PERSONALquarterly 1/2016 - page 40

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NEUE FORSCHUNG
_GENDER
O
bwohl hierzulande mehr Frauen als Männer studie­
ren, haben Frauen bisher nur einen geringen Anteil
an Führungspositionen (Wippermann, 2010). Durch
die Einführung der Frauenquote können es sich Un­
ternehmen nicht mehr länger leisten, erstklassig ausgebildete
Frauen auf ihremKarriereweg innerhalb des Unternehmens zu
verlieren. Um im „war for female talent“ bestehen zu können,
haben viele Unternehmen daher Frauenförderprogramme, Di­
versity Manager und/oder Programme zur Vereinbarkeit von
Beruf und Familie eingeführt. Diese Maßnahmen zur Förde­
rung der Geschlechterdiversität (engl.: Gender Diversity) sol­
len in erster Linie dazu dienen, die Karriereperspektiven für
die bereits im Unternehmen tätigen Mitarbeiterinnen zu erhö­
hen. Ob die Einführung dieser Maßnahmen alleine ausreicht,
um die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten zu erfüllen, darf
jedoch bezweifelt werden. Viele Unternehmen verfügen bspw.
nicht über eine entsprechende Anzahl an weiblichen Mitar­
beitern, die sich für Führungspositionen empfehlen. Für diese
Unternehmen erscheint es vielmehr erforderlich, insbesondere
Bewerberinnen in Stellenausschreibungen anzusprechen und
für sie als Arbeitgeber attraktiv zu werden.
Der Aufbau einer positiven Arbeitgebermarke und eine
professionelle Personalrekrutierung, um insbesondere weib­
liche Absolventen zu attrahieren, scheint hier eine zielfüh­
rende Strategie zu sein (Baum & Kabst, 2011). Die bisherige
Forschung fokussierte auf Faktoren, welche die Bewerber­
reaktionen während des Rekrutierungsprozesses beeinflussen
können, wie z.B. das Verhalten des Interviewers, das Image des
Unternehmens oder die Charakteristika der ausgeschriebenen
Stelle (einen Überblick liefert die Metaanalyse von Chapman
et al., 2005).
Bevor jedoch der Rekrutierungsprozess beginnt, kommt der
Stellenanzeige selbst eine besondere Bedeutung zu, denn sie
ist der erste Kontakt zwischen den Bewerberinnen und Bewer­
bern und den Unternehmen und entscheidend für die daraus
resultierende Bewerbungsintention. Es ist erstaunlich, dass in
der Praxis die Wirkung von Stellenanzeigen kaum bekannt ist
und sich die Forschung erst seit Kurzem diesemwichtigen The­
ma widmet. Während im Marketingbereich jeder Slogan und
jedes einzelne Wort einer Werbeanzeige hinsichtlich seiner
Genderspezifische Eigenschaften und
Statements in Stellenausschreibungen
Von
Dr. Silke Göddertz
(T-Systems),
Dr. Rodrigo Isidor
(Universität Paderborn) und
Dr. Marius Wehner
(Universität Paderborn)
Wirkung und Botschaft bewusst ausgewählt wird, lassen Stel­
lenanzeigen eine solche Sorgfalt oft vermissen. Hier werden
stattdessen häufig die gleichen Vorlagen aus der Schublade
gezogen und nur marginale Veränderungen bei der Tätig­
keitsbeschreibung vorgenommen. Wir haben zwei getrennte
Studien durchgeführt, die erste Aufschlüsse darüber geben,
inwieweit Frauen über Stellenanzeigen gezielt angesprochen
werden können.
Zwei Studienansätze
In unserer ersten Studie wurde untersucht, ob sich die Be­
werbungsabsicht durch die Ausgestaltung von genderspezi­
fischen Eigenschaften innerhalb der Stellenanzeige gezielt
beeinflussen lassen kann. Dazu wurden die Auswirkungen
genderspezifischer Persönlichkeitseigenschaften in einer Stel­
lenanzeige auf die Bewerbungsabsicht analysiert, zu denen
Begriffe wie „Teamorientierung“, „Leistungsbereitschaft“ oder
„Kommunikationsfähigkeit“ zählen, die in nahezu jeder Stel­
lenausschreibung von Unternehmen genutzt werden.
Doch wie beeinflussen diese Begriffe die Bewerberreaktion?
Gibt es dabei Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Wenn
bestimmte Begriffe die Bewerberreaktion negativ beeinflussen,
dann gefährdet bereits die Formulierung der Persönlichkeits­
eigenschaften in den Stellenanzeigen die Quantität und Qua­
lität des Bewerberpools, falls sich passende weibliche und
männliche Kandidaten nicht für eine Stelle bewerben.
In unserer zweiten Studie wurde untersucht, inwieweit
Aussagen zu Gender Diversity fördernden Maßnahmen –
wie Frauenförderung, Frauenquote, Diversity Management
und Work-Life-Balance – weibliche Talente attrahieren. Die­
se unterschiedlichen, speziell auf Frauen zugeschnittenen
Programme, haben möglicherweise ein hohes Potenzial, die
wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität bei Frauen zu erhö­
hen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Aussagen zu diesen
Programmen Männer möglicherweise vor einer Bewerbung
zurückschrecken lassen und die Attraktivität als Arbeitgeber
bei Männern sinkt. Des Weiteren ist zu überprüfen, welche
Art von Förderprogrammen von Frauen tatsächlich als positive
Unterstützung aufgefasst wird. Möglicherweise beeinflusst der
kontrovers diskutierte Ruf einer Frauenquote und die damit
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