PERSONALquarterly 1/2017 - page 9

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menskultur zu forcieren. Dabei können und müssen sie diesen
Veränderungsprozess an ihre jeweiligen lokalen Bedingungen
anpassen. Unser Unternehmen Crate & Barrel hat beispiels-
weise andere Rahmenbedingungen als Project A in Berlin. Bei
allen Unternehmen sind entsprechende Projekte zum Wandel
der Führungs- und Unternehmenskultur gestartet worden. Tref-
fen im Kreis der Geschäftsführer und Direktoren haben bereits
stattgefunden. Spannend war für uns vor allem, Best Practices
auszutauschen und voneinander zu lernen. Diese Veranstal-
tungen sind jedes Mal sehr inspirierend und motivierend. Unser
gestaltender Gesellschafter Benjamin Otto hat den gesamten
Kulturwandelprozess gemeinsam mit dem Konzernvorstand
angestoßen, nimmt selbst an diversen Veranstaltungen teil und
überzeugt sich vom Fortschritt des Veränderungsprozesses. Ak-
tuell haben wir auf seine Initiative hin einen Online-Puls-Check
gestartet, der an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Otto
Gruppe gerichtet ist, um zu prüfen, wie weit wir aus ihrer Sicht
bis heute im Kulturwandel 4.0 gekommen sind.
PERSONALquarterly:
Otto investiert jedes Jahr einen dreistelligen
Millionenbetrag in Start-ups. Welche Rolle spielen für Otto Start-
ups in Deutschland und wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
Sandra Widmaier:
Die Start-ups sind für uns sehr wertvolle Know-
how-Träger, die uns helfen, die aktuellen Trends am digitalen
Markt abzugreifen. Der Wissensaustausch zwischen den lang-
jährig zur Gruppe gehörenden Unternehmen und unseren
Start-ups in Berlin, San Francisco, Sao Paulo oder Shanghai ist
essenziell für die digitale Weiterentwicklung der Geschäfts-
modelle. Darüber hinaus sind die Start-ups für uns aus Arbeit-
gebersicht wertvoll, denn sie machen uns – gerade für digitale
Talente – attraktiver. Die Digital Natives können nicht nur in
einem Start-up tätig sein, sondern sie können dabei auch die
Verantwortung übernehmen, digitale Prozesse in eher traditi-
onellen Distanzhandelsunternehmen zu implementieren. Der
wirtschaftliche Erfolg auf beiden Seiten gibt uns mit dieser
Vorgehensweise und dem gewählten Ansatz recht.
PERSONALquarterly:
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Start-ups? Versuchen Sie die netzwerkorientierte Start-up-Führungs-
kultur in das gestandene Unternehmen zu übertragen?
Sandra Widmaier:
In der Tat beginnen wir langsam im Rahmen
von agilen Führungsmethoden, die klassische Hierarchie zu
hinterfragen. Aber auch hierbei handelt es sich um einen
evolutionären Prozess und nicht um eine Revolution. Die
Menschen müssen sich daran gewöhnen dürfen, dass neue
Arbeitsmethoden wie Scrum oder Design Thinking hierar-
chieübergreifend funktionieren. Damit ist kein Machtverlust
der Führungskräfte gemeint. Dennoch spüren wir bei der
Generation der Führungskräfte 50+ eine gewisse Unsicher-
heit im Umgang mit den neuen Arbeitsmethoden, die eher
netzwerkorientiert sind. Es ist aus meiner Sicht die Aufgabe
des Personalmanagements, diesen Prozess gut zu begleiten
und dafür Sorge zu tragen, dass wir wertvolle Mitarbeiter und
Know-how-Träger nicht verlieren, sondern alle mitnehmen,
die offen für Veränderungen sind.
PERSONALquarterly:
In der Führungskultur propagieren Unterneh-
men wie die Telekom das Prinzip der Ambidextrie, das sich mit
dem Spannungsfeld zwischen vorhandenen Systemen und Inves­
titionen in die Zukunft befasst. Das Altgeschäft wird hierar-
chisch und möglichst effizient geführt, im Neugeschäft wird eine
hierarchiearme Netzwerkkultur eingeführt, um Innovationen zu
fördern. Wie ist hier die Philosophie von Otto?
Sandra Widmaier:
Wir versuchen natürlich das Beste von beidem
zu vereinen. Ich denke, dass wir es uns nicht leisten können,
das sogenannte Altgeschäft unverändert fortzuführen. Unsere
Wettbewerber verstehen sich eher als Technologieunterneh-
men und weniger als Händler. Sie haben ihre gesamten Struk-
turen und Prozesse auf die kontinuierliche Weiterentwicklung
des Geschäfts ausgerichtet. Dies bedeutet, dass der Wettbewerb
stetig mehr an Marktanteilen gewinnt. Wir müssen aus der
neuen Start-up-Kultur so viele Innovationen wie möglich in
unsere Handels- und Logistikunternehmen übertragen. Daher
müssen unsere Führungskräfte und Mitarbeiter offen für Ver-
änderungen sein und kontinuierlich prüfen, wie sie in ihrem
jeweiligen Verantwortungsbereich besser und digitaler werden
können. Wer hier nicht wenigstens ein Minimum an Offenheit
und Veränderungsbereitschaft zeigt, ist raus. Eine Haltung,
wie sie die Telekom in dieser Frage einnimmt, können und
wollen wir uns nicht leisten.
„Wir spüren bei den Führungskräften 50+ eine ge-
wisse Unsicherheit im Umgang mit den neuen Arbeits-
methoden, die eher netzwerkorientiert sind.“
Sandra Widmaier
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