PERSONALquarterly 3/2017 - page 46

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 03/17
D
irk Sliwka und Peter Werner untersuchen in der
vorliegenden Studie, wie sich Lohnsteigerungen
auf den Arbeitseinsatz von Arbeitnehmern auswir-
ken. Eine oft gebrauchte Hypothese – die mehr auf
einem Bauchgefühl als auf wissenschaftlichen Evidenzen be-
ruht – ist, dass eine Erhöhung des Lohns sich zunächst positiv
auf den Arbeitseinsatz auswirkt, jedoch unter Umständen
nicht sehr persistent ist, also der positive Einfluss mit der
Zeit wieder abnimmt. Der Arbeitnehmer gewöhnt sich an sein
Lohnniveau.
Diesem Argument gehen Dirk Sliwka und Peter Werner
in ihrem Laborexperiment nach. Unter den Teilnehmern an
der Untersuchung wurden zufällig Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer ausgewählt und Zweiergruppen mit je einem Ar-
beitgeber und einem Arbeitnehmer gebildet. Nach dieser
zufälligen Auswahl, aber bevor die Arbeitnehmer mit der
Arbeit begannen, wählte der zugehörige Arbeitgeber aus
vier verschiedenen Lohnprofilen ein Lohnprofil für seinen
Arbeitnehmer aus. Die Lohnprofile bestimmten den Lohn für
den Arbeitnehmer in allen (insgesamt acht) Arbeitsperioden
und waren nach der Entscheidung nicht mehr anpassbar. Ein
Kontroll-Lohnprofil zahlte dabei den gleichen Lohn über alle
acht Runden aus. In den anderen drei Lohnprofilen kam es
mit der Zeit jeweils zu Lohnsteigerungen. Diese variierten in
ihrem Zeitpunkt und Umfang. Ein Lohnprofil bestand aus ei-
ner kontinuierlichen kleineren Steigerung nach jeder Perio-
de. Unter dem zweiten Lohnprofil erfolgte die Lohnsteigerung
sukzessive mit etwas größeren Lohnsprüngen nach ein bis
zwei Perioden. Im letzten Lohnprofil wurde die Lohnsteige-
rung plötzlich und einmalig nach vier Perioden durchgeführt,
dafür aber in einem größeren Umfang. Die Arbeitnehmer
erfuhren ihren Lohn immer erst vor einer Arbeitsperiode
für eben diese (und nur diese) Periode und mussten dann an
einer simplen und langweiligen Computeraufgabe arbeiten.
Die geleistete Arbeit führte dabei zu einer Erhöhung der Aus-
zahlung des Arbeitgebers.
Die experimentellen Resultate bilden sehr gut die allgemein
verbreitete Annahme darüber ab. Eine Lohnsteigerung führte
auch zu mehr Arbeitseinsatz in der folgenden Periode, also
zu mehr bearbeiteten Aufgaben. Ein gleichbleibender Lohn
Lohnsteigerungen zum
richtigen Zeitpunkt
Dirk Sliwka
(Universität zu Köln) &
Peter Werner
(Maastricht
University): Wage Increases and the Dynamics of Reciprocity.
Journal of Labor Economics, 2017, 35(2), pp. 299-344.
hingegen führte zu einem Rückgang des Arbeitseinsatzes,
selbst wenn der Lohn immer noch über dem Anfangslohn in
der ersten Arbeitsperiode lag. Außerdem scheint es nicht die
absolute Höhe der Lohnsteigerung zu sein, die den Arbeitsein-
satz der Arbeitnehmer erhöht, sondern vielmehr der Anreiz,
der von einer Lohnsteigerung ausgeht, ganz unabhängig von
ihrer Höhe. Dies führt dazu, dass insgesamt die meisten Auf-
gaben unter dem Lohnprofil bearbeitet wurden, welches kon-
tinuierlich in jeder Periode den Lohn um ein kleines bisschen
erhöhte. Eine einmalige größere Lohnsteigerung wird in der
folgenden Periode als besonders großzügig wahrgenommen,
ist in späteren Perioden aber schon wieder „normal“. Ein wich-
tiger Bestandteil hierbei ist, dass die Experimentsteilnehmer
ihren Lohn immer erst vor der nächsten Arbeitsperiode erfah-
ren haben, aber über das gesamte Lohnprofil in Unkenntnis
gelassen wurden. Erfuhren die Experimentsteilnehmer ihr
gesamtes Lohnprofil schon vor der ersten Arbeitsperiode, war
der Arbeitseinsatz in allen folgenden Perioden nicht größer
als unter einer gleichbleibenden Lohnzahlung. Der Impuls,
der aus der Lohnerhöhung resultiert, geht somit verloren,
sobald Arbeitnehmer diesen antizipieren können.
Die Autoren zeigen mit ihrem Laborexperiment, dass ei-
ne Lohnsteigerung zum richtigen Zeitpunkt einen großen
Einfluss auf den Arbeitseinsatz haben kann. Eine mögliche
Implikation aus den Ergebnissen der Studie ist, dass es unter
bestimmten Umständen durchaus von Vorteil sein kann, eine
größere Lohnsteigerung in mehrere kleinere aufzuteilen und
über einen längeren Zeitraum zu verteilen, um den positiven
Effekt der Lohnsteigerung auf den Arbeitseinsatz der Arbeit-
nehmer länger aufrechtzuerhalten.
Besprochen von
Timo Vogelsang
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
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