personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
riesige Kluft zwischen Theorie und Pra-
xis. Dafür sorgt vor allem die Leadership-
Branche mit ihren Seminaren, Büchern,
Beratern und natürlich auch den Business
Schools und den Personalabteilungen.
Sie wollen uns weismachen, dass gute
und erfolgreiche Manager bescheiden,
aufrichtig und authentisch sein müssen.
Doch was sie erzählen, sind Mythen und
ich vergleiche die Protagonisten daher
auch gern mit Laienpredigern.
Aber das kann doch nicht falsch sein,
wenn ein Manager aufrichtig sein soll.
Pfeffer:
Natürlich sind das alles wunder-
vollen Qualitäten und es gibt auch keinen
Zweifel daran, dass Unternehmen und
ihre Mitarbeiter besser dran wären, wenn
sich ihre Führungskräfte so verhalten
würden, aber das tun sie eben nicht. Sie
tun sogar meist das Gegenteil davon und
da muss man nachhaken, warum das so
ist. Ein Grund sind lange bekannte, em-
pirisch belegte psychologische Mechanis-
men. Wer erfolgreich sein will, darf eben
nicht bescheiden sein, sondern muss
möglichst viel Eigenwerbung machen.
Und Lügen sind nicht nur allgegenwär-
tig, sondern auch sehr effektiv. Laut einer
Studie waren 74 Prozent der befragten
Unternehmen der Meinung, dass es rich-
tig sei, die Mitarbeiter über ihre wahren
Aufstiegschancen zu belügen, weil sie
sonst weniger engagiert arbeiteten.
Donald Trump lügt und ist trotzdem
erfolgreich. Ist er ein guter Anführer?
Prof. Dr. Jeffrey Pfeffer:
Das kommt dar-
auf an, wie Sie gute Führung definieren.
Aus Trumps Perspektive ist er ein fantas-
tischer Leader. Er ist Präsidentschafts-
kandidat der Republikaner geworden,
obwohl ihm jegliche Erfahrung fehlt. Ob
das auch gut für die USA und andere ist,
steht auf einem anderen Blatt. Aber das
ist genau das Problem: Wenn wir von
guter Führung sprechen, verwenden wir
keine eindeutigen Kriterien, was wir dar-
unter verstehen.
Es fehlt eine klare Zielsetzung?
Pfeffer:
Wer ein gutes Auto bauen will,
muss sich vorher entscheiden, ob ein
Auto gut ist, weil es wenig Benzin ver-
braucht oder schnell fährt. Dasselbe gilt
für gute Führung. Bedeutet das, mög-
lichst geschickt bei den Abgastests zu be-
trügen, um den Profit zu erhöhen? Oder
heißt es, etwas für die Umwelt zu tun?
Aber wir achten nicht auf die Ziele und
glauben, dass jedes positive Ergebnis mit
irgendeinem anderen positiven Ergebnis
zusammenhängt. Das tut es eben nicht.
Der Erfolg eines Unternehmens ist nicht
unbedingt damit verbunden, dass seine
Mitarbeiter sich wohlfühlen und gesund
sind. Und der Profit hängt nicht unbe-
dingt mit dem Einkommen der Manager
zusammen. Wir müssen uns daher fra-
gen, wie man Erfolg misst. Welche empi-
rischen Daten gibt es dafür?
Warum fragt sich das keiner?
Pfeffer:
Wir konzentrieren uns auf das,
was wünschenswert wäre, aber nicht auf
das, was Realität ist. Daher gibt es eine
„Wer erfolgreich sein will,
muss auch fies sein können“
FÜHRUNGSSTILE I.
Sie sind selbstherrlich, lügen und missbrauchen Vertrauen – erfolg-
reiche Manager und Politiker (wie Extremfall Donald Trump) sind oft das krasse Gegenteil
von dem, was Managementtrainer predigen. Für den Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer
sind die gängigen Führungslehren viel zu weltfremd.
Foto: Stanford University