PERSONALquarterly 1/2016 - page 46

PERSONALquarterly 01/16
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STATE OF THE ART
_ARBEITSSINN
S
innstiftung durch Arbeit erlebt aktuell in der unter
dem Stichwort „NewWork“ geführten Diskussion eine
Renaissance. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass
das Verständnis vielfältig ist, was sinnvolle Arbeit
ausmacht oder grundlegender was unter dem Begriff Sinn in
Verbindung mit Erwerbsarbeit zu verstehen ist. Im Xing-New-
Work-Themenportal (
den sich Verbindungen zu Zielvereinbarungen
(„Nur wer Ziele bekommt, kann gut arbeiten“), prosozialen
Berufsfeldern („Wie wird man eigentlich Entwicklungshelfer“)
und Arbeitszufriedenheit („Arbeit muss Spaß machen“). Als
Treiber hinter der neu anmutenden Sinnsuche wird zum einen
der Megatrend Digitalisierung gesehen, durch den repetitive
und vermeintlich sinnlose Tätigkeiten obsolet werden könnten.
Ein weiterer Treiber ist die öffentliche Diskussion zum Werte-
wandel, der häufig mit der Generation Y verbunden wird.
Geht es umden Sinn, dann geht es offensichtlichumdas Ganze.
Insofern ist das Konstrukt „Arbeitssinn“ empirisch nicht leicht
zu fassen und es ist nicht möglich, abschließende Antworten zu
geben, wann Arbeit Sinn macht und welche Konsequenzen da-
raus resultieren. Dies macht eine nähere Betrachtung der spezi-
fischen Operationalisierung von Arbeitssinn in der empirischen
Forschung erforderlich. Im Folgenden werden diese Fragen im
Vordergrund stehen: Welche Bedeutung messen Arbeitnehmer
dem Sinn ihrer Tätigkeit zu? In welchen personalwirtschaft-
lichen Konstrukten sind Sinnelemente enthalten und wie wer-
den diese gemessen? Es wird sich zeigen, dass Arbeitssinn in
zahlreichen personalwirtschaftlichenModellen eine Rolle spielt,
dort aber eher ein Schattendasein fristet. Abschließend stehen
die Auswirkungen subjektiven Sinnerlebens auf personalwirt-
schaftliche Zielgrößen wie z.B. Produktivität im Fokus.
Sinn aus Sicht der Arbeitnehmer
In einer umfassenden weltweiten Studie befragte das Personal-
beratungs- und -dienstleistungsunternehmen Kelly insgesamt
170.000 Arbeitnehmer in 30 Ländern. Auf die Frage nach dem
Sinnerleben der aktuellen Tätigkeit („Does your current em-
ployment provide you with a sense of „meaning“?) antwortet
ca. die Hälfte der Befragten mit Ja, die andere Hälfte mit Nein
(Ramsey, 2009, S. 9). Die Frageform beinhaltet offensichtlich
Interpretationsspielraum, der sich in der Folgefrage, worin sich
Sinn ausdrückt, offenbart (Mehrfachantworten möglich): 74%
der Befragten verstehen hierunter die Möglichkeit, die eigenen
Talente zu entfalten („ability to excel/develop in my field“).
Über 40% sehen einerseits in der sozialen Interaktion mit Kol-
legen und andererseits in der Übereinstimmung mit persön-
lichen Werten den Sinn der Arbeit. Schon eine Verbindung
mit der Unternehmensstrategie ist für ca. 1/3 der Befragten
hinreichend für Sinnempfinden, während weniger als 30% ei-
ne Bezugnahme zur Gesellschaft („community involvement“)
verlangen. Die Ergebnisse unterschieden sich kaum zwischen
Vertretern der Generation X und Y (Ramsey, 2009, S. 11).
In Deutschland stellt der „DGB-Index Gute Arbeit“ in einer
repräsentativen Befragung von knapp 6.000 Arbeitnehmern
2014 die Sinnfrage. „Sinn der Arbeit“ ist eines der insgesamt 11
Kriterien, aus denen sich der Gesamtindex zusammensetzt. Der
Wertebereich liegt zwischen 0 und 100, der Gesamtindex lag
2014 bei 61, wobei das Kriterium „Sinn der Arbeit“ mit 81 den
höchsten Wert aller Teilkriterien aufweist (Platz 2: Arbeitszeit­
lage (74), Platz 10 und 11: Arbeitsintensität und Einkommen (47),
Institut DGB-Index Gute Arbeit 2014, S. 15).
Auch hier lohnt ein Blick auf die drei konkreten Fragen, aus
denen der Index gebildet wird: (1) Haben Sie den Eindruck, dass
Sie mit Ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag fur die Gesellschaft
leisten? (2) Haben Sie den Eindruck, dass Sie durch Ihre Ar-
beit einen wichtigen Beitrag fur Ihren Betrieb leisten? (3) Inwie-
weit identifizieren Sie sich mit Ihrer Arbeit?, wobei Frage 2 die
höchste und Frage 1 die geringste Zustimmung erfährt (Institut
DGB-Index Gute Arbeit 2014, S. 18).
„Arbeit soll sinnvoll sein.“ Dieser Aussage stimmen 73% der
Arbeitnehmer zu, die 2006 durch das Bundesministerium für
Arbeit zur Arbeitsqualität befragt wurden. Allerdings landet die-
ses Kriterium eher auf den hinteren Plätzen von insgesamt 16
abgefragten Eigenschaften. Größere Bedeutung haben verläss-
liche Einkommen (92%) und die Sicherheit des Arbeitsplatzes
(88%); auch Spaß an der Arbeit (85%) scheint auf den ersten
Blick wichtiger als Sinn zu sein (Mikfeld/Villwock, 2015, S. 45,
Mehrfachantworten möglich).
Diese Befragungsergebnisse machen zunächst zweierlei
deutlich: Arbeit wird einerseits als sinnstiftend empfunden,
New Work: Sinnstiftung durch Arbeit
Subjektives Sinnerleben wirkt sich positiv auf Arbeitsergebnisse aus, wird aber
individuell unterschiedlich interpretiert.
Von
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(FOM Bonn)
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