PERSONALquarterly  03/17
        
        
          44
        
        
          
            STATE OF THE ART
          
        
        
          _ BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT
        
        
          zeigen einen Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung
        
        
          und subjektiver Gesundheit. Personen, die eine hohe positive
        
        
          soziale Unterstützung bei der Arbeit erhielten, gaben einen
        
        
          etwa doppelt so hohen subjektiven Gesundheitszustand an
        
        
          als Personen, die von einer geringen sozialen Unterstützung
        
        
          berichteten (OR=1.46). Auf die überdurchschnittlich hohe An-
        
        
          zahl an Krankheitstagen bei psychischen Erkrankungen wur-
        
        
          de oben schon hingewiesen. Haveraaen und Kollegen (2016)
        
        
          gingen in einer dreimonatigen Längsschnittstudie mit 251
        
        
          norwegischen Arbeitnehmern der Frage nach, inwieweit ei-
        
        
          ne positive betriebliche Wiedereingliederung nach einer län-
        
        
          geren krankheitsbedingten Abwesenheit durch psychosoziale
        
        
          Arbeitsbedingungen beeinflusst werden kann. Die Ergebnisse
        
        
          zeigen, dass bei einer längerfristigen krankheitsbedingten Ab-
        
        
          wesenheit die Arbeitsplatzgestaltung (niedrige psychologische
        
        
          Arbeitsanforderungen (OR = 0,4)) sowie die soziale Umgebung
        
        
          (hohe Unterstützung von Kollegen (OR = 3,4) und Vorgesetzten
        
        
          (OR = 3,9) einen positiven Einfluss auf eine erfolgreiche Wie-
        
        
          dereingliederung aufweisen. Kollegen kommt somit eine we-
        
        
          sentliche Rolle bei der erfolgreichen Wiedereingliederung zu.
        
        
          
            Business Cases im Gesundheitsmanagement?
          
        
        
          Das Personalmanagement steht gemeinhin unter dem Druck,
        
        
          seine Maßnahmen zu begründen, möglichst mithilfe quantita-
        
        
          tiver Business Cases. Gerade das betriebliche Gesundheitsma-
        
        
          nagement scheint sich für eine solche quantitative Betrachtung
        
        
          anzubieten, auch weil in der Literatur zahlreiche Beispiele und
        
        
          Vergleichszahlen angeboten werden. In ihrem Standardwerk
        
        
          zum Nachweis der finanziellen Benefits personalwirtschaft-
        
        
          licher Maßnahmen widmen Cascio und Boudreau (2010) dem
        
        
          Gesundheitsmanagement ein weiteres ganzes Kapitel neben
        
        
          der Kostenbetrachtung von Absentismus.  In einer Metastudie
        
        
          (aus 22 Einzelstudien) ermittelt Baicker mit Kollegen (2010)
        
        
          für jeden investierten Dollar Ersparnisse von durchschnittlich
        
        
          3,27 Dollar aus Gesundheitskosten und weiteren 2,73 Dollar
        
        
          aus der Reduktion des Krankenstands. Ähnliche Ergebnisse
        
        
          ermittelte Steven Aldana (2001) sowie Conn et al. (2009).  Der
        
        
          Return on Investment liegt somit deutlich im Bereich dreistel-
        
        
          liger Prozentwerte, wobei jedoch die Ergebnisse wegen der Un-
        
        
          terschiede in der Finanzierung des Gesundheitswesens nicht
        
        
          vollständig auf Deutschland übertragbar sind.
        
        
          Es wäre nun sehr einfach, die oben aufgeführten durch-
        
        
          schnittlichen Einspareffekte aus wissenschaftlichen Analysen
        
        
          als quantitative Business Cases in Entscheidungsvorlagen zu
        
        
          nutzen. Trotz der durchgängig positiven Auswirkungen von
        
        
          BGM-Maßnahmen würden wir aus folgenden Gründen vor ver-
        
        
          einfachenden Darstellungen warnen:
        
        
          1. Die ROI-Berechnung blieb in weiten Teilen nicht budget
        
        
          relevant, da eine vollständige Zuweisung auf einzelne Budget-
        
        
          positionen nicht möglich ist: Die entgangenen Gewinne durch
        
        
          Krankenstand werden bspw. nicht budgetiert. Der scheinbare
        
        
          Widerspruch zwischen errechneten und nachweisbaren Ein-
        
        
          sparungen kann die Akzeptanz senken.
        
