PERSONALquarterly 1/2016 - page 42

PERSONALquarterly 01/16
42
NEUE FORSCHUNG
_GENDER
ständnisvoller Umgang mit anderen“ wurden sowohl von
Frauen als auch von Männern übereinstimmend als eher
weiblich bewertet. Zu den maskulinen Eigenschaften zählten
dagegen „analytisches Denken“, „Entscheidungsvermögen“,
„Durchsetzungsvermögen“ und „Verhandlungsgeschick“. Eine
„hohe Auffassungsgabe“, „Selbstständigkeit“, „Konfliktfähig­
keit“ und „Loyalität“ wurden dagegen weder übereinstimmend
als männlich oder weiblich bewertet und daher von uns als
neutral eingestuft.
Diese genderspezifischen Persönlichkeitseigenschaften wur­
den anschließend in Form von drei hypothetischen Trainee-
Stellenausschreibungen in unsere erste Studie eingebunden.
Es wurde jeweils eine idealtypische Stellenausschreibung mit
ausschließlich femininen, maskulinen oder neutralen Eigen­
schaften erstellt. Bei den Stellenausschreibungen wurden der
Aufbau, das Aussehen sowie die Stelle und Position konstant
gehalten. Lediglich die geforderten Persönlichkeitseigenschaf­
ten wurden variiert, um ihren Effekt auf die Bewerbungsab­
sicht der 282 weiblichen und männlichen Studierenden zu
untersuchen, wobei die Probanden jeweils nur eine der drei
hypothetischen Stellenausschreibungen zu lesen bekamen.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich weibliche Probanden
bei maskulinen Eigenschaften weniger geeignet für die aus­
geschriebene Stelle fühlen als bei den anderen beiden Stellen­
ausschreibungen mit femininen oder neutralen Eigenschaften
(vgl. Abb. 1). Diese subjektive Eignung korreliert positiv mit
der Attraktivität der Stelle und der Bewerbungsintention, was
dazu führt, dass weibliche Probanden eine geringere Bewer­
bungsintention bei Stellenausschreibungen mit maskulinen
Eigenschaften haben. Männer fühlen sich dagegen bei allen
geforderten Eigenschaften grundsätzlich geeignet und zeigen
keine Unterschiede in der Bewerbungsabsicht. Somit können
Unternehmen die meisten Personen attrahieren, wenn sie fe­
minine oder neutrale genderspezifische Eigenschaften in ihren
Stellenausschreibungen fordern.
Neben den Auswirkungen auf die reine Quantität des Bewer­
berpools haben wir zusätzlich versucht, die Auswirkungen der
genderspezifischen Eigenschaften auf die Qualität des Bewer­
berpools zu untersuchen. Wir haben die Probanden danach
gefragt, wie sie – im Vergleich zu ihren weiblichen und männ­
lichen Kommilitonen – ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt
einschätzen. Hier zeigt sich, dass Frauen, die ihre Chancen
auf dem Arbeitsmarkt als sehr gut einschätzen, sich bei der
neutralen Ausschreibung als am stärksten geeignet fühlen und
sich dort am ehesten bewerben würden (vgl. Abb. 2). Hoch
qualifizierte Frauen können sich anscheinend stark mit den
neutralen Eigenschaften identifizieren und finden diese Eigen­
schaften noch ansprechender als die femininen Eigenschaften,
die von ihrem Geschlecht und der damit assoziierten sozialen
Rolle sowieso erwartet werden. Für Stellenausschreibungen, in
denen maskuline Eigenschaften gefragt sind, fühlen sich auch
Frauen mit subjektiv sehr guten Chancen auf dem Arbeits­
markt eher weniger geeignet.
Unsere Ergebnisse liefern demnach erste Hinweise darauf,
dass Unternehmen bei der Formulierung ihrer Stellenaus­
schreibung nicht nur auf die ausgeschriebene Position ein­
gehen sollten, sondern ein deutlich stärkeres Augenmerk auf
die genderspezifischen Eigenschaften legen müssen, um hoch
qualifizierte Absolventen beider Geschlechter nicht mit den
(oft standardmäßig verwendeten) maskulinen Eigenschaften
abzuschrecken.
Die Wirkung von Aussagen zu Gender Diversity fördernden
Maßnahmen
Aus der Recruitingforschung ist bekannt, dass Bewerber Un­
ternehmensbeschreibungen und Stellenanzeigen sehr auf­
merksam studieren. Die Texte geben den Interessenten erste
wichtige Informationen über das Unternehmen und sind daher
kritische Einflussfaktoren auf die Entscheidung, ob ein Interes­
sent sich bei einem Unternehmen bewerben wird oder nicht.
Durch die Signaling-Theorie lässt sich ableiten, dass bestimmte
„Signale“, wie z.B. die Bezugnahme des Unternehmens auf
Werte, Einstellungen oder Denkweisen, die Wahrnehmung
und Bewertung von Informationen über Arbeitgeber stark be­
einflussen. Interessierte Bewerber machen sich aufgrund des
Textes ein Bild davon, wie es sich anfühlt, als Arbeitnehmer für
das Unternehmen tätig zu sein, und gleichen dessenWerte und
6,5
6,0
5,5
5,0
4,5
4,0
neutral
maskulin
feminin
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Subjektive Eignung von Frauen, abhängig von
ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Frauen mit sehr guten
Chancen auf dem
Arbeitsmarkt (eigene
Einschätzung)
Frauen mit guten
Chancen auf dem
Arbeitsmarkt (eigene
Einschätzung)
Frauen mit mittleren
bis schlechten Chancen
auf dem Arbeitsmarkt
(eigene Einschätzung)
1...,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41 43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,...60
Powered by FlippingBook