PERSONALquarterly 03/17
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STATE OF THE ART
_ BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT
S
eit 2016 können Beschäftigte der Bundeswehr bis zu
zwei Stunden pro Woche während der Arbeitszeit an
Gesundheitskursen teilnehmen. Die Maßnahme ist
Teil eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsma-
nagements (BGM), das wiederum in ein Gesamtkonzept zur
Steigerung der Arbeitgeberattraktivität eingebettet ist. Die Rüge
durch den Bundesrechnungshof erfolgte im April 2017. Er be-
mängelt die unzureichende Berücksichtigung der Kostenseite
und rechnet vor, dass der Arbeitsausfall 3.300 Vollzeitstellen
entspricht, wenn jeder fünfte Beschäftigte das Angebot nutzt.
„Ohne Kostenermittlung bleibt offen, ob Gesundheitskurse die
wirtschaftlich vorteilhafteste Möglichkeit sind, Arbeit, Organi-
sation und Verhalten in der Bundeswehr gesundheitsförderlich
zu gestalten und die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern“
(Bundesrechnungshof, 2017). Dieses prominente Beispiel zeigt
das grundlegende Dilemma des betrieblichen Gesundheitsma-
nagements: Einerseits gibt es inzwischen eine Vielzahl von
Belegen der Effektivität von Gesundheits- und Interventionspro-
grammen (Conn et al., 2009; Goetzel/Ozminkowski, 2008; La-
Montagne et al., 2007). Andererseits hemmen – grundsätzlich
gerechtfertigte – Kostenargumente den tatsächlichen Einsatz.
Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses wollen
wir uns zunächst der Frage zuwenden, welche Folgen gesund-
heitliche Beeinträchtigungen haben. Wir fokussieren dabei
wegen der zunehmenden Bedeutung auf psychologische Beein-
trächtigungen bzw. Stress: Das National Institute of Occupatio-
nal Safety and Health (1999) kommt auf Basis unterschiedlicher
Befragungsergebnisse zu dem Schluss, dass zwischen 26% und
40% aller Befragten am Arbeitsplatz Stress erleben. Laut der
Stressstudie der Techniker Krankenkasse (2013) fühlen sich
70% aller befragten Berufstätigen gestresst, 40% der Berufs-
tätigen fühlen sich erschöpft und der am häufigsten genannte
Grund für das Stresserleben der Deutschen war Stress am Ar-
beitsplatz. Grob geschätzt hängen 50% bis 60% aller Fehlzeiten
in Europa mit erlebtem Stress zusammen (Cox et al., 2000). Im
Anschluss daran beleuchten wir die Rolle von Kollegen detail-
lierter. Wir schließen mit einer Diskussion von Ansätzen der in-
nerbetrieblichen Argumentation von Gesundheitsprogrammen.
Von
Dr. Armita Atabaki
(BASF),
Prof. Dr. Thomas Olbrecht
(FOM Bonn und EuPD Research) und
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(FOM Bonn)
Psychische Erkrankungen und BGM
Betriebliches Gesundheitsmanagement kann zum Unternehmenserfolg beitragen,
muss aber betriebswirtschaftlich begründet werden.
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Cascio/Boudreau (2010)
Abb. 1:
Grundmodell zur Bewertung von Interventionen im Rahmen des BGM
Organisationsebene
Fehlzeiten
Unternehmens-
wechsel
Mitarbeiter-
wohlbefinden
Interventionsprogramme
Arbeits-
bindung
Stress am Arbeitsplatz
Individualebene
erwartete Folgen
Maßnahmen