PERSONALquarterly 2/2015 - page 42

PERSONALquarterly 02/15
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NEUE FORSCHUNG
_FÜHRUNG UND GESUNDHEIT
Online-Netzwerken zur Befragung eingeladen wurde, verbunden
mit der Bitte, die Teilnehmerrekrutierung im Schneeballverfah-
ren fortzusetzen. Des Weiteren wurden diverse Selbsthilfegrup-
pen, Vereine und Online-Foren angeschrieben, die sich jeweils
einer bestimmten Art kritischer Lebensereignisse widmen. Die-
ses Vorgehen wurde gewählt, um ein möglichst breites Spek-
trum an Lebenskrisen erfassen zu können.
Bei einer Bruttobeteiligung von 1.386 Personen füllten ins-
gesamt 516 Teilnehmer den Online-Fragebogen vollständig aus
und wurden somit in die Ergebnisauswertungen einbezogen.
Dies entspricht einer Beendigungsquote von 37%, die sich an-
gesichts des sensiblen Befragungsthemas positiv bewerten
lässt. Von diesen 516 Teilnehmern waren 80% weiblich, 20%
männlich. Das Alter variierte von 18 bis 75 Jahren; der Al-
tersdurchschnitt betrug 38,9 Jahre (Standardabweichung 12,3
Jahre). Mehr als die Hälfte (53%) der Stichprobe war berufstä-
tig. 12% Personen studierten, 3% waren in einer beruflichen
Ausbildung, 10% waren arbeitssuchend, 7% im Haushalt tätig
und 11% in Rente bzw. Vorruhestand. Damit spiegelt das Spek-
trum der Befragten die angepeilte Grundgesamtheit, die von
uns definiert worden war als Menge aller gegenwärtigen und
zukünftigen Berufstätigen unter Einschluss ehemals tätiger,
aber jetzt in Rente oder Vorruhestand befindlicher Menschen,
ausreichend gut wider.
Messung
Zur Erfassung des individuellen kritischen Lebensereignisses
wurden die Teilnehmer instruiert, sich auf eine bestimmte,
gleichermaßen prägende wie belastende Situation aus ihrem
Leben im Erwachsenenalter zu beziehen. Das kritische Lebens-
ereignis sollte also retrospektiv berichtet werden und war für
die Befragten frei wählbar. Neben der qualitativen Beschrei-
bung des Ereignisses in einem offenen Textfeld wurden die
Befragten gebeten, das Ereignis einem bestimmten Lebens-
bereich zuzuordnen (z.B. Todesfälle, Partnerschaftskonflikte,
Gesundheit, Beruf). Des Weiteren sollten sie mehrere vorge-
gebene Fragen beantworten, mit denen das Ereignis näher be-
schrieben werden konnte (z.B. hinsichtlich des Ausmaßes der
empfundenen Belastung).
Für den Umgang mit der Lebenskrise wurden die beiden Be-
wältigungsstile „Hartnäckigkeit in der Zielverfolgung“ und „Fle-
xibilität in der Zielanpassung“ unterschieden. Gemessen wurde
die Hartnäckigkeit z.B. durch das Item „Wenn ich mir einmal
etwas in den Kopf gesetzt habe, lasse ich mich auch durch große
Schwierigkeiten nicht davon abbringen“. Die Messung der Flexi-
bilität erfolgte z.B. durch das Item „Ich kann auch den unange-
nehmen Dingen des Lebens leicht eine gute Seite abgewinnen“.
Schließlich wurden Fragen zur persönlichen Reifung als Ef-
fekt des Bewältigungsstils gestellt. Die hier verwendeten Items
bezogen sich einerseits auf den wahrgenommenen Zuwachs
an persönlicher Stärke („Mein Erlebnis hat zur Entwicklung
und Stärkung meiner Persönlichkeit beigetragen“). Die Items
erfassten aber auch neu erworbene Fähigkeiten („Mein Erleb-
nis hat mich gelehrt, mit Stress und Problemen besser umzu-
gehen“) sowie neue Handlungsmöglichkeiten („Möglichkeiten,
die es sonst nicht gegeben hätte, sind jetzt für mich verfügbar“).
Statistische Auswertung und Ergebnisse
Die mittels Regressionsanalyse ermittelten Ergebnisse legen
nahe, dass die Bewältigung von Krisen die persönliche Reifung
tatsächlich fördert (vgl. Abb. 1). Damit reiht sich die Studie
harmonisch in die Befundlage zur Bedeutung von assimilativer
Hartnäckigkeit und akkommodativer Flexibilität für Gesund-
heit und Wohlbefinden ein. Zusätzlich zeigen die Ergebnisse,
dass die beiden Bewältigungsstile eine unterschiedliche Be-
deutung hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Reifung haben. Der
flexibel-anpassende Bewältigungsstil erzielt eine deutlich grö-
ßere Wirkung auf die Reifung als der hartnäckig-verfolgende.
Auch dieses Ergebnis ist stimmig interpretierbar: Häufig haben
wir nur eingeschränkten Einfluss auf den Ausgang unserer
Krisen und oftmals bringen sie auch irreversible Verluste mit
sich. Für eine erfolgreiche Bewältigung ist es dementsprechend
wichtig, sich von nicht erreichbaren Zielen zu lösen.
Einschränkungen für die Verallgemeinerung des Ergeb-
nisses ergeben sich zunächst einmal aus der zugrunde lie-
genden Stichprobe: Zum einen ist die überwiegende Mehrheit
der Befragungsteilnehmer weiblich; zum anderen ist die Re-
krutierung über Selbsthilfegruppierungen insofern problema-
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 1:
Statistische Auswertung
Der Einfluss der Bewältigungsstile auf die Reifung wurde
mittels einer linearen, hierarchischen Regressionsanalyse über-
prüft. Die Berechnungen ergaben, dass mit den Bewältigungs-
stilen rund 25% der Varianz in der Referenzvariable „Reifung“
aufgeklärt werden kann. Die nachfolgend aufgeführten Beta-
Gewichte zeigen den signifikanten Einfluss der Bewältigungs-
stile auf die Reifung:
β
= .17, p < .01 für Assimilation
β
= .41, p < .01 für Akkommodation
Beta-Gewichte sind standardisierte Maße der Effektstärke und
weisen einen Wertebereich von -1 bis 1 auf. Werte bis +/- .30
werden häufig als klein interpretiert; ab +/- .40 spricht man
von einer ausgeprägten Effektstärke.
1...,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41 43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,...60
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