        
          2. Die Wirkzusammenhänge sind sehr vielfältig und kom-
        
        
          plex, neben direkten wirken auch indirekte Zusammenhänge.
        
        
          Diese Komplexität ist in Entscheidungsvorlagen, die auf einen
        
        
          rechnerischen ROI abzielen, nicht darstellbar. Untersuchungen
        
        
          zum Entscheidungsverhalten zeigen, dass unter solchen Bedin-
        
        
          gungen ROI-basierte Empfehlungen weniger oft angenommen
        
        
          werden als Empfehlungen auf Basis qualitativer oder interme-
        
        
          diärer Zielgrößen wie Krankenstand, Mitarbeiterzufriedenheit
        
        
          etc. (Latham/Whyte, 1994). Entscheidungsträgern scheint es
        
        
          wichtiger zu sein, die Zusammenhänge zu verstehen und plau-
        
        
          sibilisieren zu können, als dass sie unbedingt eine aggregierte
        
        
          betriebswirtschaftliche Kenngröße erwarten.
        
        
          Stattdessen schlagen wir vor, die wissenschaftlichen Befunde
        
        
          zur Unterstützung der Entscheidungsfindung zu nutzen. Er-
        
        
          gänzend können unternehmensspezifische Effektivitätsstudien
        
        
          durchgeführt werden, die i.d.R. im Management eher akzeptiert
        
        
          werden als allgemeine wissenschaftliche Studien. Das genaue De-
        
        
          sign ist stark von Fragestellung und Umsetzungsmöglichkeiten
        
        
          im Unternehmen abhängig (vgl. Biemann et al. in diesem Heft,
        
        
          Seite 8ff). ImOptimalfall kann man imUnternehmen einigenMit-
        
        
          arbeitern die Maßnahme zur Stressprävention anbieten (Experi-
        
        
          mentalgruppe), während eine andere vergleichbare Gruppe diese
        
        
          nicht bekommt (Kontrollgruppe), um so den Effekt abzuschätzen.
        
        
          Ergibt sich dabei z.B., dass in der Experimentalgruppe im Ver-
        
        
          gleich zur Kontrollgruppe die Fehlzeiten um zwei Tage pro Jahr
        
        
          reduziert werden konnten, lässt sich hieraus die ökonomische
        
        
          Vorteilhaftigkeit der Maßnahme ableiten. Dazu müssen die durch
        
        
          das Training entstandenen Kosten dem Nutzen (hier: Reduzie-
        
        
          rung der Fehlzeiten) gegenübergestellt werden. Bspw. könnten
        
        
          interne Berechnungen ergeben, dass pro Tag und Mitarbeiter
        
        
          durch Fehlzeiten Kosten von 300 Euro entstehen. Die Maßnahme
        
        
          ist dann (und nur dann) als positiv zu bewerten, wenn die Kosten
        
        
          pro Mitarbeiter geringer sind als der Nutzen durch die Folgen der
        
        
          Maßnahme, im Beispiel also über die Reduktion von zwei Fehl-
        
        
          tagen Kosten von höchstens 600 Euro pro Mitarbeiter entstehen.
        
        
          Dieser Schritt ist in der Praxis je nach Kontext umfangreicher
        
        
          als hier dargestellt, kann aber selbst bei einfachen Schätzungen
        
        
          zusammen mit Sensitivitätsanalysen wichtige Erkenntnisse zur
        
        
          Sinnhaftigkeit einer Maßnahme generieren.
        
        
          
            Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
          
        
        
          3
        
        
          Ein positives soziales Umfeld amArbeitsplatz hat direkte Aus-
        
        
          wirkungen auf die mentale Gesundheit und das psychische
        
        
          Befinden von Mitarbeitern. Wird die Eigenschaft dieser ar-
        
        
          beitsbezogenen Ressource im Unternehmen verstanden und
        
        
          gestärkt, lassen sich Belastungen und Beanspruchungen von
        
        
          Mitarbeitern positiv beeinflussen.
        
        
          3
        
        
          Insbesondere im Rahmen von Wiedereinstiegsangeboten
        
        
          zeigt sich ein positiver Einfluss durch Kollegen, wenn es