PERSONALquarterly 2/2015 - page 47

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Effekte leichter ist. Der auf die Vertrauensarbeitszeit zurück-
zuführende höhere Arbeitseinsatz beträgt durchschnittlich ca.
1,5 Stunden pro Woche (Beckmann/Cornelissen, 2014) und auf
Firmenebene ist eine leicht erhöhte Profitabilität beobachtbar
(Beckmann/Hegedüs, 2011). Die Befürchtung der Arbeitgeber,
dass Home Office und Vertrauensarbeitszeit zu geringerem
Arbeitseinsatz führen, lässt sich somit nicht unterstützen. Glei-
chermaßen kommt es auch nicht, wie von Arbeitnehmerver-
tretern unterstellt, zu einer umfassenden Selbstausbeutung,
da die Arbeitszufriedenheit zunimmt (Hanglberger, 2010).
Vielmehr dürften beide Seiten profitieren, die Arbeitgeber aus
dem höheren Arbeitseinsatz und die Arbeitnehmer wegen der
gewonnenen Zeitautonomie.
Auswirkungen auf Beziehungen zu Mitarbeitern und
Vorgesetzten
Eine häufig geäußerte Kritik an Home-Office-Angeboten be-
steht in der vermuteten Verschlechterung der Beziehungen
zu Kollegen und Vorgesetzten. Durch die verringerte direkte
Interaktion reduziere sich die soziale Bindung, was zu einer
Verschlechterung des Arbeitsklimas führe. Dieser Effekt lässt
sich empirisch nicht nachweisen (Gajendran/Harrison, 2007):
Im Durchschnitt ist die Beziehungsqualität gegenüber Vorge-
setzten bei Heimarbeitern sogar leicht erhöht und gegenüber
Kollegen unverändert. Allerdings ist ein negativer Effekt auf
die Beziehungsqualität gegenüber Kollegen beobachtbar, wenn
die Arbeit vollständig oder überwiegend von zu Hause erfolgt
(high intensity telecommuting). Dieser Befund beruht zwar
innerhalb der Metastudie auf einem kleinen Untersuchungs-
umfang, weiterführende Einzelstudien (z.B. Virick et al., 2010)
unterstützen jedoch diesen Befund: Überwiegende Home-
Office-Tätigkeit führt zur Reduktion sozialer Interaktion mit
Kollegen, erhöht die wahrgenommene Isolation und reduziert
letztlich die Arbeitszufriedenheit. Aus Beschäftigtenperspekti-
ve liegt das Optimum an Arbeitsortflexibilität somit zwischen
den Extremen.
Einfluss auf die erlebte Selbstbestimmung und
Work-Life-Balance
Home-Office-Angebote werden heute in der Regel über die
daraus resultierende bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und
Familien- bzw. Privatleben begründet. Gajendran und Har-
rison (2007) testen, über welchen Weg die positiven Effekte
auf Produktivität und Arbeitszufriedenheit entstehen. Die Re-
duktion von Konflikten zwischen Arbeits- und Familienleben
hat eine positive, aber schwache Bedeutung. Wichtiger als die
Work-Life-Balance ist die selbst erlebte Autonomie (Gajendran
/Harrison, 2007), d.h., die positiven individuellen und organi-
sationalen Effekte treten dann auf, wenn sich die Beschäftigten
als selbstbestimmt wahrnehmen. Die Bedeutung der Autono-
mieerfahrung als Mediator hat unmittelbare Implikationen für
den Führungsstil: Das Arbeiten in Home Offices ist nur dann
effektiv, wenn die fehlende direkte Interaktion zwischen Mitar-
beiter und Vorgesetztem nicht mit zusätzlichen Kontrollen des
Tätigkeitsvollzugs verbunden wird, sondern sich die Führung
hier auf die Arbeitsergebnisse konzentriert.
Die in der aktuellen politischen Diskussion besonders her-
vorgehobenen Gruppen erwerbstätiger Mütter und Familien
profitieren somit nicht überproportional von vertrauensbasier-
ter Arbeitsgestaltung. Vielmehr lassen sich keine Unterschiede
in der Arbeitszufriedenheit zwischen Männern und Frauen
sowie zwischen Beschäftigten mit und ohne Familie feststel-
Abb. 1:
Zusammenhänge zwischen Home Office und Erfolgsgrößen
Quelle: Vereinfachte Darstellung auf Basis von Gajendran/Harrison (2007)
Home Office
Wahrgenommene Autonomie (0,22)
Arbeitszufriedenheit (0,10)
Produktivität (0,01)
Kündigungsneigung (-0,10)
Stress (-0,13)
Reduktion Konflikte zwischen Arbeits-
und Privatleben (0,13)
Erfolgsgrößen
Wirkung über
1...,37,38,39,40,41,42,43,44,45,46 48,49,50,51,52,53,54,55,56,57,...60
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