PERSONALquarterly 3/2017 - page 52

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_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 03 /17
Schädigendes Verhalten verhindern
Professor Bernd Marcus schöpft aus der Theorievielfalt. Denn der Wirtschaftspsycho­
loge möchte organisationale Phänomene ohne ideologische Scheuklappen verstehen.
Ruth Lemmer,
Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg
P
rofessor Bernd Marcus lehrt und forscht seit Okto­
ber 2016 an der Universität Rostock. Sein Wechsel
von der Fernuniversität Hagen (FU Hagen) am Rande
des Ruhrgebiets in die Hansestadt an der Ostsee ist
nicht nur einer, bei dem es viele Kilometer mit einer sechs­
stündigen Bahnfahrt zu überwinden gilt. Es ist auch einer,
der die Arbeitsweise des Wirtschaftspsychologen in der Lehre
komplett auf den Kopf stellt. Bei den Kultur- und Sozialwis­
senschaftlern an der FU unterrichtete der Hochschullehrer
16.000 Studierende in ihren langen Online- und punktuellen
Präsenzphasen. Die Betreuung von mehr als 50 Abschluss­
arbeiten pro Semester in seinem Fach Arbeits- und Organisati­
onspsychologie war keine Seltenheit. Jetzt baut der 53-Jährige
den Lehrstuhl Organisations- und Personalpsychologie in der
Allgemeinen Betriebswirtschaft auf und traf in seinem ersten
Wintersemester auf 400 Anfänger im Bachelor-Studiengang.
Neben BWL-Studierenden sitzen auch Wirtschaftsingenieure
und -pädagogen in seinen Einführungsveranstaltungen. Später
kommen zwei Module Arbeits- und Organisationspsychologie
hinzu und im Master Dienstleistungsmanagement. „Die fri­
schen G8-Abiturienten stellen einen vor ganz andere pädago­
gische Anforderungen als die meist älteren Studierenden an
der Fernuniversität, die schon Lebenserfahrung haben und
parallel im Beruf stecken“, sagt Professor Marcus – und klingt
neugierig auf seine jungen Leute.
Internationale Metaanalyse zum Verhalten
Das Verhalten von Menschen beschäftigt ihn schon rund 30
Jahre. Bernd Marcus wurde 1964 in Frankfurt am Main gebo­
ren, zog mit seinen Eltern über Offenbach nach Stuttgart und
blieb nach dem Abitur erst einmal in Baden-Württemberg. An
der Universität Hohenheim, die nicht nur für ihren Schloss­
park, sondern auch für ihre unternehmenspraktische Psycho­
logie bekannt ist, studierte Marcus Wirtschaftswissenschaften
und wählte den Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie. Seine
Diplomarbeit schrieb der Ökonom über kontraproduktives Ver­
halten. „Dieses Thema verfolgt mich bis heute“, erzählt er – und
es hört sich an, als seien seine Forschungsfragen noch lange
nicht beantwortet oder es würden ihm immer neue dazu einfal­
len. Aktuell arbeitet der Wissenschaftler an einer Metaanalyse
von über 1.000 internationalen Studien zum kontraproduk­
tiven Verhalten im Arbeitsleben, einem Drittmittelprojekt, das
von der kanadischen Forschungsförderung Social Sciences and
Humanities Research Council SSHRC unterstützt wird.
Zu seiner frühen und dauerhaften Schwerpunktfindung
mag es beigetragen haben, dass der junge Wissenschaftler am
Lehrstuhl für Psychologie in Hohenheim Wissenschaftlicher
Mitarbeiter wurde. Denn zu den berufsdiagnostischen The­
men dort passte es, genau zu eruieren, ob kontraproduktives
Verhalten im Betrieb schon im Prozess der Personalauswahl
vorhersehbar ist. Der Wirtschaftspsychologe entwickelte in
Deutschland den ersten Integritätstest, der eine Prognose
über schädigendes Verhalten von Bewerbern verspricht. „Die
Ursachen können in der Person und in der Arbeitssituation
liegen“, sagt Bernd Marcus. „Wie diese beiden Faktoren zu­
sammenwirken, gilt es zu untersuchen.“ Dabei geht es nicht
immer um Diebstahl, Sabotage oder andere kriminelle Hand­
lungen, die es im Bewerbungsprozess zu prognostizieren gilt.
Auch Aggression durch das Mobbing von Arbeitskollegen
oder Selbstschädigung, Absentismus oder die Missachtung
von Sicherheitsregeln, üble Gerüchte über den Arbeitgeber in
die Welt zu setzen oder Kunden durch illoyale Aktionen zu
vergraulen sind Ausprägungen schädigenden Verhaltens, zu
dem der Integritätstest im Bewerbungsverfahren Aussagen zu
machen sucht. Denn die Einstellung solcher Mitarbeiter zu
verhindern, ist eine Möglichkeit zur Prävention. Dies wird um­
so wichtiger, da Kooperation mit Kollegen, Vorgesetzten und
Kunden in der modernen Unternehmenswelt genauso erwartet
wird wie sachliche Reflexion der eigenen Leistung. „Es ist lang­
fristig weder gut für die Mitarbeiter noch für die Firmen, wenn
sich im Verborgenen schädigendes Verhalten breitmacht“, so
Marcus, der 2000 in Hohenheim mit seinen Erklärungsan­
sätzen über das kontraproduktive Verhalten zum Doktor der
Ökonomie promovierte.
Dosierte Selbstdarstellung zeigt Motivationsgrad
Im Anschluss forschte der Wirtschaftspsychologe ein Jahr an
der Universität Tübingen, wechselte dann aber in die Privat­
wirtschaft: In Berlin leitete er die Personal- undMarktforschung
in einem Online-Institut – bis es ihn doch wieder zu Forschung
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