PERSONALquarterly 1/2016 - page 31

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gibt, nicht jedoch dabei, Communities maßgeschneidert ent-
sprechend der unterschiedlichen Bedürfnisse zu gestalten. Des-
halb wurden in einem dritten Schritt mithilfe einer qualitativen
Interviewstudie insgesamt 26 Teilnehmer aus drei verschiede-
nen organisationalen Innovationscommunities zu ihren Motiva-
tionen und individuellen Werten befragt.
Aufgrund ihres hohen Informationsgehaltes eignen sich
qualitative Daten besonders gut, um quantitative Daten zu er-
gänzen oder zu interpretieren (Miles & Huberman, 1994), wie
es hier der Fall war. Die Hauptdatenquelle waren Interviews,
die in 25 Fällen von Angesicht zu Angesicht und in einem Fall
telefonisch durchgeführt wurden. Bei den Interviews handelte
es sich um sog. semistrukturierte Interviews, die anhand eines
vorab entwickelten, getesteten und angepassten Leitfadens ge-
führt wurden. Alle Interviews wurden von mindestens zwei
Wissenschaftlern durchgeführt, wobei einer hauptverantwort-
lich für das Gespräch war und der andere Notizen aufnahm,
auf die Zeit achtete und Fragen ergänzte, wo es notwendig war.
Die Interviews dauerten im Schnitt ca. 47 Minuten, wurden
aufgezeichnet und im Nachgang wortwörtlich transkribiert
(insgesamt 625 Seiten Interviewtranskripte), um die Qualität
der Datenanalyse zu erhöhen.
Die Interviews wurden anschließend von drei Wissenschaft-
lern anhand eines vorab entwickelten Codebuchs codiert und
analysiert. Die Interviewdaten wurden zudem um weitere Da-
ten (u.a. separat ausgefüllte Fragebögen, Workshop-Beobach-
tungen) ergänzt. So wurden alle 26 Teilnehmer jeweils einer
der vier vorab identifizierten Gruppen zugeordnet. Auf dieser
Basis konnten dann detaillierte Profile der vier unterschied-
lichen Mitarbeitergruppen beschrieben werden und Hand-
lungsempfehlungen abgeleitet werden. Die vier Profile wurden
die „Beziehungs-Menschen“, die „Karriere-Menschen“, die
„Abwechslungs-Menschen“ und die „Ausgeglichenen“ ge-
nannt. Abbildung 3 fasst die Kurzbeschreibungen der vier Pro-
file zusammen.
Implikationen und Handlungsempfehlungen für das
HR-Management von morgen
Ausgangspunkt dieses Artikels war die Beobachtung, dass
Unternehmen zunehmend einem steigenden Innovations- und
Kostendruck ausgesetzt sind und sich Forschung und Praxis
einig sind, dass Unternehmen ihre Innovationsprozesse öff-
nen sollten, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Ein
Instrument, das sich dafür anbietet, sind auf Freiwilligkeit
basierende organisationale Innovationscommunities, die ex-
plizit auf die Bedürfnisse der teilnehmenden Mitarbeiter zu-
geschnitten sind.
An dieser Stelle werden in Kurzform Handlungsemp­
fehlungen gegeben, wie das Human Resource Management
bzw. der Community-Verantwortliche idealerweise die Struk-
turen, Aufgaben und unterstützende Technologie
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einer or-
Quelle: Wendelken (2015)
Abb. 3:
Zusammenfassung der Profile der unter-
schiedlichen Mitarbeitergruppen
Gruppe Nr. 1: Die „Beziehungs-Menschen“
Sie befassen sich vor allem mit Verständnis, Wertschätzung, Toleranz
und Respekt gegenüber anderen Menschen, Traditionen und Kulturen;
sie streben nach Harmonie und Sicherheit, Stabilität und guten Bezie-
hungen. Sie legen außerdem viel Wert auf Spannung, Wettbewerb,
Vergnügen und Kreativität in ihrem täglichen Leben und streben nach
gedanklicher Unabhängigkeit sowie Unabhängigkeit in ihrem Handeln.
Gleich wichtig ist die Demonstration des persönlichen Erfolgs, des sozia-
len Status sowie des Prestiges. Jedoch streben sie nicht nach traditio-
nellen Karrieren.
Gruppe Nr. 2: Die „Karriere-Menschen“
Sie befassen sich vor allem mit der Karriereförderung und der Repu-
tationsverbesserung, indem sie ihr eigenes Wissen signalisieren und
ein professionelles Profil (Selbstmarketing) kreieren. Sie verfolgen
interessante und herausfordernde Aufgaben, wollen Probleme lösen und
erwarten im Gegenzug eine Entschädigung, zum Beispiel Anerkennung
und Entgelt. Jedoch streben sie nicht generell nach Spannung oder
Hedonismus in ihrem Leben.
Gruppe Nr. 3: Die „Abwechslungs-Menschen“
Sie befassen sich vor allem mit einer generellen Spannung, mit
Neuheiten und dem Wettbewerb, aber auch Vergnügen und Genuss im
Leben. Sie legen viel Wert auf Kreativität und gedankliche Unabhän-
gigkeit sowie Unabhängigkeit in ihrem Handeln. Gleich wichtig ist die
Demonstration des persönlichen Erfolgs, des sozialen Status sowie des
Prestiges. Jedoch interessieren sie sich weniger an einer Einbindung in
die Gesellschaft (andere Menschen, Traditionen und Kulturen, Stabilität
und gute Beziehungen), viel mehr sind sie auf sich selbst fokussiert.
Gruppe Nr. 4: Die „Ausgeglichenen“
Hervorstechend ist, dass sie nicht speziell auf einen Wert fokussiert
sind. Vielmehr betrachten sie ein weites Spektrum als gleich wichtig. Sie
befassen sich mit Verständnis, Wertschätzung, Toleranz und Respekt ge-
genüber anderen Menschen, Traditionen und Kulturen; sie streben nach
Harmonie und Sicherheit, Stabilität und guten Beziehungen. Sie sind
außerdem interessiert an der Gesellschaft und an netzwerktechnischen
Aspekten und streben danach, Freunde zu finden. Sie wollen von und
mit anderen lernen, fühlen sich zufrieden, wenn sie anderen helfen.
Weniger wichtig sind Spannung und Unabhängigkeit in ihrem täglichen
Leben. Karriereförderung und Reputationsverbesserung, indem sie ihr
eigenes Wissen signalisieren und ein professionelles Profil (Selbstmar-
keting) kreieren, ist wichtig für sie, jedoch ohne dafür eine Entschädi-
gung zu verlangen, zum Beispiel Anerkennung und Entgelt. Unwichtig
ist außerdem die Demonstration des persönlichen Erfolgs, des sozialen
Status und Prestiges.
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