PERSONALquarterly 2/2015 - page 44

PERSONALquarterly 02/15
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NEUE FORSCHUNG
_FÜHRUNG UND GESUNDHEIT
ausgebildet sind und die ihnen häufig fremd bleiben – passt
doch der Umgang mit persönlicher Schwäche so gar nicht
in das Schema der eigenen Erfolgsorientierung, die „auf das
freudige Annehmen neuer Herausforderungen gerichtet ist“
(Stilijanow/Bock, 2013, S. 159). Des Weiteren ist zu bedenken,
dass Führungskräften für eine solche Hilfeleistung schlicht
die Zeit fehlen dürfte. Ihr beruflicher Alltag ist nicht nur durch
ständigen Termindruck, eine große Arbeitsmenge und häu-
fige Unterbrechungen gekennzeichnet. Die Arbeitsergebnisse
selbst sind mittlerweile kennzahlengestützten Erwartungen
unterworfen, die sich immer weniger am praktisch Machbaren
orientieren und stattdessen das für den Markterfolg Notwen-
dige vorschreiben (Kratzer/Dunkel, 2013, S. 45).
Unterstützungsprogramm
Die Hilfe selbst ist dadurch gekennzeichnet, dass Mitarbeitern
ein Kontakt zu professionellen Experten für psychosoziale Prob­
leme eröffnet wird. Diese Experten treten nicht selbst als The-
rapeuten auf, sondern nehmen eine Einordnung des Problems
vor. Sie stellen eine erste Diagnose und helfen – falls erforder-
lich – bei der Suche nach einer beratenden Organisation oder
einem Therapeuten. Das Hilfsangebot ist damit integrierbar in
ein offizielles Unterstützungsprogramm (Employee Assistance
Programm). Entsprechende Aktivitäten der Unternehmen wer-
den überwiegend positiv beurteilt, denn als positive Wirkungen
solcher Programme sind eine bessere Stressbewältigung durch
die Mitarbeiter ebenso dokumentiert wie die Steigerung der
Produktivität, eine Verbesserung der Arbeitsqualität und die
Verringerung von Absentismus (Attridge, 2011).
Die Voraussetzung all dessen ist natürlich, dass die Mitar-
beiter das Programm akzeptieren und nutzen – dies aber ist
alles andere als selbstverständlich. Die Erfahrung zeigt, dass
Menschen zurückhaltend sind, betriebliche Angebote anzuneh-
men, die speziell auf psychische Belastungen zielen. Der Grund
hierfür liegt darin, dass viele befürchten, durch eine Teilnahme
Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit entstehen zu lassen
(Dunkel/Kratzer/Menz, 2009, S. 60). Folglich kommt nicht nur
dem technischen Aspekt der Gewährleistung von Anonymität bei
der Nutzung des Programms eine besondere Bedeutung zu; die
Geschäftsleitung sollte der Belegschaft glaubhaft signalisieren,
dass deren Nöte ernst genommen werden. Hierfür muss das Pro-
gramm auf geeignete Art und Weise bekannt gemacht werden.
Abb. 2 zeigt ein Vorgehen, mit dem die Gothaer Versicherung
gute Erfahrungen gemacht hat (Burnus et al., 2012, S. 2).
Fazit
Die hier vorgestellte Studie fällt in den Bereich der gesund-
heitsorientierten Führungsforschung. Die zentrale Aussage
dieses vergleichsweise jungen Wissenschaftsgebietes ist, dass
Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern können
und dass sich diese Förderung auszahlt. In diesem Zusammen-
wird, Personalabteilung und Geschäftsleitung jedoch bei ersten
Anzeichen von Problemen die vom mittleren Management geäu-
ßerten Sorgen banalisieren (Ducki/Felfe, 2011, S. X f.).
Auf Hilfsangebote hinweisen
Gelangt eine Führungskraft zu der Überzeugung, dass sich
ein Mitarbeiter in einer Lebenskrise befindet, sollte sie im Ge-
spräch auf ein vorhandenes Hilfsangebot hinweisen. Das klingt
einfach, indes will auch dies gelernt sein. Erfahrene Berater
betonen, dass hierbei Formulierungen zu meiden sind, die den
Mitarbeiter negativ vom Normalen abheben, indem sie ihm of-
fen psychische Defizite unterstellen (Matyssek, 2012, S. 60). So
dürfte etwa der Satz „Sie sollten vielleicht eine Psychotherapie
machen“ die Chance auf eine Nutzung des Angebotes nicht ver-
größern, sondern eher den gegenteiligen Effekt auslösen. Der
Mitarbeiter würde sich ausgegrenzt und gekränkt fühlen und
vermutlich mit Empörung reagieren; eine Belastung des per-
sönlichen Verhältnisses wäre die Folge (Matyssek, 2012, S. 61).
Angeraten sind daher abstrakt gehaltene Formulierungen wie
die oben bereits genannte „Unser Unternehmen bietet an …“.
Vorsicht ist auch geboten vor einer Forderung, die Füh-
rungskraft selbst müsste dem Mitarbeiter bei der Bewältigung
helfen. Dagegen spricht vor allem, dass Führungskräfte mit
seelsorgerischen Aufgaben betraut würden, für die sie nicht
Quelle: Burnus et al. 2012, S. 2
Abb. 2:
Schritte der Bekanntmachung eines Unter­
stützungsprogramms
1. Die Geschäftsleitung informiert die Belegschaft im Rahmen
einer Betriebsversammlung über das geplante Betreuungs-
angebot durch externe Psychologen.
2. Per E-Mail erläutert die Personalabteilung den Mitarbeitern
inhaltliche Details.
3. Die Psychologen stellen sich in einer separaten E-Mail den
Mitarbeitern vor.
4. Die Psychologen erläutern ihr Konzept den Führungskräften
persönlich und bitten diese, die Mitarbeiter darauf hinzuwei-
sen.
5. Die Psychologen gehen durch alle Büros und stellen sich den
Mitarbeitern vor.
6. Es wird eine Mitarbeiter-Hotline mit festen telefonischen
Sprechzeiten eingerichtet. Die Nutzung ist anonym möglich.
Es können persönliche Beratungstermine vereinbart werden.
Die Beratung kann in den Räumen des Unternehmens oder
außerhalb stattfinden.
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