PERSONALquarterly 2/2018 - page 59

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02/18 PERSONALquarterly
In einer Befragung von 553 Berufstätigen aller Hierarchie-
ebenen für die Studie „Führungskultur in Deutschland“ der
Hochschule Niederrhein stand das Führungsverhalten im
Mittelpunkt, weil es nach innen und außen, also bei der Ta-
lentsuche und -entwicklung, eine große Rolle spielt. „Wenn
Führungskräfte anspruchsvolle Ziele setzen und höchstes En-
gagement fordern, aber wenig Entwicklungsmöglichkeiten und
Zukunftsperspektiven bieten, führt dieses Missverhältnis zu
Unzufriedenheit“, sagt Cisik. Es fehlt demnach an der Klarheit
bei den Karriereschritten und der inhaltlichen Ausrichtung
der Arbeit sowie an Zielpositionen, in die Führungskräfte ih-
re Mitarbeiter hineinentwickeln können. Daran muss in den
Unternehmen gearbeitet werden, um Talent Management zum
Erfolg zu führen. Alexander Cisik hält es deshalb auch für
falsch, das Arbeitgeberimage zu messen, wie das üblicherwei-
se durch Befragungen, etwa von Absolventen, gemacht werde.
Der Hochschullehrer fordert, dass vielmehr die Arbeitgeber-
qualität gemessen werden solle, indem die Mitarbeiter eines
Unternehmens nach ihren Erwartungen und deren Erfüllungs-
grad gefragt werden, ehe die Firmen sich auf den Bewerber-
markt begeben.
Netzwerke zur Personalentwicklung als Antwort
Sibylle Olbert-Bock forscht über die Möglichkeiten, die Klein-
und Mittelbetriebe (KMU) im Talent Management nutzen kön-
nen, obwohl sie nicht mit ihren Markennamen werben können
wie Google oder Porsche und die außerdem beschränkte finan-
zielle Mittel und einen heterogenen Personalbedarf haben. Für
IT-Unternehmen entwickelte die Professorin, die das Kompe-
tenzzentrum für Leadership & Personalmanagement der Fach-
hochschule St. Gallen leitet, das Modell eines Netzwerks zur
Personalentwicklung (PE). Arbeiten die Unternehmen in den
Personalentwicklungsnetzwerken vertrauensvoll zusammen,
definieren sie eine gemeinsame Strategie auf der Basis ähn-
licher Interessen, erstellen eine simple Technik für den Aus-
tausch und verankern Personalentwicklung in der jeweiligen
Firmenkultur, dann können in einem gemeinsamen Modell
der Personalentwicklungsbedarf analysiert und die entspre-
chenden Maßnahmen aufgesetzt werden. Davon ist Olbert-
Bock überzeugt, die neben ihrer wissenschaftlichen Erfahrung
mehrere Jahre Berufstätigkeit in internationalen Unternehmen
einbringt, in denen sie Funktionen in der Führungskräfte- und
Organisationsentwicklung innehatte.
Um für die IT-Branche entwickelte, agile Netzwerkmodelle
auch in anderen Branchen zu etablieren, wollen Olbert-Bock
und ihre Mitstreiter neben Personalmanagern die Linien­
führungskräfte und Mitarbeitende selbst einbeziehen, die
den Personalentwicklungsbedarf in der täglichen Praxis der
Abteilungen verschärft wahrnehmen. In Zusammenhang mit
der Digitalisierung sollen vermehrt Berufsverbände angespro-
chen werden, um das Netzwerkmodell präsenter zu machen,
weiterzuentwickeln und über verschiedene Gefäße der Perso-
nalentwicklung die Vorteile des Netzwerkens zu verbreiten.
„So kann Personalentwicklung nachhaltig werden“, sagt die
Professorin, „denn es geht um Personal- und Karriereentwick-
lung, die Antworten auf demografische Fragen wie auch auf die
Digitalisierung finden will.“
Und damit schließt sich der Kreis, denn wenn Firmen zu
Bewerbern bei talentierten Kandidaten werden, müssen sie in
der Personalentwicklung halten, was sie bei der Gewinnung
von Kandidaten versprechen: die Chance auf eigenverantwort-
liches Arbeiten und Spielräume im Job samt Fehlertoleranz. Zu
coolen Projekten mit hoher Selbstverantwortung gehören im
Management eben auch Rahmenbedingungen, die erfolgreiche
Projekte möglich machen. „Sonst wird die Selbstverantwortung
zum Bumerang und die Konkurrenz um Projekte zum här-
testen Wettbewerb, den auch kluge Mitarbeiter nicht immer
durchstehen können oder wollen.“
V.l.n.r.: Prof. Dr. Karlheinz Schwuchow (Hochschule Bremen), Prof. Dr. Alexander Cisik (Hochschule Niederrhein),
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock (Fachhochschule St. Gallen)
1...,49,50,51,52,53,54,55,56,57,58 60,61,62,63,64
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