PERSONALquarterly 2/2015 - page 51

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02/15 PERSONALquarterly
I
n wirtschaftlich unsicheren Zeiten machen sich viele
Mitarbeiter Gedanken darum, wie sicher ihr Arbeitsplatz
ist. Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass die Sorge
um den eigenen Arbeitsplatz negative Auswirkungen auf
das körperliche und psychische Wohlbefinden, die Arbeitszu-
friedenheit und das Commitment von Mitarbeitern hat. Auch
negative Zusammenhänge mit der Arbeitsleistung konnten
vereinzelt gezeigt werden, was doch eigentlich kontraintuitiv
ist: Sollten Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz bedroht sehen,
nicht gerade mehr Leistung und Einsatz zeigen? Und welche
konkreten Verhaltensweisen sind dafür verantwortlich, dass
sich Arbeitsplatzunsicherheit so negativ auf das Wohlbefinden
von Mitarbeitern auswirkt?
So wirkt
Arbeitsplatzunsicherheit
Wendy R. Boswell
(Texas A&M University),
Julie B. Olson-
Buchanan
(California State University, Fresno) &
T. Brad Harris
(University of Illinois): „I cannot afford to have a life: Employee
adaptation to feelings of job insecurity”. Personnel Psychology,
67 (2014), 887-915.
Diesen Fragen sind die Autoren in einer Längsschnittun-
tersuchung mittels Fragebogen nachgegangen. Insgesamt 594
Mitarbeiter eines US-amerikanischen Energiekonzerns wur-
den zweimal im Abstand von neun Monaten zu ihrer wahrge-
nommenen Arbeitsplatzunsicherheit, zu ihrem Wohlbefinden,
zu möglichen Konflikten zwischen ihrem Arbeits- und Privat-
leben und dazu befragt, inwiefern sie Angebote wie familien-
freundliche Maßnahmen nutzten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Arbeitsplatzunsicherheit dazu
führt, dass Mitarbeiter unter mehr emotionaler Anstrengung
leiden und mehr über Konflikte zwischen ihrem Arbeits- und
Privatleben berichten. Diese Effekte wurden durch zwei Me-
chanismen vermittelt: Zum einen nutzten Mitarbeiter, die um
ihren Arbeitsplatz besorgt waren, deutlich seltener unterstüt-
zende Angebote des Unternehmens, die genau solche Kon-
flikte verhindern sollten. Zum anderen ließen sie die Grenzen
zwischen Arbeits- und Privatleben eher verschwimmen, was
wiederum zu Konflikten und zu verringertem Wohlbefinden
führte.
Viele Unternehmen investieren hohe Summen in unterstüt-
zende Maßnahmen wie Kinderbetreuungsangebote, Stressma-
nagementtraining oder flexible Arbeitszeitmodelle, um ihre
personellen Ressourcen zu schützen. Mitarbeiter, die um ihren
Arbeitsplatz besorgt sind, scheinen diese Angebote aber nicht
zu nutzen, obwohl gerade sie profitieren könnten.
Für die Praxis legen die Ergebnisse daher nahe, dass Orga-
nisationen ein besonderes Augenmerk auf die Wahrnehmung
ihrer Mitarbeiter in Bezug auf deren Arbeitsplatzunsicherheit
legen sollten.
Besprochen von
Dr. Nale Lehmann-Willenbrock,
VU Amster-
dam, Department of Social & Organizational Psychology
ter haben, untersuchen die Forscher in dieser Studie. In ihrem
Experiment variierten die Forscher die Entlohnungsstruktur
der Teilnehmer. Eine Gruppe erhielt für das Erfassen von bi-
bliographischen Daten einen Stücklohn. Die Versuchsgruppe
erhielt dagegen einen Stücklohn und die Möglichkeit zu ent-
scheiden, ob und wenn ja wie viel sie von ihrem Entgelt an eine
Hilfsorganisation spenden wollen. So konnten die Forscher dif-
ferenzieren, ob die Leistungsbereitschaft von der angebotenen
Entlohnungsstruktur abhängt.
Die Resultate sind verblüffend: Teilnehmer, die die Möglich-
keit hatten, ihren Lohn zu spenden, reagierten mit einem An-
stieg ihrer Produktivität um 13%. Bei genauerer Betrachtung
der Daten zeigt sich weiterhin, dass vor allem Teilnehmer, de-
ren Grundproduktivität niedriger war, besonders stark auf den
zusätzlichen sozialen Anreiz reagierten.
Obwohl an diesem Experiment ausschließlich Studenten
teilnahmen, ziehen die Forscher mehrere Schlüsse für die Ge-
staltung von Anreizen in Unternehmen. Firmen und Unterneh-
men, die es schaffen, innerbetriebliche Anreize so zu gestalten,
dass Mitarbeiter durch die Arbeit ihre prosozialen Neigungen
entfalten können, könnten erfolgreicher sein.
Besprochen von
Rainer Michael Rilke
, Seminar für ABWL, Unter-
nehmensentwicklung und Wirtschaftsethik, Universität zu Köln
Männer und Frauen in
Gehaltsverhandlungen
Andreas Leibbrandt
(Monash University) and
John A. List
(University of Chicago): „Do Women Avoid Salary Negotiations?
Evidence from a Large-Scale Natural Field Experiment“. Manage-
ment Science, forthcoming.
D
as Interesse von Forschern an Lohnunterschieden
zwischen Männern und Frauen nimmt nicht ab. Ein
Erklärungsansatz für den persistenten Unterschied
zwischen den Geschlechtern ist, dass Frauen an-
ders respektive schlechter in Gehaltsverhandlungen agieren
und somit weniger verdienen. Üblicherweise sind Gehaltsver-
handlungen schwierig zu untersuchen, mit einem cleveren
Feldexperiment ist es den o.g. Forschern allerdings gelungen,
1...,41,42,43,44,45,46,47,48,49,50 52,53,54,55,56,57,58,59,60
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