PERSONALquarterly 2/2018 - page 52

PERSONALquarterly 02/18
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STATE OF THE ART
_ENTSENDUNG
beinhalten sollten, bei denen Teilnehmer Erfahrungen mit
dem Gastland sammeln können.
Wie gelingt eine Anpassung an das neue Umfeld?
Ein zentrales Konzept bei der Analyse von Auslandsentsen-
dungen ist die Anpassung der Entsandten während des Auf-
enthalts. In der Literatur werden drei verschiedene Bereiche
unterschieden, für die eine Anpassung erfolgen sollte: Anpas-
sung der Auslandsentsandten an die Kultur (cultural adjust-
ment, AK) umfasst den Umgang mit lokalen Gegebenheiten wie
z.B. Lebensbedingungen, Essen oder auch das Unterhaltung-
sangebot im Gastland. Anpassung an Interaktionen (interac-
tion adjustment, AI) beinhaltet alle Arten von Interaktionen mit
Einheimischen während der Arbeit und in der Freizeit. Drittens
kann eine Anpassung an die Arbeit (work adjustment, AA)
erfolgen, also inwieweit sich Auslandsentsandte an die oftmals
neuen Aufgaben im Ausland anpassen können. Viele Studien
haben zusätzlich untersucht, wie wichtig diese Anpassung für
die Zufriedenheit und Leistung der Auslandsentsandten ist und
wie diese gegebenenfalls gefördert werden kann. Angenom-
men wird also ein mediierender Effekt: Verschiedene Einfluss-
faktoren wirken auf die Anpassung der Auslandsentsandten,
was wiederum Leistung und Zufriedenheit beeinflusst. Die
Meta-Analyse von Bhaskar-Shrinivas, Harrison, Shaffer und
Luk (2005) gibt hier einen sehr guten Überblick (vgl. Abb. 2).
Bei den Einflussfaktoren auf Anpassung zeigt sich erneut, dass
vorherige Auslandserfahrung keinen bedeutsamen Einfluss
hat. Für die drei Arten der Anpassung schwankt der Zusam-
menhang zwischen r = 0,04 für Anpassung an die Kultur und
r = 0,13 für Anpassung an Interaktionen. Wenig überraschend
ist der relativ starke Einfluss von Sprachkenntnissen auf die
Anpassung an Interaktionen (r = 0,43). Bei den anderen in
Abbildung 2 dargestellten Faktoren ist bemerkenswert, dass
die Anpassung der Partner den insgesamt stärksten Zusam-
menhang mit der Anpassung der Entsandten hat. Dies spie-
gelt andere Befunde wider, welche fehlende Unterstützung des
Partners als wichtigsten Faktor für einen frühzeitigen Abbruch
der Entsendung ausmachen konnten. Ebenfalls von Bedeutung
sind Rollenklarheit und Entscheidungsspielräume im Job, die
positiv auf die Anpassung wirken und Kulturunterschiede zwi-
schen Heimat- und Gastland. Je größer die Unterschiede, desto
schwerer gelingt eine Anpassung.
Der rechte Teil von Abbildung 2 enthält Ergebnisse von Bhas-
kar-Shrinivas und Kollegen (2005) zu den Zusammenhängen
zwischen der Anpassung der Auslandsentsandten und den
Erfolgsgrößen Leistung, Arbeitszufriedenheit und Gedanken
an einen vorzeitigen Abbruch der Auslandstätigkeit. Alle drei
Bereiche der Anpassung sind von Bedeutung, wobei besonders
die Anpassung an die Arbeit die stärksten Zusammenhänge
mit Leistung (r = 0,39) und Arbeitszufriedenheit (r = 0,44)
hat. Die negativen Korrelationen mit Gedanken an Abbruch
sind intuitiv, da eine bessere Anpassung zu weniger Abbruch­
gedanken führt.
Die Anpassung der Auslandsentsandten ist ein Prozess, der
sich über den gesamten Auslandsaufenthalt erstreckt. Auch
wenn es individuelle Unterschiede gibt, bildet sich in der Ten-
denz ein Verlauf für die kulturelle Anpassung der Entsandten
heraus, der in Abbildung 3 dargestellt ist (vgl. Bhaskar-Shrini-
vas et al., 2005, Figure 4). Nach einer anfangs vom Entsandten
als relativ hoch wahrgenommenen Anpassung („honeymoon“),
fällt die Anpassung nach ca. zehn Monaten, bis sie nach 36
Monaten ihren Tiefpunkt erreicht. Anschließend steigt die An-
passung und stabilisiert sich auf einem ähnlich hohen Niveau
wie in der Honeymoon-Periode am Anfang. Auch wenn für
den genauen Verlauf der Anpassung mehr Längsschnittstu-
dien notwendig sind, scheint das „Tal“ nach der anfänglichen
Euphorie Kennzeichen vieler Anpassungsprozesse von Aus-
landsentsandten zu sein. Dieser Befund ist zudem konsistent
mit den allgemeineren Ergebnissen zu Anpassungsprozessen
im Rahmen der organisationalen Sozialisation beispielsweise
beim Onboarding (Bauer/Erdogan, 2011).
Kraimer und Kollegen (2016) integrieren weitere Befunde
aus der Expatriate-Forschung und empfehlen, dass Unterneh-
men den Entsandten vor der Abreise ein „realistic job preview“
liefern, damit diese ihre Rolle und Handlungsspielräume wäh-
Quelle: Bhaskar-Shrinivas et al. (2005, Figure 4)
Abb. 3:
Verlauf der kulturellen Anpassung von
Auslandsentsandten
3
Anpassung an
die Kultur
Zeit der Entsendung
(in Monaten)
Best-Fitting (Quartic) Model
0
10
20
30
40
50
60
70
80
4
5
6
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60,61,62,...64
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