PERSONALquarterly 1/2016 - page 28

28
PERSONALquarterly 01/16
SCHWERPUNKT
_HRM-TRANSFORMATION
D
ie heutige Unternehmenswelt ist geprägt von stei-
gender Dynamik, erhöhtem Wettbewerbsdruck und
sich ständig wandelnden Kundenanforderungen.
Folglich wachsen sowohl Innovations- als auch Kos­
tendruck auf Unternehmen. Forschung und Praxis sind sich
einig, dass Unternehmen ihre Innovationsprozesse öffnen
sollten, um diesen Herausforderungen zu begegnen (Felin &
Zenger, 2014; West, Salter, Vanhaverbeke & Chesbrough, 2014).
Innovationsprozesse können dabei nach außen geöffnet wer-
den, d.h. Unternehmen kollaborieren mit Akteuren außerhalb
der Unternehmensgrenzen, oder aber auch innerhalb der Un-
ternehmensgrenzen, d.h. Unternehmen beziehen Mitarbeiter
in Innovationsprozesse mit ein, die traditionell nicht an Inno-
vationen beteiligt waren.
Eine sich immer weiter verbreitende Möglichkeit, diese
Mitarbeiter in Innovationsprozesse zu integrieren, sind die
sogenannten organisationalen Innovationscommunities (OIC)
(Bansemir, Neyer, & Möslein, 2012; Wendelken, 2015). Diese
Communities bestehen aus Mitarbeitern, die gemäß ihrer Rol-
len erstmal nicht die Aufgabe haben, Innovationen für das Un-
ternehmen zu generieren (Neyer, Bullinger & Möslein, 2009),
die jedoch ein großes intrinsisches Interesse daran haben, frei-
willig zu einer konkreten, vorab definierten Aufgaben- oder
Problemstellung innovative Lösungen zu entwickeln. Dabei
arbeiten die Mitarbeiter in einer solchen organisationalen In-
novationscommunity auf freiwilliger Basis, sowohl real (z.B.
in Workshops) als auch virtuell (z.B. auf web-basierten Platt-
formen), an der Entwicklung dieser Lösungen. Die Zusam-
menarbeit ist durch ein gemeinsames Ziel, ein gemeinsames
Verständnis und von gegenseitigem Engagement geprägt.
Aktuell konzentrieren sich viele Unternehmen darauf, geeig-
nete Softwarelösung für den Austausch zwischen den Teilneh-
mern bereitzustellen (technisch-getriebener Ansatz). Das heißt,
es werden zwar umfangreiche Werkzeuge für Informationsaus-
tausch und Zusammenarbeit bereitgestellt, aber nicht auf die
Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Menschen abgestimmt,
die damit umgehen müssen. Die soziale Seite des Community-
Aufbaus kommt also oft zu kurz. Aufgrund des freiwilligen Cha-
rakters von organisationalen Innovationscommunities hängt
jedoch der Erfolg oder Misserfolg von den teilnehmenden Mitar-
Maßgeschneiderte organisationale
Communities: Herausforderungen für HRM
Von
Dr. Anke Wendelken, Dr. Sabine Brunner
und
Prof. Dr. Kathrin M. Möslein
(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und
HHL Leipzig Graduate School of Management)
beitern ab. Denn, wenn die Teilnehmer sich nicht wertgeschätzt
fühlen und ihre Erwartungen unerfüllt bleiben, kann das leicht
zu Frustration, negativen Reaktionen, Konflikten und aktivem
Widerstand führen (Gebauer, Füller & Pezzei, 2013).
Deshalb wendet sich dieser Beitrag gegen die Vorstellung,
Unternehmen könnten die teilnehmenden Personen wie bei
Henry Fords Model-T mit einem Community-Ansatz adressie-
ren, der alle gleich behandelt. Stattdessen wird argumentiert,
dass Unternehmen Rücksicht auf die Individualität der Teil-
nehmer nehmen sollten (menschlich-getriebener Ansatz). Ei-
ne Kernherausforderung für Unternehmen, und insbesondere
deren Human Resource Management, ist es demnach, eine
organisationale Innovationscommunity als sozio-technisches
System zu begreifen und aufzubauen, welches die Teilnehmer
in ihrer Unterschiedlichkeit adressiert.
Auf Bedürfnisse zugeschnittene organisationale
Innovationscommunities
Es genügt nicht, die teilnehmenden Mitarbeiter einfach zu
vernetzen, sie als Innovationscommunity zu bezeichnen und
abzuwarten. Vielmehr ist ein professionelles HR-Management
dieser Communities von Bedeutung. Denn gerade aufgrund
der freiwilligen Teilnahme der Mitarbeiter müssen diese stetig
begeistert, überzeugt und ihre Leistung wertgeschätzt werden
(Fleming & Waguespack, 2007). Wenn die Teilnehmer über-
zeugt sind, sie sich und ihre Arbeitsleistung wertgeschätzt
fühlen und ihre Erwartungen erfüllt werden, führt die große
intrinsische Motivation zu erhöhtem Einsatz der Mitarbeiter
und steigert damit die Wahrscheinlichkeit auf herausragende
innovative Lösungen.
Für eine maßgeschneiderte, d.h. auf Bedürfnisse zugeschnit-
tene Innovationscommunity braucht es ein HR-Management im
Sinne eines verantwortlichen Community-Managers, der die
Bedürfnisse verschiedener Mitarbeiter erkennt und versteht,
effektiv mit ihnen zu kommunizieren und ihre Erwartungen
zu adressieren. Jeden einzelnen Teilnehmer/Mitarbeiter dabei
individuell zu adressieren, würde jedoch in enormer Komple-
xität enden. Um die Komplexität zu reduzieren und dennoch
die Teilnehmer in ihrer Vielfalt adäquat zu adressieren, hilft es
verantwortlichen Community-Managern, Teilnehmergruppen
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...60
Powered by FlippingBook