln und gemeinsam durch Vernetzung
und Austausch zu lernen, ist uns ein wichtiges Anliegen. So
beschäftigen wir uns in diesem Programm mit den vielfältigen
Dimensionen des Themas Digitalisierung.
PERSONALquarterly:
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für
die Personalentwicklung?
Sandra Widmaier:
Die Personalentwicklung muss sich damit
auseinandersetzen, dass sie immer weniger Präsenzveranstal-
tungen anbieten wird und stattdessen mehr online über Skype,
Videokonferenzen und andere Kanäle präsent sein muss. Wir
schauen genau, an welchen Stellen wir die Zusammenarbeit
in diesem Kontext durch moderne Tools, wie etwa Slack oder
Yammer, vereinfachen können. Darüber hinaus werden meiner
Beobachtung zufolge immer mehr Feedbacks online eingeholt.
Die Personalentwicklung hat darüber hinaus die Aufgabe,
zunehmend individualisierte Angebote zu formulieren, die
präzise der Weiterentwicklung des Individuums dienen oder
passgenau für eine Zielgruppe entwickelt werden.
PERSONALquarterly:
Auf welchen Ebenen vom gestaltenden Gesell-
schafter Benjamin Otto über den Vorstand bis zum Angestellten
im Lager wird an der Transformation gearbeitet – und mit
welcher Aufgabenteilung?
Sandra Widmaier:
Es wird in allen Unternehmen, in allen Be-
reichen und auf allen Ebenen an der Transformation gearbeitet.
Im Rahmen unseres Kulturwandels 4.0 haben wir alle Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter nach den Prinzipien bottom up
und top down gebeten, sich Gedanken zu machen, mit welcher
Initiative die digitale Transformation vorangetrieben werden
sollte. Ich kann hier am besten über meinen eigenen Verant-
wortungsbereich sprechen. Wir haben uns im Team Gedanken
gemacht, welche Prozesse wir weiter digitalisieren können,
welche Lösungen wir hierzu benötigen und vor allem, wie wir
die Prozesse verändern müssen, damit sie in einem digitalen
Umfeld auch wertstiftend sind. So werden wir ab 2017 unseren
jährlichen Management-Development-Prozess mit einer neu-
en cloudbasierten Lösung umsetzen und unsere Konzernvor-
stände befähigen, ihre Feedbacks in viel kürzeren Abständen
durchzuführen und direkt online in ihr Tablet einzugeben. Ne-
ben kontinuierlichen Feedbacks auf Augenhöhe unterstützen
wir so die zielgerichtete persönliche Entwicklung – auch auf
Topmanagementebene. Durch die größere Transparenz erhö-
hen wir im Rahmen einer professionalisierten Nachfolgepla-
nung auch die Potenziale des konzerninternen Talent Pools.
PERSONALquarterly:
Sie wollen mit Ihrem Führungsmodell Denk-
muster brechen: Wie sollen Manager künftig führen?
Sandra Widmaier:
Wir müssen uns auch in Fragen der Führung
stärker mit dem Thema Agilität befassen. Agilität bedeutet für
uns, in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit flexibel, aktiv
und anpassungsfähig unterwegs zu sein. Wir müssen Wissen,
Fähigkeiten, Motivation und Leistung wirksam und effizient
einsetzen, um schnelle und kompetente Entscheidungen im
Sinne gemeinsamer Ziele und im Sinne des Kunden treffen zu
können. Bei dieser Form des Empowerments geht es auch um
das Wahrnehmen und Nutzen von individuelleren Gestaltungs-
spielräumen und Ressourcen.
Unser Ziel ist es, unsere Organisation in Zukunft noch viel
mehr durch selbstverantwortliche und eigeninitiativ handeln-
de Teams aufzustellen. Entscheidungen werden nicht mehr
nur oben getroffen und nach unten weitergegeben, sondern
nah am Markt auf Basis der höchsten Expertise gefällt. Da-
zu gehört es auch, dass unsere Führungskräfte ihre Teams
tatsächlich enablen – das heißt, ihnen in einem komplexen,
wenig planbaren Umfeld eine Richtung und einen Rahmen
vorgeben. Sie agieren weniger als Vorgesetzte, sondern führen
tatsächlich – dabei sorgen sie für Transparenz, bewegen sich
auf Augenhöhe und stellen eine hohe Partizipation sicher. Das
heißt aber auch, sie müssen loslassen. Wer seine Expertise und
Erfahrungen als Führungskraft beratend einbringt, ermöglicht
so Höchstleistungen seiner Mitarbeiter.
PERSONALquarterly:
Kommt es bei der Vertrauenskultur nur auf
das Ergebnis an oder auch auf den Weg zum Ziel?
Sandra Widmaier:
Jede Kulturveränderung ist ein Prozess und
insoweit gilt: Der Weg ist das Ziel. Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter müssen die Vertrauenskultur im Alltag spüren,
bevor sie das entsprechende Vertrauen haben, dass die Füh-
rungskräfte auch wirklich meinen, was sie sagen. Aus meiner
Sicht kommt den Führungskräften eine besondere Rolle zu,
indem sie jeden Tag aufs Neue die Vertrauenskultur leben
müssen. Walk your talk ist hier unser Credo und wird von der
Belegschaft sorgfältig beobachtet.
PERSONALquarterly:
Wie wird in der Otto Group der Kultur- und
Führungswandel global betrieben?
Sandra Widmaier:
Es gibt nicht „die“ Otto-Group-Kultur. Wir haben
123 operative Gesellschaften in der ganzen Welt. Jedes Unter-
nehmen hat seine eigene Historie und Kultur, die wir aus Sicht
des Headquarters sehr respektieren. Jede Geschäftsführung ist
aber aufgefordert, die digitale Transformation und die damit
veränderten Anforderungen an die Führungs- und Unterneh-
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