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PERSONALquarterly 01/16
NEUE FORSCHUNG
_FÜHRUNG
Zur Identifizierung eines Token-Effekts, d.h. der Wahr-
nehmung einer kritischeren Beurteilung von Frauen in Füh-
rungspositionen, diente folgende Forschungsfrage: Nimmt die
Generation Y wahr, dass weibliche Führungskräfte kritischer
betrachtet werden als männliche Führungskräfte?
Methode
Es wurde eine standardisierte Online-Befragung durchgeführt.
Die Rekrutierung der Stichprobe erfolgte über das Netzwerk
Facebook und den E-Campus der Hochschule. Die einzige Be-
dingung zur Teilnahme bestand in der Zugehörigkeit zur Al-
terskohorte der Generation Y (Jahrgänge 1980–2000). An der
Befragung beteiligten sich 211 Personen. 158 Fragebögen wa-
ren vollständig ausgefüllt (in die Auswertungen gingen damit
unterschiedliche Teilstichproben ein). Das Alter der Befragten
lag zwischen 15 und 35 Jahren, somit bildet die Stichprobe die
Alterskohorte der Generation Y ab. Das Alter wurde in fünf
Intervallen erfasst, um altersspezifische Differenzierungen in-
nerhalb der Generation Y feststellen zu können.
Studien zeigen, dass bei Befragungen im Internet ein er-
heblicher Anteil der Teilnehmer absichtlich das falsche Ge-
schlecht angibt. Um solche Verzerrungen zu vermeiden,
wurde es den Befragten freigestellt, auf die Frage nach dem
Geschlecht zu antworten. 86 Befragte gaben an, weiblich zu
sein, 34 männlich und 38 Befragte gaben kein Geschlecht an.
In die geschlechtsspezifischen Differenzierungen ging deshalb
eine Stichprobengröße von n=120 ein. Etwa 80% der Befragten
hatten Erfahrungen mit weiblichen Führungskräften.
Zur Erhebung der Eigenschaften der Führungskraft wurde
eine Merkmalsliste erstellt, deren Grundlagen die inkludier-
ten Merkmale folgender Studien waren: die Meta-Studie von
Koenig, Eagly, Mitchell und Ristikari (2011) sowie die Primär-
Studie von Ryan, Haslam, Hersby und Bongiorno (2011) zum
Think-Manager-Think-Male-Phänomen. Folgende Eigenschaf-
ten wurden einbezogen: entschlossen, dominant, schlagfertig,
konsequent, unabhängig, aggressiv, voreilig, streitsüchtig, in-
tuitiv, mitfühlend, kultiviert, taktvoll, gepflegt, verständnisvoll,
bescheiden, ängstlich, arrogant und durchsetzungsfähig.
Zur Erfassung der Idealvorstellungen zur weiblichen Füh-
rungskraft wurden die oben genannten Persönlichkeitsmerk-
male vorgegeben und gefragt: „Welche Eigenschaften sollten
weibliche Führungskräfte besitzen?“ Die Antworten wurden
über eine 5-stufige Ratingskala gemessen, die Antwortmög-
lichkeiten waren: trifft voll zu (1), trifft eher zu (2), teils, teils
(3), trifft eher nicht zu (4), trifft nicht zu (5). In gleicher Weise
wurden die Idealvorstellungen zur männlichen Führungskraft
sowie die wahrgenommenen Persönlichkeitsmerkmale von
weiblichen und männlichen Führungskräften erhoben.
Um den Token-Effekt zu untersuchen, wurde gefragt: „Es
wird angenommen, dass weibliche Führungskräfte „kritischer“
als männliche Führungskräfte beurteilt werden. Inwieweit
trifft das zu?“ Die Antworten wurden ebenfalls über die oben
genannte 5-stufige Ratingskala erhoben. Danach wurde die
vermutete Ursache für die kritischere Beurteilung weiblicher
Führungskräfte erfragt. Mehrfachantworten waren möglich.
Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte über unter-
schiedliche Methoden der Hypothesentestung. Zunächst wur-
den die ermittelten Daten einemMedian-Vergleich unterzogen.
Der Median ist ein spezieller Lageparameter, der genau den
Wert angibt, von dem aus die Hälfte der Daten kleiner oder
gleich und die andere Hälfte der Daten größer oder gleich ist.
Der Median (MD) sagt damit etwas über die zentrale Tendenz
der bewerteten Eigenschaften aus, also was als „typisch“ ange-
sehen wird. Die Idealeigenschaften weiblicher Führungskräf-
te sind: entschlossen und durchsetzungsfähig (MD=1), ferner
schlagfertig, konsequent, unabhängig, intuitiv, mitfühlend,
kultiviert, taktvoll, gepflegt und verständnisvoll (MD=2), wäh-
rend die Eigenschaften voreilig, streitsüchtig, ängstlich und
arrogant als nicht zutreffend für die ideale weibliche Führungs-
kraft gesehen wurden (MD=5). Die Idealeigenschaften von
männlichen Führungskräften sind: entschlossen, konsequent
und durchsetzungsfähig (MD=1), aggressiv, voreilig, ängstlich
und arrogant sollten sie nicht sein (MD=5).
Weibliche Führungskräfte werden von der Generation Y
mit den Eigenschaften konsequent, intuitiv, mitfühlend, ent-
schlossen, kultiviert, taktvoll, gepflegt und durchsetzungsfähig
beschrieben (MD=2), als aggressiv, streitsüchtig und ängst-
lich werden sie eher nicht gesehen (MD=4). Männliche Füh-
rungskräfte werden als entschlossen, dominant, schlagfertig,
konsequent und durchsetzungsfähig wahrgenommen (MD=2),
weniger als bescheiden (MD=5).
Woran kann es liegen, dass weibliche Führungskräfte kritischer
beurteilt werden?
Frauen gelangen eher über Quoten und nicht über Eigeninitiative in
Führungspositionen
Traditionelles Rollenverständnis erschwert es Männern, weibliche
Chefs zu akzeptieren
Frauen sind in Führungspositionen eher seltener und damit auffälliger
für den Betrachter
Mitarbeiter/-innen haben wenig Erfahrung mit Frauen in Führungs-
positionen
Sonstiges:
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Beispielitem zur Erfassung der vermuteten
Ursachen des Token-Effekts
1...,26,27,28,29,30,31,32,33,34,35 37,38,39,40,41,42,43,44,45,46,...60
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