wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
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Kompetenzen bei Führungskräften. Fak-
toren wie die technologische Innovation,
die Dynamisierung gesellschaftlicher Ver-
hältnisse oder veränderte Kundenerwar-
tungen schlagen sich deutlich in den Un-
ternehmen nieder. So sind fast 90 Prozent
der Studienteilnehmer der Auffassung,
dass die Veränderungsgeschwindigkeit in
den meisten Unternehmen über die ver-
gangenen Jahre zugenommen hat – für
46 Prozent sogar „massiv und deutlich
sichtbar“.
Nur fünf Prozent der befragten Unter-
nehmen haben keine signifikante Reor-
ganisation innerhalb von 24 Monaten
durchgeführt. Folglich gibt es in Sachen
„Change“ für die Führungskräfte viel
zu tun: In jedem vierten Unternehmen
nimmt die Veränderungsaufgabe bis zu
zehn Prozent der Gesamtarbeitszeit einer
Führungskraft in Anspruch. In sechs
Prozent der Unternehmen müssen Füh-
rungskräfte sogar 61 bis 80 Prozent ihrer
Tätigkeit für Change aufwenden. „Bei
organisationalen Veränderungen stehen
Führungskräfte unter hohem Druck. Das
Topmanagement erwartet eine rasche,
überzeugte und überzeugende Umset-
zung – und die Mitarbeiter erwarten, dass
die Auswirkungen der Veränderung auf
ihre konkrete Arbeitssituation verlässlich
interpretiert werden“, so Kern.
Kommunikationsstärke muss
weiter ausgebaut werden
Der erwünschte Führungsstil heißt in 36
Prozent der Unternehmen „partizipativ-
kooperativ“. Bei 13 Prozent ist der „trans-
formatorische“ Führungsstil gefragt – vor
allem in Unternehmen, die in den ver-
gangenen Jahren eine höhere Anzahl von
Reorganisationen zu verzeichnen hatten.
Weit abgeschlagen rangieren dagegen der
„charismatische“ Führungsstil (sieben
Prozent) und „Shared Leadership“ (vier
Prozent). In der aktuellen Diskussion um
„Shared Leadership“ geht es auch mehr
um die sich ergebenden Vorteile, wenn
Führungsaufgaben lateral aufgeteilt und
Führungsrollen temporär begrenzt ein-
genommen werden. Zum Beispiel kann
in der Projektarbeit „Shared Leadership“
entlastend und bereichernd wirken und
dieser Führungsansatz gut funktionieren.
Der vor einigen Jahren noch als Königs-
weg beschriebene „situative“ Ansatz ist
immerhin noch in jedem zehnten Unter-
nehmen relevant.
Die Untersuchung zeigt auch: 12 Prozent
der Unternehmen haben gar keinen er-
wünschten Führungsstil definiert. Bei
den Top-5-Eigenschaften, die eine gute
Führungskraft in den kommenden Jahren
besitzen sollte, wurden folgende Kompe-
tenzwerte auf einer Skala von 1 („irrele-
vant) bis 5 („sehr wichtig“) ermittelt:
1.
„Veränderungsbereitschaft“ (4,6)
2.
„Prioritäten setzen“ (4,6)
3.
„Kommunikationsfähigkeit“ (4,6)
4.
„strategisch denken“ (4,5)
5.
„Veränderungen umsetzen“ (4,4).
Die Tatsache, dass in jedem vierten Un-
ternehmen die Besetzung von Führungs-
positionen „mehr oder weniger einfach
irgendwie passiert“ lässt ein deutliches
Verbesserungspotenzial erkennen, so der
Kern: „Unternehmen sollten zumindest
bei Schlüsselpositionen und -personen
auf zeitgemäße diagnostische Verfahren
setzen, die mehrere Instrumente und Da-
tenpunkte kombinieren.“
Je mehr PE-Maßnahmen,
desto bessere Führungskräfte
Im Durchschnitt nutzen die befragten
Unternehmen 10,6 verschiedene Maß-
nahmen zur Führungskräfteentwick-
lung. Zu den Top fünf zählen Führungs-
kräftetrainings, Coaching, Mentoring,
Führungskräfte-Events und Führungs-
kräftekonferenzen. In Unternehmen mit
starker HR-Funktion sind im Gegensatz
zu Unternehmen mit durchschnittlicher
oder schwacher HR-Funktion oben ge-
nannte Maßnahmen Standard (100 Pro-
zent). Zudem sind Potenzialanalysen,
360-Grad-Feedback und Zusammenarbeit
mit Universitäten und Business Schools
in 83 Prozent der Unternehmen mit star-
ker HR-Funktion vorhanden.
Ein weiteres Ergebnis: Je mehr unter-
schiedliche Maßnahmen angeboten
werden, desto leistungsfähiger sind die
Führungskräfte. Als die wesentlichen
zukünftigen Erfolgsgrößen für lohnende
Führung gelten mehrere Faktoren, darun-
ter eine moderne, mit Organisationsent-
wicklung verschränkte „On-the-Job“-Füh-
rungskräfteentwicklung. Dazu gehören
etwa Stretch Assignments, Auslandsein-
sätze oder Job Rotation.
Mit 53 Prozent sieht mehr als die Hälfte
der Teilnehmer den Personalbereich beim
Thema Organisation und Organisations-
entwicklung in der rein unterstützenden
Rolle. Ein knappes Drittel (28 Prozent)
agiert als Berater, weitere 13 Prozent
sind als Experten tätig. Nur in sechs
Prozent der Unternehmen kann HR die
gestaltende Rolle als Initiator und „Gate-
keeper“ für das Thema Organisation für
sich beanspruchen. Während HR in den
klassischen, auf die Person abzielenden
Führungskräfteentwicklungsthemen also
recht gut aufgestellt ist, herrscht beim
Thema Organisation Nachholbedarf.
„Fortschrittliche Personaler unterziehen
die Businessorganisation immer wieder
einem Review. Analytische Erkenntnisse
und das Aufzeigen von Verbesserungs-
möglichkeiten helfen der Organisation –
und wirken sich nicht zuletzt positiv auf
die Wahrnehmung des HR-Bereichs aus“,
resümiert Kern.
Mercer zählt mit über 20.000 Mitarbeitern
in mehr als 40 Ländern zu den führenden
globalen Anbietern von HR-Dienstleistun-
gen. In Deutschland ist Mercer mit über
600 Mitarbeitern unter anderem an den
Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt,
Hamburg, Leipzig, München und Stutt-
gart vertreten. Die Schwerpunkte der
Geschäftstätigkeit liegen in der Beratung
von Unternehmen rund um betriebliche
Altersversorgung, Vergütung, Human
Capital Strategie, M&A und Investments,
Health Management sowie Pensions Ad-
ministration.
Steffen Zwick
Foto: Coloures-pic / AdobeStock
Foto: Mercer
Dieter Kern.
Er leitete die Konzeption und
Durchführung der Studie
d ist bei Mercer Central Europe
zuständig für „People & Organisational
Excellence Practice“.