PERSONALquarterly 1/2017 - page 12

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PERSONALquarterly 01/17
SCHWERPUNKT
_FÜHRUNG
als mehrdimensionales Konstrukt weiterhin bedingungslos zu
empfehlen, wie dies bis vor wenigen Jahren in der Wissen-
schaft üblich war und nach wie vor vielerorts in der Praxis
erfolgt. Wie könnte es nun in Bezug auf die transformatio-
nale Führung weitergehen? In ihrem einflussreichen Artikel
fordern van Knippenberg und Sitkin (2013) zumindest eine
starke Modifizierung dieses Ansatzes. Diese Autoren plädieren
unter anderem dafür, den abstrakten und verhaltensfernen Be-
griff „transformational“ aufzugeben. Statt weiterhin ein relativ
buntes Sammelsurium an jeweils für sich positiv wirkenden
Aspekten zusammenzuwürfeln, mit einem abstrakten und at-
traktiv klingenden Etikett („transformational“) zu versehen
und das so entstandene Konstrukt als Antwort auf die Frage,
wie man denn bestmöglich führen solle, anzupreisen, bestünde
ein vielversprechender Ansatz darin, die Komponenten der
transformationalen Führung mittels spezifischerer Konzeptu-
alisierung und verbesserter Operationalisierung einzeln zu
untersuchen. Insbesondere die visionäre Führung, bei der es
um die Kommunikation einer bestimmten – angestrebten oder
zu vermeidenden – Zukunft geht, bietet sich hierfür an.
Ein Beispiel für derartige Forschung ist ein Projekt von Car-
ton/Murphy/Clark (2013), in dem die Autoren mittels einer
Feldstudie und eines Experiments zeigen konnten, dass die
Kommunikation einer Vision besonders dann eine positive
Wirkung auf die Leistung der Geführten hat, wenn Führen-
de viel bildhafte Sprache mit der Betonung nur eines Wertes
(statt der wiederholten Aufzählung zahlreicher wichtiger Wer-
te) verbinden. Dieser Effekt wurde durch die Förderung eines
gemeinsam geteilten übergeordneten Ziels und einer verbes-
serten Koordination vermittelt. Mit anderen Worten: Führende
sollten nicht über mehrere ihnen und den Geführten wichtige
Werte sprechen, sondern sich nach Möglichkeit auf einen Wert
konzentrieren und dabei nicht abstrakt, sondern möglichst
konkret in der Weise sprechen, dass ihre Worte lebendige Bil-
der vor dem geistigen Auge der Geführten erzeugen.
Ermächtigende Führung: Eine Bereicherung der
Führungsliteratur
Angesichts eines allmählich nachlassenden Interesses am
mehrdimensionalen Konstrukt der transformationalen Füh-
rung haben sich in den letzten Jahren eine Reihe neuer Stränge
innerhalb der Führungsforschung entwickelt. Ein besonders
zukunftsträchtiger Ansatz scheint mir hierbei jener der er-
mächtigenden Führung („empowering leadership“) zu sein
(Ahearne/Mathieu/Rapp, 2005; Biemann/Kearney/Marggraf,
2015; Sharma/Kirkman, 2015). Bei der ermächtigenden Füh-
rung gewährt die Führungskraft weitreichende Freiräume
und teilt Macht und Verantwortung mit ihren Geführten, die
dahingehend ermuntert und entwickelt werden sollen, sich
perspektivisch selbst zu führen. Im Gegensatz zur Laissez-
faire-Führung, bei der die Führungskraft ebenfalls in den Hin-
tergrund tritt, sind ermächtigend Führende jedoch aktiv in
dem Sinne, dass sie ihren Geführten Hilfe und Unterstützung
anbieten und sich bei Bedarf jederzeit einbringen.
Mittlerweile mehr als 50 empirische Studien zeigen einen
im Durchschnitt deutlich positiven Zusammenhang zwischen
ermächtigender Führung und Effekten wie Leistung und Zu-
friedenheit (vgl. Sharma/Kirkman, 2015). Zur Erklärung der
Wirkung ermächtigender Führung zeigen Studien, dass dieses
Führungsverhalten seitens der Geführten einen Zustand von
psychologischer Ermächtigung („psychological empowerment“)
fördert. Diese setzt sich zusammen aus der wahrgenommenen
Bedeutung der eigenen Aufgaben („meaning“), der erlebten
Kompetenz in der Verrichtung von Tätigkeiten („competence“),
dem Gefühl der Selbstbestimmtheit („self-determination“) so-
wie dem Eindruck, Einfluss nehmen und etwas bewegen zu
können („impact“). Hiermit im Zusammenhang steht auch
die intrinsische Motivation, die von ermächtigender Führung
gefördert wird (Zhang/Bartol, 2010). Auf der Gruppenebene
zeigen Studien, dass ermächtigende Führung den Informati-
onsaustausch und das gemeinsame Lernen begünstigt.
Abb. 2:
Ausgewählte Items zur Messung der visio­
nären und der ermächtigenden Führung
Visionäre Führung*
Die Führungskraft ...
3
spricht viel über die Zukunft.
3
kommuniziert eine klare Vorstellung von dem, was erreicht
werden soll.
3
beschreibt genau, wie unsere Zukunft aussehen soll.
3
kommuniziert ihre/seine Vision der Zukunft.
3
gibt eine konkrete Richtung für die Zukunft vor.
Ermächtigende Führung**
Die Führungskraft ...
3
bezieht mich in wichtige Entscheidungen mit ein.
3
teilt Macht und Verantwortung mit mir.
3
überträgt mir verantwortungsvolle und wichtige Aufgaben.
3
gibt mir große Freiheiten bei der Aufgabenerledigung.
3
erlaubt mir, viele Entscheidungen ohne vorherige Rücksprache
zu treffen.
* adaptiert aus u.a. de Luque, Washburn, Waldman, & House (2008).
** adaptiert aus u.a. Chen, Sharma, Edinger, Shapiro, & Farh (2011).
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