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PERSONALquarterly 01/16
SCHWERPUNKT
_HRM-TRANSFORMATION
der U.S. Army z.B. vom Wissen der Mitarbeiter, die auch noch
bei einer Freiwilligen Feuerwehr arbeiten, über das Stadtge-
biet, über gewisse Liegenschaften sowie Gebäude und deren
Brandmeldeanlagen. Des Weiteren hat die Feuerwehr der U.S.
Army größere Löschfahrzeuge mit einer größeren Kapazität
für Löschwasser. Bei einem Brand 2008 in einem der größ-
ten Lager für Reifen wie auch gerade erst kürzlich bei einem
Brand auf einem privaten Bauernhof wurden diese Löschfahr-
zeuge zur Unterstützung herangezogen.
Gegenseitiges Lernen
Ein weiterer Mechanismus, der die Resilienz der Organisati-
onen durch multiple Rollen stärken kann, ist gegenseitiges
Lernen. Dies kann auf individueller Ebene geschehen (wovon
die Organisationen selbstverständlich ebenfalls profitieren)
oder direkt auf der Ebene der Organisation. Auf individueller
Ebene ist laut der Interviewpartner zu beobachten, dass die
Mitglieder in beiden Organisationen Schulungen besuchen
können, von denen dann beide Organisationen einen Zuge-
winn haben. Ein Interviewpartner hat berichtet, dass er gera-
de diese Symbiose sehr schätzt, weil er so bereits viel gelernt
hat, was er in der jeweiligen anderen Organisation einbringen
konnte. So hat er z.B. in der Freiwilligenorganisation schon
früh Führungsaufgaben übertragen bekommen, die er später
in seiner hauptberuflichen Tätigkeit nutzen konnte. Dabei hat
er auch darauf hingewiesen, dass er sich gut vorstellen könne,
dass sein Arbeitgeber das sehr schätzt, da er sich im freiwilli-
gen Amt bereits in einem geschützten Rahmen ausprobieren
kann, bevor er solche Tätigkeiten dann auch im Hauptberuf
übernimmt. Deshalb wird er dann auch im Beruf freigestellt,
um an Führungsschulungen teilzunehmen. Umgekehrt er-
wirbt er in seinem Beruf als Logistiker Expertenwissen, das er
wiederum beim THW einbringen kann. Dort wird bspw. eine
Expertendatenbank geführt, in der Fähigkeiten dokumentiert
werden, die insbesondere bei Auslandseinsätzen benötigt wer-
den. Dort konnte der Befragte seine Erfahrung als Logistiker
einbringen, obwohl er die Kenntnisse und Fähigkeiten außer-
halb des THW erworben hat.
Lernen auf organisationaler Ebene erfolgt zunächst auch über
Individuen, aber die Organisationen lernen davon und überneh-
men z.B. Arbeitsweisen oder bestimmte Techniken. Oft hat eine
Organisation einen Wissensvorsprung, den sich andere Orga-
nisationen durch Mitglieder in beiden Organisationen zunutze
machen können. Allerdings ist dies natürlich nur ein Vorteil,
wenn die Wissensweitergabe auch gewünscht ist. So hatte die
Feuerwehr der U.S. Army z.B. schon viele Jahre Erfahrung un-
ter anderem mit Schlauchtragekörben, Hohlstrahlrohren und
Belüftungstechniken, bevor dies auch in den Freiwilligen Feuer-
wehren eingeführt wurde. Da Mitglieder, die in beiden Organi-
sationen tätig sind, bereits damit gearbeitet haben, können sie
dieses Wissen nutzen und anderen helfen, schneller damit um-
zugehen. In der Führungsstruktur gibt es dahingegen Ansätze,
die in den Berufsfeuerwehren und Freiwilligen Feuerwehren in
Deutschland bereits etabliert sind und jetzt auch Einzug in das
System der U.S.-Amerikaner finden.
Steigerung der Motivation von Mitarbeitern
Die bereits erwähnte Fähigkeit, durch multiple Rollen von
beiden Organisationen zu lernen, kann auch die Motivation
der Mitarbeiter steigern und somit die organisationale Resili-
enz anheben. Gerade Schulungen, die Mitglieder in einer Or-
ganisation wahrnehmen, können auch in der anderen, etwa
bei Beförderungen oder Qualifikationsvorhaben, angerechnet
werden und so potenziert sich der Vorteil, den ein Mitglied
hat. Viele Mitarbeiter der U.S. Army haben uns im Gespräch
dargelegt, dass ihre Führungspositionen in der Freiwilligen
Feuerwehr durch die U.S. Army als solche anerkannt wurden.
Somit haben sie Positionen besetzen können, die ansonsten
außerhalb ihrer Reichweite gelegen hätten. Die Feuerwehr der
U.S. Army geht dabei sogar so weit, dass sie fordert, dass je-
der, der bei ihnen eine Führungsposition hat, diese auch im
freiwilligen Amt besetzt. Somit ist Engagement im Ehrenamt
auch im Hauptamt einsetzbar und die Personen werden für
ihre Bereitschaft, sich einzubringen, doppelt belohnt.
Diskussion: Multiple Rollen als eine Grundlage organisatio-
naler Resilienz
Leitgedanke der Studie ist die Erzeugung organisationaler Resi-
lienz durch multiple Rollen im Zuge unterschiedlicher Organi-
sationszugehörigkeiten. Am Beispiel der U.S. Army in Ramstein
konnte illustrativ aufgezeigt werden, dass multiple Rollen aus
Organisationssicht (1) intra- und interorganisationale Vernet-
zung fördern, (2) interorganisationale Nutzung von Ressourcen
begünstigen und (3) interorganisationales Lernen sowie die (4)
Steigerung der Mitarbeitermotivation unterstützen.
Für sich genommen handelt es sich in diesen Fällen keines-
falls um neuartige Phänomene. Dies gilt insbesondere für das
„klassische“ organisationsinterne Personalmanagement. Dort
sind Fragestellungen der Vernetzung, des individuellen oder
organisationalen Lernens und insbesondere auch der Mitarbei-
termotivation tradierte Handlungsfelder. Betrachtet man indes
interorganisationale Konstellationen, etwa Dyaden, wie bspw.
Joint Ventures oder Netzwerke, die aus drei oder mehr Orga-
nisationen bestehen, so sind dahingehend bis dato kaum kon-
krete personalwirtschaftliche Ansätze zu konstatieren, die für
die Besonderheiten der Aktivitäten von Boundary Spannern
bzw. Personen mit multiplen Rollen- und Organisationszugehö-
rigkeiten sensibel sind (Braun et al., 2012; Sydow et al., 2016).
Wie aufgezeigt betrifft dies insbesondere die Schnittstelle zu
Freiwilligenorganisationen – eine klassische Domäne in der
Forschung und Praxis des Public Management, welche jedoch
die personalwirtschaftliche Dimension von Freiwilligenarbeit
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