wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
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Jeffrey Pfeffer.
Der Stanford-
Professor wurde auch ins Deut-
sche übersetzt. So erschien
2013 sein Buch „Macht –
warum manche sie haben und
andere nicht“ bei „Books 4
Success“.
Und warum führt uns die Leadership-
Branche so in die Irre?
Pfeffer:
Menschen lieben eine faire Welt
und einfache Lösungen. Sie wollen ins-
piriert und unterhalten werden. Sie wol-
len sich gut fühlen und Hoffnung schöp-
fen. Das reale Leben ist schließlich hart
genug. Aber Inspiration ist kein effektiver
Weg für Veränderungen. Das wissen wir
aus der Forschung. Sie erhöht allenfalls
kurzfristig die Motivation, etwas anders
zu machen. Aber sie verhindert es meist,
dass die Situation verändert wird, in der
wir agieren, und die bestimmt nun mal
unser Verhalten. Also verpufft alles ganz
schnell wieder. Was man braucht, sind
überprüfbare Daten. Und es gibt nun mal
keinen Beleg dafür, dass etwas besser
wird, wenn man die schlechten Nachrich-
ten ignoriert.
Was empfehlen Sie?
Pfeffer:
Wir müssten endlich die Wahr-
heit akzeptieren und auf die Fakten
schauen, so wie man es in der Medizin
macht. Dort analysiert man akribisch die
Daten: Wie viele Erkrankte werden ge-
sund, was sind die Hindernisse und was
sind die echten Erfolge. Nur dann kann
man die Dinge auch verbessern. Deswe-
gen hat die Medizin auch enorme Fort-
schritte gemacht. Im Bereich Führung
sind wir dagegen seit 70 Jahren genauso
schlecht. Diskussionen über Leadership
erscheinen mir manchmal so, als ob sie
unter Lachgas oder anderen Betäubungs-
mitteln geführt werden. Die Leadership-
Branche macht die Menschen vielleicht
glücklich. Aber sie bleiben ahnungslos,
wie Unternehmen und Machtsysteme
wirklich funktionieren. Wenn wir die Ar-
beitswelt wirklich ändern wollen, müssen
wir sie so verstehen, wie sie ist, und nicht
wie wir wünschen, dass sie ist.
Welche Rolle spielen denn die Personal-
manager? Könnten sie nicht etwas daran
ändern?
Pfeffer:
Einige vielleicht, aber die meisten
Personalmanager sind wohl zu ängstlich.
Sie wollen sich nicht mit anderen und
vor allem nicht mit den Topmanagern
anlegen. Vielen geht es doch vor allem
darum, nett sein zu können. Sie wollen
Personalentwicklung machen und nicht
Machtpolitik betreiben. Sie wollen lieber
das tun, was ihnen aufgetragen wird. Und
all das verhindert wesentliche Verände-
rungen.
Derzeit ist viel von „New Work“ und der
neuen Macht der Mitarbeiter die Rede.
Ein Hoffnungsschimmer?
Pfeffer:
Ich sehe nicht, dass sich bisher
irgendetwas geändert hat oder ändern
R
Warum viele nette Manager scheitern
Pfeffer hat einen Master of Science in Industrial Adminis-
tration von der Carnegie-Mellon University und einen Dok-
torgrad in Business Administration von Stanford. Er gilt als
bedeutender Querdenker unter den weltweit führenden
Management-Experten amerikanischer Universitäten. In
seinem Buch „Leadership BS“ (BS steht für Bullshit), das im
September 2015 im US-Verlag Harper Business erschien,
erklärt Pfeffer anhand von fünf Eigenschaften, warum
nette, ehrliche Führungskräfte ziemlich sicher scheitern:
1. Bescheidenheit.
Nur wer auffällt, wird auch wahrgenom-
men und befördert. Narzissten werden daher öfter Füh-
rungskräfte, weil Selbstvertrauen als Kompetenz bewertet
wird.
2. Authentizität.
Führungskräfte müssen einfach nur wie
Führungskräfte handeln, egal, wie sie sich fühlen. Ihre Rolle
wirkt sich dann irgendwann auf ihre Persönlichkeit aus.
3. Aufrichtigkeit.
Lügen gehören zum Führungsalltag und
werden nicht sanktioniert. Manche Lügen werden sogar
Hintergrund.
Jeffrey Pfeffer, 70, ist Professor für Organizational Behavior
an der Graduate School of Business der Stanford University, wo er seit
dem Jahr 1979 lehrt.
Buchtipp.
Jeffrey
Pfeffer: „Leader-
ship BS“, Verlag
Harper Business,
New York 2015,
272 Seiten,
22 Euro (Englisch).
wahr, wenn man sie lange genug erzählt (das ist das „Phä-
nomen Donald Trump“).
4. Vertrauen.
Wenn Vertrauen wirklich wichtig für Unterneh-
men wäre, würde es nicht so oft – ungestraft – gebrochen
werden. Außerdem: Wer sich an seine Versprechen hält,
schränkt seine Handlungsmöglichkeiten ein.
5. Augenhöhe.
Führungskräfte haben wenig gemeinsam
mit ihren Mitarbeitern. Menschen unterstützen häufiger
Menschen, die ihnen ähnlich sind und fühlen sich von ihnen
angezogen.