PERSONALquarterly 2/2015 - page 52

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 02/15
V
erschwiegenheit über vergütungsbezogene Informa-
tionen zu wahren, ist eher die Regel denn die Aus-
nahme. Dennoch blieb bislang unerforscht, ob eine
solche „Verschwiegenheitspolitik“ nicht auch unbeab-
sichtigte negative Effekte auf die individuelle Leistung und die
Bereitschaft, im Unternehmen zu verbleiben, haben kann. Elena
Belogolovsky und Peter A. Bamberger argumentieren, dass es Ar-
beitnehmern unter diesen Bedingungen schwerfällt, einzuschät-
zen, wie stark sich die Vergütung an der individuellen Leistung
orientiert, da ihnen der Vergleich fehlt. Allerdings ist es ganz ent-
scheidend, wie stark dieser Zusammenhang eingeschätzt wird,
denn es ist gut belegt, dass diese Einschätzung die individuelle
Leistungsbereitschaft positiv beeinflusst. Ebenfalls gut belegt ist,
dass High Performer großenWert auf eine enge Verknüpfung von
Leistung und Vergütung legen, und in Unternehmen, die genau
das bieten, leichter zu halten sind. Liegen nur wenige stichhaltige
Informationen darüber vor, wie stark sich die Vergütung an der
Leistung orientiert, ziehen Arbeitnehmer indirekte Schlüsse aus
den Merkmalen des Vergütungssystems. Da eine „Verschwiegen-
Über Geld spricht man nicht
Elena Belogolovsky
(Cornell University) &
Peter A. Bamberger
(Tel Aviv University): „Signaling in Secret: Pay for Performance
and the Incentive and Sorting Effects of Pay Secrecy”. Academy of
Management Journal, 2014, Vol. 57, No. 6, pp. 1706-1733.
heitspolitik“ Gelegenheit zu Opportunismus und Willkür bei der
Vergütung bietet, können bereits daraus negative Schlüsse be-
züglich des Zusammenhangs zwischen Leistung und Vergütung
gezogen werden. Dementsprechend kann eine Politik, die vergü-
tungsbezogene Informationen minimiert und deren Austausch
unterbindet, zu einer geringer eingeschätzten Verknüpfung von
Leistung und Vergütung führen. Die Folgen: Es erscheint weni-
ger attraktiv, sich bei seiner Arbeit anzustrengen, die Leistung
sinkt; insbesondere High Performer werden damit unzufrieden
sein und das Unternehmen verlassen. Die Autoren argumentie-
ren zudem, dass subjektive Kriterien bei der Leistungsbeurtei-
lung (statt rein objektiven Kriterien) und die Bemessung der
Vergütung anhand der relativen (statt absoluten) Leistung die
negativen Auswirkungen einer „Verschwiegenheitspolitik“ zu-
sätzlich verstärken können, weil sie die Unsicherheit darüber,
für tatsächliche Leistung adäquat entlohnt zu werden, nochmals
verstärken. Belogolovsky und Bamberger führten ein Experi-
ment durch, um ihre theoretischen Überlegungen empirisch
zu testen, wobei sie diese größtenteils bestätigen konnten. Das
Experiment simulierte eigenständige Arbeit im Team, mit der
Möglichkeit, in Arbeitspausen miteinander zu kommunizieren.
Die Auszahlungen an die Versuchspersonen simulierten die
Vergütung mittels Fixgehalt und leistungsabhängigem Bonus.
Die zentralen Befunde des Experiments: Absolute Diskretion
über vergütungsbezogene Informationen hat dann negative
Konsequenzen für die individuelle Leistungsbereitschaft und
die Fluktuation, wenn sich die Vergütung anhand der Leistung
der Antwort auf die Frage etwas näher zu kommen: In sechs
großen US-amerikanischen Städten verteilten die Forscher
Ausschreibungen für Jobs. Nachdem mögliche Arbeitnehmer
ihr Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet hatten,
wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen zufällig eingeteilt.
In der ersten Gruppe wurde erwähnt, dass der Lohn für die
Arbeit verhandelbar sei, in der zweiten Gruppe nicht. Nach
dieser Information hatten die Arbeitnehmer dann die Mög-
lichkeit, sich zu bewerben. Die Wissenschaftler waren so in
der Lage zu untersuchen, ob Frauen anders als Männer auf die
Informationen zur Lohnverhandlung reagieren und sich ggf.
weniger wahrscheinlich bewerben. Das erste Resultat zeigt,
dass, wenn nicht explizit erwähnt wird, dass der Lohn ver-
handelbar ist, Frauen signifikant weniger wahrscheinlich eine
Bewerbung schreiben als Männer. Wenn erwähnt wird, dass
der Lohn verhandelt werden kann, kann kein Unterschied mehr
beobachtet werden. Nachdem die Bewerber ihr Interesse an der
Stelle bekundet hatten, war es den Forschern ebenfalls möglich,
in den Bewerbungsgesprächen zu untersuchen, wie Frauen und
Männer über den Lohn verhandeln. Dazu verfolgten beim Be-
werbungsgespräch vier unabhängige Beobachter, ob es über-
haupt eine Lohnverhandlung gab, und wenn ja, ob die Bewerber
Bereitschaft signalisierten, nur für einen höheren oder auch für
einen niedrigeren Lohn zu arbeiten als dem angekündigten.
Auch hier zeigten sich frappierende Geschlechterunterschiede.
Zum einen sind Frauen weniger bereit, Gehaltsverhandlungen
zu initiieren, zum anderen deuten Frauen auch häufiger an,
für einen geringeren Lohn arbeiten zu wollen, als der, der an-
gekündigt wurde. Dies gilt allerdings nur, wenn Arbeitgeber
nicht signalisieren, dass der Lohn verhandelbar ist. Wissen die
Bewerber, dass der Arbeitgeber bereit ist, über den Lohn zu
verhandeln, gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und
Frauen. Die Information, dass Löhne verhandelt werden kön-
nen, ist ein vergleichsweise kleiner Aspekt bei Jobausschrei-
bungen, hat jedoch einen großen Einfluss auf den möglichen
Bewerberpool und kann die Anzahl der weiblichen Bewerber
signifikant beeinflussen.
Besprochen von
Rainer Michael Rilke,
Seminar für ABWL, Unter-
nehmensentwicklung und Wirtschaftsethik, Universität zu Köln
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