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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 02/15
D
ie durchschnittliche Beschäftigungsdauer hat in
den letzten Jahrzehnten – wenn auch weniger, als
gemeinhin angenommen wird – abgenommen. Der
Trend weg von der traditionellen, lebenslangen in-
ternen Karriere hin zu selbstbestimmten („proteischen“) und
organisationsübergreifenden („grenzenlosen“) Karrieremodel-
len, insbesondere bei hochqualifizierten Fach- und Führungs-
kräften, eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, die Belegschaft
flexibler als je zuvor zahlenmäßig und strukturell an sich än-
dernde Marktbedingungen anzupassen. Gleichzeitig erfordern
technologische Fortschritte und der steigende internationale
Wettbewerb eine hohe Flexibilität bei der Rekombination or-
ganisationaler Ressourcen wie bspw. dem Humankapital, um
langfristig im Wettbewerb bestehen zu können. Die gezielte,
flexible Anpassung der Belegschaft an sich ändernde Markt-
bedingungen kann dabei als Möglichkeit gesehen werden,
kurzfristige Profite zu generieren. Andererseits lassen sich
zahlreiche Argumente anführen, weshalb eine stabile Beleg-
schaft, die allenfalls langsam und ebenmäßig vergrößert oder
verringert wird, langfristig betrachtet die profitablere Alter-
native darstellt. Arbeitsplatzsicherheit, die mit einer stabilen
Belegschaft signalisiert wird, hat positive Auswirkungen auf
die Jobzufriedenheit und das Commitment demArbeitgeber ge-
genüber. Langfristige Beschäftigungsverhältnisse erleichtern
es zudem, firmenspezifisches Human- und Sozialkapital (bspw.
Kunden- und Partnerkontakte) aufzubauen und zu erhalten.
Ji, Guthrie und Messersmith vergleichen diese beiden An-
sätze mit dem Verhalten der Schildkröte und des Hasen aus
Aesops gleichnamiger Fabel: langsam, aber stetig vs. schnell,
aber unbeständig. Ob sich der eine oder der andere Ansatz vor-
teilhaft bzw. nachteilig auf die Unternehmensleistung auswirkt,
kann theoretisch nicht abschließend geklärt werden. Jedoch
argumentieren Ji und Kollegen, dass weder extrem stabile noch
extrem instabile Belegschaften mit einer hohen Unternehmens-
leistung einhergehen sollten: Ein gewisses Maß an Fluktuation
muss in Kauf genommen werden, um Arbeitnehmer, die sich
aufgrund ihrer Leistung, Einstellungen, Werte etc. als unge-
eignet für das Unternehmen herausstellen, freizusetzen. Eine
Schildkröte, Hase und die
Stabilität der Belegschaft
Yong-Yeon Ji
(College of Business and Economics, Towson
University),
James P. Guthrie
(School of Business, Universi-
ty of Kansas) &
Jake G. Messersmith
(College of Business &
Technology, University of Nebraska at Kearney). „The tortoise
and the hare: the impact of employment instability on firm
performance“. Human Resource Management Journal, Vol. 24,
No. 4, pp. 355-373.
extrem hohe Fluktuation wiederum würde Loyalität und Com-
mitment der verbleibenden Arbeitnehmer zum Unternehmen
sowie wertvolles Human- und Sozialkapital gefährden.
Auf Basis einer Stichprobe von US-amerikanischen Unter-
nehmen diverser Branchen finden Ji und Kollegen heraus, dass
der Zusammenhang zwischen der Stabilität der Belegschaft (ge-
messen anhand der Variation der Mitarbeiterzahl über einen
Zeitraum von fünf Jahren hinweg) und der Unternehmensleis-
tung (gemessen anhand der Gesamtkapitalrentabilität) einem
umgekehrt u-förmigen Zusammenhang folgt: Liegt die Variati-
on der Mitarbeiterzahl auf einem niedrigen Niveau, wirkt sich
zusätzliche Variation positiv auf die Gesamtkapitalrentabilität
aus, welche bei mittlerer Volatilität maximal ist, mit weiter stei-
gender Variation aber wieder sinkt. Interessanterweise zeigt
sich, dass die Variation der Mitarbeiterzahl in Branchen mit
weitgehend standardisierten Produkten und Produktionsprozes-
sen grundsätzlich mit einer hohen, in F&E-intensiven Branchen
mit unstandardisierten Produkten jedoch mit einer geringen
Gesamtkapitalrendite einhergeht. Die Autoren erklären dies mit
der jeweils unterschiedlichen Bedeutung von firmen- und bran-
chenspezifischem Human- und Sozialkapital sowie der damit
verbundenen Austauschbarkeit von Arbeitskräften.
Aus den Ergebnissen der Studie ergibt sich die Implikation,
dass Unternehmen die Belegschaft zwar in moderatemUmfang
an sich ändernde Markterfordernisse anpassen sollten, jedoch
ohne den damit verbundenen Verlust an Human- und Sozialka-
pital sowie die Gefährdung von Loyalität und Commitment der
Belegschaft zu unterschätzen.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs,
Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
Corporate Responsibility
und Produktivität
Mirco Tonin
(University of Southampton) &
Michael Vlassopou-
los
(University of Southampton):
Corporate Philanthropy and
Productivity: „Evidence from an Online Real Effort Experiment”.
Management Science, forthcoming.
E
ine wachsende Anzahl von Unternehmen (und For-
schern) beschäftigt sich mit der Frage, welchen Ein-
fluss Corporate-Responsibility-Maßnahmen auf die
Belegschaft und mögliche neue Mitarbeiter haben.
Üblicherweise wird beobachtet, dass Firmen, die sich neben
demKerngeschäft sozial engagieren, attraktiver für Jobsuchen-
de sind und die Fluktuation geringer ist. Ob CR-Maßnahmen
auch einen Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbei-