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wobei andererseits die Interpretation von Arbeitssinn sehr he-
terogen ausfällt.
Sinn in personalwirtschaftlichen Theorien und Modellen
Die Vielfalt subjektiver Interpretationen von Sinnhaftigkeit
spiegelt sich auch in der Vielfalt an wissenschaftlichen Mess­
instrumenten. Es finden sich Sinnkomponenten in unterschied-
lichen personalwirtschaftlichen Konzepten und Konstrukten.
Dabei lassen sich zwei Forschungsstränge unterscheiden.
Einerseits existieren etablierte (personalwirtschaftliche) An-
sätze, in denen Sinnhaftigkeit von Arbeit ein Teilelement ist,
andererseits wird der Versuch unternommen, auf Sinnhaf-
tigkeit als eigenständiges Konstrukt zu fokussieren. Der em-
pirische Abdeckungsgrad der eigenständigen Konstrukte ist
vergleichsweise klein, die etablierten Konzepte sind besser em-
pirisch hinterlegt, lassen aber nur einen mittelbaren Schluss
auf die Sinnhaftigkeit der Arbeit zu (vgl. Abb. 1). Wir wollen
zunächst auf die originären Sinnkonstrukte eingehen und
anschließend die Sinnkomponente in etablierten Konzepten
herausarbeiten. Danach gehen wir detaillierter auf das Job Cha-
racteristics Model ein, das eine Zwischenstellung einnimmt,
da es empirisch gut untersucht und metaanalytisch hinterlegt
ist, und in dem Task Significance als Einflussvariable und der
subjektiv empfundene Sinn (bzw. die Bedeutsamkeit) der Ar-
beit (Experienced Meaningfulness) als vermittelnde Variable
zur Erzielung von Erfolgsgrößen gesehen wird.
Sinn der Arbeit als eigenständiges personalwirtschaftliches
Konstrukt
Forscher unternehmen aktuell den Versuch, Sinn der Arbeit als
eigenständiges Konstrukt abzugrenzen und fragebogenbasiert
zu ermitteln. Dabei geht es zunächst darum, die unterschied-
lichen Dimensionen des Sinnerlebens trennscharf zu erfassen,
was methodisch durch eine Faktorenanalyse erfolgt. Im Work
as a Meaning Inventory (WAMI) werden drei Subskalen bzw.
Dimensionen von Sinn der Arbeit gebildet werden, die durch ins-
gesamt 10 Fragen erfasst werden (Steger et al., 2012). Im zweiten
Schritt wird untersucht, ob der so gebildete Index einen zu-
sätzlichen Beitrag zu Erklärung personalwirtschaftlicher Ergeb-
nisgrößen wie Arbeitszufriedenheit oder Kündigungsneigung
liefert, d.h. Erkenntnisse bringt, die mit bislang vorliegenden
Konstrukten nicht erzielt werden konnten. Dabei lässt sich für
das WAMI ein kleiner zusätzlicher Erkenntnisbeitrag für Ar-
beitszufriedenheit nachweisen. Im deutschsprachigen Raum
liegt ein analoges Instrument von Thomas Höge und Tatjana
Schnell (2012) vor, in dem das Konstrukt „Sinn der Arbeit“ ei-
nen zusätzlichen Beitrag zur Erklärung von Arbeitsengagement
liefert. Diese Ergebnisse beruhen aber bislang nur auf kleinen
und nicht immer repräsentativen Stichproben und dienen somit
aktuell mehr der Validierung des Erhebungsinstruments als
der Ableitung generalisierbarer Aussagen zum Sinn der Arbeit.
Berufung (Calling) ist ein Konstrukt, das historisch dem re-
ligiös-spirituellen Bereich entstammt, heute aber zunehmend
darüber hinaus interpretiert wird, wobei unterschiedliche Opera-
tionalisierungen in Fragebögen vorliegen (Duffy et al., 2015). Drei
Elemente lassen sich dennoch als Kern identifizieren: (1) eine
höhere Macht, innere Bestimmung oder eine externe Person, von
der die Berufung ausgeht, (2) eine Überlappung mit dem Sinn
des Lebens und (3) Unterstützung von anderen oder ein Beitrag
zu einem höheren Gut (Dik/Duffy, 2009). Aufbauend auf diesem
Verständnis liegen zwei Messkonzepte vor, Calling and Vocation
Questionnaire sowie Brief Calling Scale (Dik et al., 2012). Die em-
pirische Datenbasis ist noch klein, in einem qualitativen Review
analysieren Ryan D. Duffy und Brian J. Dik (2013) insgesamt
40 empirische Studien. Bezogen auf die Auswirkungen auf das
Personalmarketing stimmen in einer Befragung von mehr als
5.000 Anfängern eines Hochschulstudiums 44% der Aussage zu,
eine Berufung für eine bestimmte Tätigkeit zu haben, ca. 30%
sind auf der Suche nach einer Berufung (Duffy/Sedlacek, 2010,
Kategorien 4 und 5 auf einer Skala von 1-5, ähnliche Ergebnisse
mit einer kleineren Stichprobe bei Hirschi, 2011). Einzelstudien
zeigen zudem, dass eine Berufung positive Auswirkungen auf
Zufriedenheit und Engagement ausübt, sofern die Rahmenbe-
dingungen der Tätigkeit eine Erfüllung der Berufung erlauben.
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 1:
Arbeitssinn in der Personalforschung
Inhaltliche Nähe zu
„Sinn der Arbeit“
Umfang empirischer
Ergebnisse
Meaning
Originäre „Sinn“-Konstrukte
Etabliertes Modell mit „Sinn“-Elementen
Calling
Job-Characteristics
Model
Person-Organization
Fit
Intrinsische
Motivation
CSR
Transformationale
Führung
1...,37,38,39,40,41,42,43,44,45,46 48,49,50,51,52,53,54,55,56,57,...60
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