PERSONALquarterly 2/2015 - page 46

PERSONALquarterly 02/15
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STATE OF THE ART
_HOME OFFICE
A
ls Yahoo Anfang 2013 die Nutzung von Home Offices
einschränkte, war der Aufschrei in der deutschen
Personalcommunity groß. Die Bindung der Beschäf-
tigten an feste Arbeitszeiten und -orte gilt vielen
Personalmanagern als Rückfall in die personalpolitische Stein-
zeit, der mit den Trends wie Work-Life-Balance, Wertewandel
in Richtung Selbstbestimmung oder Arbeitgeberattraktivität
nicht vereinbar sei. Unternehmen wie Netflix, die den Arbeit-
nehmern nicht nur Autonomie bezüglich Arbeitszeit und -ort,
sondern auch über den Urlaubsumfang geben, gelten als weg-
weisend für die Zukunft der Arbeit. Dieser Trend setzt sich
aktuell fort und die Diskussion wird von Unternehmen wie
Microsoft angeführt, die für ihre neue deutsche Unternehmens­
zentrale angekündigt haben, Vertrauensarbeitszeit und -ort
umzusetzen.
Zunächst nur vereinzelt melden sich kritische Stimmen, die
auf die möglichen negativen Auswirkungen durch Verschlech-
terung der innerbetrieblichen Beziehungen zwischen Kollegen
oder die Reduktion von Kreativitätspotenzialen aus der ver-
minderten sozialen Interaktion hinweisen. Von Seiten der Ar-
beitnehmervertreter werden soziale Isolation und Tendenzen
zur Selbstausbeutung kritisiert, weil sich die Beschäftigten
selbst einem zu hohen Druck aussetzten. Für Praktiker syste-
matisch zusammengeführt wird diese Diskussion in plausiblen
Vorteils-Nachteils-Listen aus Unternehmens- und Mitarbeiter-
perspektive, bei denen die finale Beurteilung jedoch dem Busi-
ness Judgement des einzelnen Personalmanagers obliegt.
Vor dem Hintergrund dieser Diskussion wollen wir uns den
wissenschaftlich belegbaren Fakten zuwenden. Wir stützen
uns primär auf Metastudien von Gajendran und Harrison
(2007) zur Effektivität von Home Offices sowie Allan, Johnson,
Kiburz und Shockley (2013) zur Wirkung auf die Work-Life-
Balance. Darüber hinaus berücksichtigen wir insbesondere
aktuelle Auswertungen auf Basis umfangreicher Datensätze
aus Haushaltsbefragungen in Deutschland und den Nieder-
landen (z.B. Possenriede und Plantenga, 2014; Beckmann/
Cornelissen, 2014). Diese weisen nicht nur große Fallzahlen
auf, sondern besitzen zudem ein Paneldesign, das in früheren
Einzelstudien und damit auch den Metaanalysen in der Regel
fehlt. Die betriebswirtschaftliche Frage der Effektivität steht
dabei im Mittelpunkt: Erhöht die weitgehend freie Wahl von
Arbeitsort und -zeit die Produktivität und die Zufriedenheit der
beteiligten Beschäftigten? Darüber hinaus wollen wir untersu-
chen, wodurch etwaige positive Effekte hervorgerufen werden,
oder konkreter, ob die Vermeidung von Konflikten zwischen
Arbeits- und Privatleben oder das gesteigerte Autonomiegefühl
ursächlich sind.
Unter Home Office verstehen wir im Folgenden die Form der
Arbeitsortgestaltung, bei der Arbeitsaufgaben durch festange-
stellte Arbeitnehmer außerhalb des zentralen Arbeitsortes er-
bracht werden. Vertrauensarbeitszeit bezeichnet den Verzicht
auf eine eigenständige systematische Kontrolle der Zeiterfas-
sung durch den Arbeitgeber bei fest angestellten Beschäftigten
mit einer vertraglich festgelegten Arbeitszeit.
Produktivitätseffekte von Home Office und Vertrauens­
arbeitszeit
Im Rahmen ihrer Metaanalyse werten Ravi S. Gajendran und
David A. Harrison (2007) die Ergebnisse von insgesamt 46
Einzelstudien aus. Dabei gehen sie unter anderem der Fra-
ge nach, wie sich die Produktivität der Beschäftigten, die an
Home-Office-Programmen teilnehmen, verändert. Im Durch-
schnitt ist ein sehr schwach positiver Zusammenhang zu
beobachten. Während die Selbsteinschätzung durch die teil-
nehmenden Beschäftigten weitgehend neutral ist, zeigt sich die
positive Wirkung, wenn Vorgesetztenbeurteilungen oder ob-
jektive Leistungsmaße zur Beurteilung herangezogen werden.
Die Effektstärke gemessen an der standardisierten Korrelation
beträgt hier 0,19, was einem schwachen bis mittleren Effekt
entspricht, wobei dieser spezifische metaanalytische Befund
allerdings nur auf vier Einzelstudien beruht. Die Arbeitszufrie-
denheit ist ebenfalls leicht erhöht (0,10).
Zur Vertrauensarbeitszeit liegen keine umfassenden Meta-
studien vor, während die positive Wirkung flexibler Arbeits-
zeitmodelle umfassend empirisch hinterlegt ist (Baltes et al.,
1999). Auf Basis des Sozioökonomischen Panels, einer umfang-
reichen regelmäßigen Haushaltsbefragung, lassen sich den-
noch belastbare Aussagen für Deutschland treffen, zumal in
diesem umfangreichen Datensatz, der mehrere Jahre umfasst
und somit Längsschnittanalysen erlaubt, die Isolation kausaler
Home-Office-Angebote erhöhen Arbeitszufriedenheit und Arbeitgeberattraktivität,
Vertrauensarbeitszeit wirkt zudem produktivitätssteigernd
Von
Prof. Dr. Torsten Biemann
(Universität Mannheim) und
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(FOM Bonn)
Effektives Arbeiten, wann und wo man will?
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