PERSONALquarterly 2/2018 - page 60

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_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 02 /18
Erfolgsfaktor Diversity
Die Vielfalt der personalpolitischen Fragestellungen macht die Bundeswehr für
Diversity-Professorin Barbara Sieben zum Dauerbrenner ihrer Forschung.
Ruth Lemmer,
Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg
D
iversity ist in der Bundeswehr angekommen: Das
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg hat einen Di-
versity-Stab; andere Glaubensrichtungen als die
katholische und evangelische haben in Koblenz
eine Anlaufstelle gefunden; Chancengleichheit zwischen den
Geschlechtern soll durch die Attraktivitätsagenda der Vertei-
digungsministerin Ursula von der Leyen gefördert werden.
Karriere in Teilzeit, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle,
Planbarkeit bei Versetzungen, Kinderbetreuung in Rand-
zeiten, aber auch Gesundheitsmanagement und wertschät-
zende Führung stehen für die rund 250.000 Soldatinnen und
Soldaten in diesem Aktionsprogramm. Genau dieses Bündel
an personalpolitischen Experimenten und Aktivitäten macht
die deutsche Freiwilligenarmee zu einem „besonders span-
nenden Forschungsgegenstand“. Das jedenfalls findet Bar-
bara Sieben, seit 2013 Professorin für Personalpolitik an
der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften an der
Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr
Hamburg (HSU).
Angesiedelt bei den Bildungs- und Erziehungswissenschaf-
ten legt Professorin Sieben ihren Schwerpunkt auf Karrie-
re- und Personalentwicklungsthemen innerhalb des Human
Resource in Verwaltungen wie in privatwirtschaftlichen Un-
ternehmen. So hat sie in einer Webseitenanalyse beschrieben,
dass beinahe alle großen Unternehmen etwas zu Diversity mit
mehreren Dimensionen von Inklusion bis Religion unter dem
Button Karriere veröffentlichen – ganz gleich, welche Reali-
tät im Unternehmensalltag dahintersteht. Als Vorstudie ließ
die Hochschullehrerin in einer Masterarbeit Unternehmen in
der Türkei untersuchen. Auch dort findet sich Diversity auf
den Webseiten – allerdings im Schwerpunkt nur die Chancen-
gleichheit von Frauen.
Aktuell ist die Wissenschaftlerin dabei, eine Forschungs-
kooperation mit niederländischen, türkischen und britischen
Kollegen zur Integration von Geflüchteten in Arbeitsorgani-
sationen in den verschiedenen Ländern zu analysieren. Die-
se Kooperation verweist auf ihre multiperspektivische und
interdisziplinäre Sichtweise. In ihren Arbeiten geht Barbara
Sieben als Anhängerin der kritischen Managementtheorie dis-
kursanalytisch vor. Auch die Untersuchung über den Zusam-
menhang von Migranten als Beschäftigte und ihrer Wirkung
auf Kundenkontakte basierte auf der Verbindung unterschied-
licher Sichtweisen. Das Ergebnis: Die Vielfalt unter den Mitar-
beitern beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv und lässt
die Gewinne steigen. Ohnehin legt Professorin Sieben Wert auf
die Aussage, dass Diversity kein Thema für Sonntagsreden und
Gutmenschen ist, sondern dass vielmehr das Ignorieren der
gesellschaftlichen Unterschiedlichkeit zu schlechteren wirt-
schaftlichen Ergebnissen führt.
Forum für Heterogenität und Homogenität
Um diese Erkenntnis unter die Leute zu bringen – sowohl in
der wissenschaftlichen Community als auch unter die Füh-
rungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung – hat Professorin
Sieben 2016 die Zeitschrift für Diversitätsforschung und -ma-
nagement mitgegründet und beteiligt sich im Herausgeberrat
aus sechs Wissenschaftlerinnen an der Themengewichtung.
Die Zeitschrift will ein Forum sein für die wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit Heterogenität und Homogenität,
sozialer Gleichheit und Ungleichheit, Diskriminierung und
Privilegierung – eben allen Facetten von Vielfalt und Verschie-
denheit, die Professorin Sieben seit ihrer ersten Forschungs-
arbeit beschäftigen.
Die 52-jährige Hochschullehrerin wurde in Herford gebo-
ren und machte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung
zur Hotelfachfrau. Über diverse Stellen und den Abschluss
zur staatlich geprüften Betriebswirtin für das Hotel- und Gast­
stättengewerbe machte sich Barbara Sieben auf, Lehrerin für
Wirtschaftswissenschaft und Spanisch zu werden. Doch nach
dem Ersten Staatsexamen ging sie nicht ins Referendariat, son-
dern blieb an der Freien Universität Berlin. „Ich hatte meine
Leidenschaft für die Forschung entdeckt“, begründet Professo-
rin Sieben, warum sie 2001 von der studentischen Hilfskraft
zur wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Institut für Manage-
ment – Personalpolitik wurde. Schon in ihrer Staatsarbeit
übte die junge Wissenschaftlerin Kritik am Konzept der emo-
tionalen Intelligenz. Für ihre Promotion im Fachbereich Wirt-
schaftswissenschaft 2006 baute sie das Thema Emotionen aus
und untersuchte, wo Gefühle Führungsstrukturen unterliefen:
Management und Emotionen – Analyse einer ambivalenten
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