PERSONALquarterly 2/2018 - page 54

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 02/18
I
mmer häufiger verabschieden sich Unternehmen von
individuellen, leistungsabhängigen Boni. Gründe dafür
sind meist das Fehlen von objektiven Leistungskenn­
zahlen und ein hoher administrativer Aufwand. Dabei
wird jedoch gleichzeitig auch nach Alternativen gesucht, um
die Mitarbeitermotivation weiterhin aufrechtzuerhalten. Oft­
mals werden die Boni nicht komplett eingespart, sondern in
anderer Form an die Mitarbeiter gebracht. Ein Beispiel ist die
Erhöhung der Grundvergütung. Durch diesen administrativ
sehr einfachen und leistungsunabhängigen Prozess erhofft
man sich positive Resonanz bei den Mitarbeitern und dadurch
ebenfalls positive Einflüsse auf ihre Produktivität.
Den Autoren de Ree, Muralidharan, Pradhan und Rogers war
es möglich, in Zusammenarbeit mit der indonesischen Regie­
rung ein Umfeld zu kreieren, welches saubere Rückschlüsse
auf die Produktivitätsveränderung bei einer Verdoppelung
des Grundeinkommens zulässt. Die Verdoppelung ist dabei
unabhängig von der bisherigen und der zukünftigen Leistung.
Im Detail verdoppeln die Autoren mit Unterstützung der in­
donesischen Regierung die Grundvergütung von Lehrern 360
zufällig ausgewählter Schulen über einen Zeitraum von drei
Jahren. Auch wenn diese Gehaltssteigerung an keine Bedin­
gung geknüpft war, erhoffte sich die Regierung eine gesteigerte
Zufriedenheit der Lehrer. Sie erwartete, die Lehrer würden
mehr Zeit für Schulangelegenheiten aufbringen und sich im
Zuge dieser Veränderungen eben auch eine gesteigerte Leis­
tung der Lehrer einstellen.
Nach drei Jahren zeigte sich, dass diese ersten Hoffnungen
erfüllt wurden. Verglichen mit der Gruppe von Lehrern, die in
der Kontrollgruppe waren und somit keine Verdoppelung des
Gehalts erhalten haben, haben die Lehrer mit einem verdop­
pelten Grundeinkommen eine höhere Wahrscheinlichkeit, mit
ihrem Einkommen zufrieden zu sein. Sie haben zudem auch
eine geringere Wahrscheinlichkeit, unter finanziellem Stress
zu stehen. Außerdem bestätigte sich die Hoffnung, dass die
Lehrer mehr Zeit in der Schule verbringen würden. Lehrer mit
einem verdoppelten Gehalt haben in der Tat eine geringere
Wahrscheinlichkeit, einen zweiten Job auszuüben. Und wenn
sie trotz der besseren Bezahlung einer weiteren Tätigkeit nach­
gehen, dann arbeiten sie in ihrem Zweitjob jedenfalls weniger
Mehr für nichts: Doppelter
Lohn für gleiche Leistung
Joppe de Ree
(The World Bank)
, Karthik Muralidharan
(Uni-
versity of California)
, Menno Pradhan
(University of Amster-
dam)
, Halsey Rogers
(The World Bank): Double for Nothing?
Experimental Evidence on an Unconditional Teacher Salary In-
crease in Indonesia. Quarterly Journal of Economics: forthcoming
Stunden. Trotz der Veränderung imGehalt der Lehrer, ihrer Zu­
friedenheit und der Zeit, die sie nun für ihren Hauptberuf ver­
wenden konnten, hat die Veränderung des Gehalts jedoch nicht
ihren Arbeitseinsatz oder die Leistung der Schüler gesteigert.
So schnitten Lehrer mit der Gehaltserhöhung beispielsweise in
einemWissenstest nicht besser ab. Außerdem finden sich über
alle Fächer hinweg keine Unterschiede in den Testergebnissen
zwischen den Schülern, die von einem Lehrer mit höherem Ge­
halt, und denen, die von einem Lehrer mit niedrigerem Gehalt
unterrichtet wurden.
Somit war die Gehaltssteigerung mehr ein Transfer an die
Lehrer, ohne jedoch die erhofften Auswirkungen auf die Pro­
duktivität zu haben. Was die Autoren nicht ausschließen kön­
nen, ist jedoch, dass langfristig das gestiegene Gehalt bessere
Lehrer anziehen könnte und sich somit auch die Leistung der
Schüler verbessern könnte. Jedoch argumentieren die Autoren,
dass die schon kurzfristig entstehenden hohen Kosten nicht
im Verhältnis zu den möglicherweise langfristigen Erfolgen
stehen würden.
Bei der Darstellung der Ergebnisse, ihrer Interpretation und
möglichen Anwendung auf andere Bereiche sollten jedoch zwei
Sachverhalte bedacht werden: Zum einen handelt es sich bei
dem ausgewählten Umfeld dieser Studie um ein Entwicklungs­
land. Die Tatsache, dass viele Lehrer noch einen zweiten Beruf
ausüben, zeigt das generelle Einkommensniveau, und es lässt
sich nicht ausschließen, dass es unter anderen Bedingungen
vielleicht auch andere Effekte gegeben hätte. Zum anderen
handelt es sich bei der Zielgruppe der Studie um Lehrer, die
auch in Indonesien (wie fast überall) besondere Vorteile in
Bezug auf die Sicherheit ihres Berufs und gesonderter finanzi­
eller Zulagen genießen. Dies könnte ebenfalls Einflüsse auf die
Anreizwirkung einer Verdoppelung des Gehalts haben, die in
der freien Wirtschaft unter Umständen anders wären.
Besprochen von
Timo Vogelsang
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
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