PERSONALquarterly 1/2016 - page 38

38
PERSONALquarterly 01/16
NEUE FORSCHUNG
_FÜHRUNG
nicht sagen“. 25,16% der Befragten antworteten „Absolut nicht,
der Führungsstil hängt nur vom Individuum und nicht vom
Geschlecht ab.“
Weibliche Führungskräfte werden kritischer beurteilt als
männliche Führungskräfte. Dieser Aussage stimmten 34,92%
der Befragten voll zu, 42,06% der Befragten fanden es eher
zutreffend, teilweise zutreffend wählten 15,87% der Befragten,
4,76% der Befragten nehmen dies eher nicht an, für 2,38% der
Befragten trifft dies nicht zu. Hierbei gab es keine signifikanten
Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Woran kann es liegen, dass weibliche Führungskräfte kri-
tischer als männliche Führungskräfte beurteilt werden? Als
Ursache für eine kritischere Beurteilung wurde von 46,15% der
Befragten angegeben, dass „ein traditionelles Rollenverständnis
es Männern erschwert, weibliche Chefs zu akzeptieren“, wäh-
rend 29,91% der Befragten die Token-Effekt-bezogene Erklärung
„Frauen sind in Führungspositionen eher seltener und damit
auffälliger für den Betrachter“ wählten. „Frauen gelangen eher
über Quoten und nicht über Eigeninitiative in Führungspositi-
onen“ sahen 17,09% der Befragten als Grund der kritischeren
Beurteilung. „Dass Mitarbeiter eher wenig Erfahrung mit Frauen
in Führungspositionen haben“, wurde von 6,84% der Befragten
so gesehen. Unter „Sonstiges“ ergänzten die Befragten: fachliche
Qualifikation wird weiblichen Führungskräften nicht zugetraut;
fehlende Selbstdarstellung; Zwang, „ihren Mann“ in einer Män-
nerdomäne zu stehen und Bescheidenheit.
Die Idealeigenschaften von weiblichen und männlichen Füh-
rungskräften wurden von den Befragten der Generation Y sehr
ähnlich bewertet. Dies könnte zwar darauf zurückzuführen
sein, dass sich die Idealvorstellung eines Vorgesetzten auf abs­
trakte Persönlichkeitsmerkmale bezieht und dabei vorrangig
keine geschlechterspezifische Unterscheidung getroffen wird,
allerdings kann dies auch auf einen Wandel der Verknüpfung
von Manager und maskulinen Merkmalen hinweisen. Diese
Annahme wird auch dadurch bestätigt, dass die überwiegende
Mehrheit auf die Frage nach dem Geschlecht der typischen
Führungskraft angab, zwischen männlichen und weiblichen
Führungskräften indifferent zu sein.
Bezüglich des rolleninkongruenten Verhaltens und Backlash-
Effekts konnte belegt werden, dass weibliche Führungskräfte
als durchsetzungsfähig und entschlossen wahrgenommen wer-
den. Diese Wahrnehmung wurde unabhängig vom Geschlecht
oder Alter bestätigt. Ein signifikanter Unterschied in der Wahr-
nehmung zwischen weiblichen und männlichen Führungskräf-
ten konnte nur beimMerkmal „intuitiv“ nachgewiesen werden.
Weiblichen Führungskräften wird Intuition zugeschrieben, im
Gegensatz zu männlichen Führungskräften. Der „typische“
Vorgesetzte wird von der Generation Y nicht mehr ausschließ-
lich männlich gesehen. Für die knappe Mehrheit der Befragten
kann die typische Führungskraft männlich oder weiblich sein.
Die Generation Y ist also ambivalent, jedoch scheint das Think-
Manager-Think-Male-Stereotyp nicht mehr vorzuherrschen.
Dieses Ergebnis kann auch dadurch beeinflusst sein, dass
über 80% der Befragten bereits Erfahrungen mit weiblichen
Führungskräften hatten und damit weibliche Führungskräfte
möglicherweise nicht mehr als Seltenheit betrachten.
Der Token-Effekt wird auch von der Generation Y wahrge-
nommen. Die Ursache hierfür wird nur von einem Fünftel der
Befragten in der wissenschaftlichen Argumentation des Min-
derheitenstatus gesehen. Über ein Drittel der Befragten scheint
davon auszugehen, dass eine kritische Betrachtung weiblicher
Führungskräfte die Folge traditioneller Rollenbilder von Män-
nern ist und damit auch in Rollenerwartungen begründet ist.
Allerdings ist die Angleichung des Verhaltens an das Geschlech-
terstereotyp und den äußeren Druck, sich als Frau rollenkon-
form zu verhalten, genuiner Bestandteil des Token-Effekts.
Praktische Implikationen
Es gibt mehrere Strategien, die Unternehmen nutzen können,
um die negativen Effekte des Think-Manager-Think-Male-Den-
kens, des Backlash- und des Token-Effekts in Bezug auf die
Generation Y auszugleichen. Eine solche Strategie, die bewusst
stereotypbasierte Karrierebarrieren für weibliche High Potenti-
als thematisiert und beseitigt, signalisiert aktives Beziehungs-
management, zerstört die Gläserne Decke innerhalb der Orga-
nisation und eröffnet dadurch Wettbewerbsvorteile im Kampf
um qualifizierte weibliche Führungskräfte. Welche Strategie
geeignet ist, hängt von vielen Kontextfaktoren im Unterneh-
men ab, wie dem Geschlechterverhältnis in der Organisation,
Führungsrichtlinien oder organisationskulturellen Einflüssen.
Die Akzeptanz der Diskriminierung von Frauen und die
Akzeptanz der Existenz der hieraus resultierenden negativen
Effekte sind zur Entwicklung einer Strategie ein notwendiger
erster Schritt, denn die Aktivierung von Stereotypen führt da-
zu, dass sich Mitarbeiter auch stereotypkonform verhalten, sie
passen sich den Erwartungen ihrer Interaktionspartner an.
Wird diesen Erwartungen nicht entsprochen, können Rollen-
konflikte bei weiblichen Führungskräften entstehen, die die
Selbstwirksamkeitserwartungen und das Leistungsverhalten
der Frauen negativ beeinflussen und somit zu Frustrations­
erlebnissen und zu Karrierebrüchen führen können.
Oftmals determinieren und verhindern Stereotype die idea-
le Stellenbesetzung in Unternehmen. Insbesondere Entschei-
dungen über die Besetzung von Führungspositionen, die unter
Zeit- und Informationsmangel getroffen werden, aktivieren
Stereotype. In solchen Selektionsprozessen werden Stereo-
type unbewusst als Entscheidungsgrundlage hinzugezogen.
Bei Bewerberinnen um Führungspositionen kann bereits ein
Backlash-Effekt über die Stellenausschreibungen erzeugt
werden, wenn typische männliche Führungseigenschaften er-
wähnt werden. Stereotype werden umso weniger wirksam, je
konkreter und transparenter die Anforderungskriterien sind.
1...,28,29,30,31,32,33,34,35,36,37 39,40,41,42,43,44,45,46,47,48,...60
Powered by FlippingBook